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Freitag, 26. Mai 2023

Eine lange überfällige Erörterung

 Der Rechtsstaat

Die guten Männer (Carlos Gebauer und Michael Moser) haben hervorragende Arbeit geleistet. Dem Gerücht von der "unabhängigen Justiz in Deutschland" wird endlich mal auf den Zahn gefühlt.

Für mich ist dies besonders auch insofern interessant, als ARD und ZDF immer vollmundig davon sprachen, in Italien werde die Unabhängigkeit der Justiz von Berlusconi mit Füßen getreten (was man sich dann von Leoluca Orlando bestätigen ließ, der einst dem Richter Falcone Steine in den Weg gelegt hatte, bevor Falcone ermordet wurde; was aber in ARD und ZDF (oder auch bei den privaten Sendern) nie je erwähnt wurde). 

In Italien ist die Justiz aber, im Gegenteil zu den vom deutschen Fernsehen verbreiteten Halbwahrheiten, ganz besonders unabhängig. Sie hat sogar ein eigenes Parlament (Consiglio superiore della magistratura), dessen Präsident wiederum der jeweilige Staatspräsident ist, weshalb es immer spannend wird, wenn der Staatspräsident gewählt wird, weil dieses Richterparlament mit einem ihm gewogenen Staatspräsidenten gegen die eigentliche vom Ministerpräsidenten geführte Regierung gegensteuern kann (was zum ersten Mal unter Oscar Luigi Scalfaro zu beobachten war), und zwar nicht nur formal juristisch, sondern durch dezidierte, konzertierte Befangenheit. Diese Befangenheit steht (oder zumindest stand sie in den 90-ern) sogar als Forderung im Statut von Magistratura Democratica, dem von Mitgliedern der KPI bzw. deren Nachfolgeorganisationen dominierten Juristenverband (dessen Sympathisanten schon 1978 Delegierte entsandten, als das Dritte Russel-Tribunal stattfand). 

Und das noch in einem System, in dem die Karriere des Staatsanwalts nicht von der des Richters getrennt ist bzw. in welchem es gar keinen Staatsanwalt gibt, sondern eben einen Richter, der die Anklage formuliert, der dann in der nächsten Instanz sogar der richtende, urteilende Richter sein kann. Dieses System wollte Berlusconi durch Trennung der Karrieren (hier Staatsanwalt, dort Richter - also wie in Deutschland) reformieren, was ihm aber nicht gelang.

Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Aspekt einmal von Moser, Gebauer und Vosgerau unter die Lupe genommen würde, zumal diejenigen, die damals gegen Berlusconi hetzten und Leoluca Orlando zu ihrem Vorzeigeitaliener machten, die aber nie den hochintelligenten Philosphen Rocco Buttiglione zu einer Talkshow einluden, der damals Berlusconis Minister war, hervorragend deutsch spricht (und vier andere Sprachen) und mit Ratzinger gemein hatte, zu Woytilas engeren Freunden zu zählen, nie einluden und heute dieselben sind, die gegen die AfD hetzen und Merkels Abendmahl mit den Aposteln vom Verfassungsgericht schön reden.

Ich wusste zwar, dass die Justiz, wenn plötzlich etwas sehr Einschneidendes passiert, das zu enormen Spannungen im Gebälk führt, auch in Deutschland in den Sog politischer Polarisierung geraten würde (portugiesische Jurastudenten der Europäischen Universität Florenz versuchten 1996 einer deutschen Jurastudentin zu erklären, dass dies zwangsläufig so ist, was der typisch deutschen, einfältigen Micheline nicht begreiflich gemacht werden konnte, denn die plapperte wie ein von den "Tagesthemen" und vom "Tatort" dressiertes Hündchen, so als bekomme ein Richter in Deutschland mit der Amtswürde via mRNS ein zusätzliches DNS-Fragment, dass ihn daran hindere, jemals befangen zu werden), aber dass purer Opportunismus bzw. eine Art Relotius-Laune ausreichen würde, um das deutsche Rechtswesen Merkel vor die Füße zu werfen, lange vor Corona und Ukrainekrieg, das hätte ich nicht für möglich gehalten. 

Aber so wie die letzten konservativen Journalisten vor ungefähr 10 Jahren in Pension gingen, geschah es wohl auch mit den Juristen. 

 

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