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Donnerstag, 24. Februar 2022

Wenn es nur auch der Rest Europas lernt

Die Ukrainer lernen heute, was die Tschechen 1938 gelernt haben und was die Juden geschworen haben, niemals zu vergessen: Auf westliche Demokratien kann man sich angesichts einer militärischen Bedrohung durch ein autoritäres Regime nicht verlassen. Ein Land, das sich nicht selbst verteidigen kann, wird auf sich allein gestellt sein, wenn es Unterstützung am meisten bräuchte.

Ab den 1930er Jahren baute der Jischuw, die jüdische Gemeinschaft im Mandatsgebiet Palästina, eine Verteidigungskraft auf, die seiner politischen Führung unterstand, und stärkte sie durch eine Widerstandsbewegung, selbst als Großbritannien eine antizionistische Politik verfolgte.
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Auf diese Art und Weise vorbereitet, ging der Jischuw in den Krieg mit den Palästinensern, in dem er sowohl auf die von ihm entwickelte militärische Struktur als auch auf die von ihm verwendeten Waffen und Taktiken zurückgreifen konnte. Der Sieg im Unabhängigkeitskrieg wurde nur dank der Mobilisierung des gesamten menschlichen Potenzials des entstehenden Staates und des massiven Waffenschmuggels erreicht, der trotz des US-Embargos stattfand.

Inmitten der panarabischen Bedrohung Israels, die unter der Führung des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser entstanden war, wurde Israel fast zwanzig Jahre lang seinem Schicksal überlassen. Zunächst von den Vereinigten Staaten, dann von Frankreich und schließlich von ganz Europa.

In den 1950er Jahren sah sich Israel mit einer gefährlichen Bedrohung konfrontiert, als die damalige UdSSR Ägypten (und später auch andere arabische Länder) mit großen Mengen an Waffen belieferte. Washington weigerte sich, die dramatischen Veränderungen im Gleichgewicht der Kräfte auszugleichen und Jerusalem mit Verteidigungswaffen zu versorgen.

Als Israel 1956 in den Krieg zog, überwand es den Druck der USA und bescherte Nasser und den Sowjets einen durchschlagenden politischen Sieg. Er festigte Nassers Position in der Region für ein weiteres Jahrzehnt und gipfelte in der Mobilisierung der gesamten arabischen Welt gegen Israel im Jahr 1967.

Frankreich, das in diesem Jahrzehnt Israel bei der Bewältigung dieser Gefahren geholfen hatte, verriet Jerusalem nach dem Sechstagekrieg und unterstützte fortan dessen Feinde.

Als die arabischen Länder Israel 1973 erneut den Krieg erklärten, wandte sich das übrige Europa von Jerusalem ab, indem es sich weigerte, amerikanischen Flugzeugen, die Nachschub für die israelischen Streitkräfte transportierten, das Auftanken in seinen Territorien zu gestatten.

In einem nicht ganz so kritischen, aber ebenso verabscheuungswürdigen und gefährlichen Sinn unterstützt Europa weiterhin Bemühungen, den jüdischen Staat in internationalen Organisationen zu delegitimieren und finanziert großzügig Gruppen, die ihn untergraben.

Israel ist nicht nur wegen seiner Freiheit und Innovationskraft zu einer Erfolgsgeschichte geworden, sondern auch, weil es beschlossen hatte, seine nationale Sicherheit auf Selbstverteidigung zu gründen. Sein Überleben, sein Fortschritt und sein Wohlstand wurden durch sein starkes Militär und seine Entschlossenheit, sich aus eigener Kraft zu verteidigen, ermöglicht, selbst wenn es auf seinem Weg von verschiedenen Verbündeten im Stich gelassen wurde.

Israel erhält Unterstützung, weil es entschlossen ist, ohne sie zu überleben. Es verhindert einen Krieg durch Abschreckung, denn es hat gelernt, dass die Aggression autoritärer Regime dadurch ausgelöst wird, dass die Demokratien zögern, ihre Macht einzusetzen, selbst wenn die Mittel der Diplomatie und der Wirtschaft ausgeschöpft sind.

Europa hat Israel von Anfang an vorgeworfen, sich zu sehr auf sein Militär zu verlassen, und es gedrängt, seine nationale Sicherheit auf die von ihm erfundene »internationale Gemeinschaft« zu stützen. Sie und die amerikanische Regierung unter Joe Biden zeigen jetzt genau, warum ihr Rat nicht befolgt werden sollte.

Die Ukraine wird sich mit der Sympathie der Welt begnügen und sich mit einer schweren Verletzung ihrer Souveränität abfinden müssen. Würde das Schicksal Israels von der Mobilisierung und Entschlossenheit der westlichen Demokratien abhängen, wäre es längst schon besiegelt.

(Dan Schueftan, Direktor des National Security Studies Center der Universität Haifa, berät seit Jahrzehnten hochrangige israelische Entscheidungsträger in Fragen der nationalen Sicherheit, darunter mehrere Premierminister. Der Text wurde auf Englisch unter dem Titel »Ukraine’s rude awakening« u. a. beim Jewish News Syndicate veröffentlicht. Übersetzung von Florian Markl.) 

 

Im Ernstfall ist jedes Land auf sich allein gestellt, wenn seine Verteidigung den befreundeten Staaten nichts wert ist und dann ist sogar auf die westlichen Demokratien kein Verlass, obwohl die westlichste immer zu Israel gehalten hat. Das mag zum Teil auch am Einfluss der jüdischen Lobby in den USA gelegen haben, aber vor allem eben auch daran, dass einerseits Israel immer treu zu den USA stand und nie einem Stockholmsyndrom gegenüber den allahodermarxgläubigen Ölproduzenten erlag und daran, dass die USA echte Revolutionäre sind und immer noch an ihre Sache glauben, die Sache der Demokratie (die Franzosen, die in Deutschland als die Gralshüter und Iniziatoren dieser Regierungsform gelten, tauchten ja erst im Gefolge der Amerikaner auf und führten nicht die Demokratie ein, sondern modernisierten nach dem Blutrausch ihre Monarchie). Für Europa bin ich mittlerweile pessimistisch und fatalistisch. La forza delle cose ormai decide und es kommt, wie es kommen muss. Roger Köppel ist schon, mehr nolens als volens, das Sprachrohr des, ich hätte fast geschrieben Stendhalsyndroms. Es wurde zu viel falsch gemacht, seit die RAF-Rechtsanwälte regierten. Und jetzt ist in zweierlei Hinsicht eingetreten, was ich seit 1993 befürchtete 1. dass wir Europäer uns nur solange an die USA halten, wie die Geopolitik von Interkontinentalraketen bestimmt wird und dass die Blauäugigkeit der schönen 90-er Jahre dazu führen würde, dass wir es versäumen eine konventionelle Streitmacht aufzubauen und 2. dass die vielen Machtämter, die Gorbatschow in seiner Person vereinigte, ein Problem werden müssen, wenn sein Nachfolger nicht so zurückhaltend und einsichtig ist wie er. Diese beiden Aspekte treiben mich seit 1993 um, und dass sie von den Medien nie aufgegriffen wurden, hat mich an Europa verzweifeln lassen. Es fällt mir inzwischen sehr schwer stoisch zu bleiben. Aber mehr als zusehen, wie alles den Bach runter geht, kann ich nicht. Ich wäre schon überglücklich, wenn Trump noch einmal gewinnt und es schafft, den woken Schlamm einzudämmen. In diesem Fall würde der aber in Deutschland wohl um so heftiger quillen. Deutschland ist seit den 70-ern getrieben vom linken Feuilleton. Ohne das von Enzensbergers Kursbuch inspirierte Feuilleton hätten die RAF-Anwälte nie regiert. Merkel hat 2011 dann ihre Politik dezidiert der Medienmehrheit angeglichen, nachdem das linke Feuilleton die Sessel der pensionierten Konservativen eingenommen hatte und der deutsche Nanni Moretti sogar Redakteur der Welt geworden war (ich traute meinen Augen nicht! ich musste erst mal nachprüfen, ob es wirklich er war und nicht nur eine Namensgleichheit!). Merkel hat sozusagen sich und ihre Politik dem Mediendiktat angeglichen: die weibliche Variante der Gleichgeschaltung, zumindest die sentimentale Variante. Denn hinter Merkels Wahlerfolgen steckt vor allem eines: die deutsche Wiedergutwerdungssehnsucht, die Merkel ausgiebig bediente. Moralimperialismus als Ersatz für eine Läuterung, die die Menschen überfordert. Merkel suggerierte den schon länger hier Wohnenden, dass sie diesmal den schwarzen Peter denen zuschieben könne, die nicht hier wohnen. Aber jetzt haben wir doch wieder den Schwarzen Peter, weil es so kommen musste. Und der Michel lernt nichts daraus, er vergisst jetzt sogar schnellstmöglich, was er einst vielleicht lernte. Wenn sich in Deutschland Not ausbreitet, werden die Menschen sagen, dass es ihnen zu Merkels Zeit besser ging. Nichts wird sich ändern. Es sei denn, Z gewinnt die Wahlen und danach fasst sich ein deutscher Topmanager, der genug Geld hat und noch ein echter Somewhere ist, ein Herz und wirft es über den Rubikon, kauft sich zwei Fernsehsender, gründet Forza Germania und führt Alleanza Alternativa und Merzens CDÜlein zusammen. Aber das ist nicht einmal eine Hoffnung wert. Die einzige Gewissheit, die ich habe, ist dass Putin gewonnen hat. Meisterhaft! Meisterhaft machiavellistisch bzw. napoleonisch, aber wahrlich meisterhaft. Politkowskaja sei's nachgerufen. Ecce homo. All dies ist eine schreckliche Rückkehr zur Normalität. Als es uns gut ging und wir die Demokratie genossen, konnte es uns nie demokratisch genug sein, ständig wurden Haare in der guten Suppe gefunden oder halluziniert und man musste sich die Slogans von Gesellschaftsverbesserungsbesessenen anhören. Demnächst werden wir erleben, dass dieselben Weltverbesserer immer mehr Einschränkungen willig hinnehmen werden.


Europa hat versäumt (seit den RAF-Anwälten und erst recht während Merkels Flower Power), eine konventionelle Streitmacht aufzubauen. Deutschland kann nicht mal sich selbst verteidigen. Jetzt im letzten Moment die Ukrainer zu bewaffnen, wäre Wahnsinn. Das nennt Roger Köppel zu Recht den unverantwortlichen Eifer von Schreibtischtätern, die er als Kriegsgurgeln bezeichnet. Aber eines kann ich bekräftigen: the West's unresponsable, childish politics of the past 25 years will not be forgotten by the rest. „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Die Finlandisierung eines gesamten Kontinents hat begonnen. Dagegen muss der Westen sich jetzt stemmen, obwohl Putin auch ein Kampfgenosse gegen den woken Schlamm ist. Man muss bewundernd anerkennen, dass Putin die Zeitpunkte seiner Interventionen immer sehr gut wählt.

"Der Maidan war nichts anderes als der 9. Oktober 1989 von Leipzig. Mit dem Unterschied, 1989 war der Reformer Gorbatschow in Moskau im Amt und 2014 saß dort der KGB-Mann Putin", schreibt der gute Gunter Weißgerber. Aber erstens war Gorbatschow auch während des Blutsonntags in Vilnius im Amt (und ich hätte nicht in seiner Haut stecken mögen, denn hätte er damals nicht so hart reagiert, wäre womöglich in weit größerem Ausmaß in Gorbatschows Reich das geschehen, was später in Jugoslawien geschah) und zweitens steht Gorbatschow seit langem hinter Putin und stärkt ihm den Rücken. Richtig: Putin will kein anderes Leipzig 1989. Die Ukraine ist Putins Geisel wie die Tschechoslowakei Hitlers Geisel war. Er will Russland wieder zu einer Großmacht machen. Die Finlandisierung ganz Europas hat begonnen, das Hyper-Stockholmsyndrom entfaltet seine Wirkung und das unabhängig davon, was den Russen bei den 2+4Gesprächen laut Jürgen Chrobog zugesagt wurde oder nicht, und nicht wegen moralischer Verfehlungen des Westens bezüglich irgendwelcher mündlicher Zusagen, wie sie auch Obama und der Irak trafen (und das dann noch als "unterschriebenes Vertragswerk" an die große Glocke hingen, das Trump angeblich zerriss), sondern weil schon die 68-er-Regierung von Schröder-Fischer-Schily blauäugig war und Merkel dann auch noch die Hippies an die Macht brachte und wir jetzt die dümmste Regierung seit Idi Amin haben). „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Im Arbeitspapier der Bundesakademie https://www.baks.bund.de/de/arbeitspapiere/2018/nato-osterweiterung-gab-es-westliche-garantien steht, dass Gorbatschow sich gegenüber der BILD auf eine Weise äußerte und gegenüber der Kommersant auf eine ganz andere. Das mit den Worten "Letztendlich bekannte er sich doch zur historischen Wahrheit." zusammenzufassen, ist mir zu romantisch bzw. nicht einmal das. Es ist so ein traumseliger deutscher Sentimentalismus, eine Art narkoleptischer Geistesblitz, so ähnlich wie das, was Goethe Lazarettpoesie nannte (und erst dann wieder gut klingt, wenn es von Roland Neuwirth ins Wienerische übersetzt wird). Putin hat gewonnen. Mit Propaganda nach innen (zu der sogar ein gesetzliches Verbot revisionistischer Geschichtsforschung gehört, damit der russische Lebensgeist ja nicht wie in Deutschland durch die Weißfäule der Zerknirschung beeinträchtigt werde), nach außen, indem er die Zeitpunkte seiner Interventionen  geschickt wählte und Narrative förderte, für die die meisten westlichen Journalisten und Intellektuellen, die nie aufhören, wie Nachtfalter um die heißleuchtende Idee des Sozialismus zu flattern, anfällig sind und drittens natürlich militärisch. Als er - ich glaube 2014 - mit Serbien eine 10-jährige militärische Kollaboration vereinbarte, wurde das in den deutschen Medien nicht mal erwähnt, jedenfalls so gut wie nicht.

1998 lag die NATO-Osterweiterung in der Luft (egal, was für Zusagen Gorbatschow laut Jürgen Chrobog gemacht worden waren). Damals hätte Europa eine Schutzzone vom Baltikum bis zum Pontus und der Adria schaffen müssen (entweder durch ein intraeuropäisches Verteidigungsbündnis oder im Rahmen der NATO) und gleichzeitig hätte damals ein System konkurrierender, pluralistischer paneuropäischer Fernsehanstalten in sämtlichen Sprachen Europas (noch vor der EU-Osterweiterung) und auf hebräisch (mit Simultanübersetzungen während der wöchentlichen Hart-aber-wirklich-fair-Sendungen, die jeden Monat von einem anderen europäischen Topjournalisten hätten moderiert werden müssen) errichtet werden müssen, um eine europäische Nationengemeinschaft mit echtem Wir-Gefühl zu schaffen. Dies wäre die Voraussetzung für Freundschaftsangebote an Russland gewesen. Wäre, hätte Dönerkette. Es wurde aber nicht getan, und jetzt ist es zu spät dafür, um die Ukraine von der europäischen Gurkentruppe bewaffnen zu lassen, die nicht einmal in der Lage wäre, sich selbst zu verteidigen, wenn es Putin einfiele, Krieg gegen Europa zu führen. Es hat keinen Sinn, die ukrainischen Generäle jetzt mit Waffen auszurüsten, die - selbst wenn deren Offiziere in der Lage wären, sie zu bedienen - nur dazu führen würden, in der Ukraine Zerstörungen und unermessliches Leid zu verbreiten. Putin wird seinen Willen, die Ukraine betreffend durchsetzen. Kickl hat also genauso recht mit seiner Warnung, jetzt Neutralität zu wahren, wie damals sein Vorgänger, der den NATO-Beitritt anmahnte (kurz bevor Deutschland dann von den RAF-Rechtsanwälten regiert wurde). Putin agiert sehr klug. Wer Mut zeigt in einem Moment, in dem alle anderen geradezu besoffen sind vor Angst (Lauterbachitis), der hat leichtes Spiel.


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