Die guten Männer (Carlos Gebauer und Michael Moser) haben hervorragende Arbeit geleistet. Dem Gerücht von der "unabhängigen Justiz in Deutschland" wird endlich mal auf den Zahn gefühlt.
Für mich ist dies besonders auch insofern interessant, als ARD und ZDF
immer vollmundig davon sprachen, in Italien werde die Unabhängigkeit der
Justiz von Berlusconi mit Füßen getreten (was man sich dann von Leoluca
Orlando bestätigen ließ, der einst dem Richter Falcone Steine in den Weg
gelegt hatte, bevor Falcone ermordet wurde; was aber in ARD und ZDF (oder auch bei den privaten Sendern) nie
je erwähnt wurde).
In Italien ist die Justiz aber, im Gegenteil zu den vom deutschen Fernsehen verbreiteten Halbwahrheiten, ganz besonders unabhängig. Sie hat sogar ein eigenes Parlament (Consiglio superiore della magistratura), dessen Präsident wiederum der jeweilige Staatspräsident ist, weshalb es immer spannend wird, wenn der Staatspräsident gewählt wird, weil dieses Richterparlament mit einem ihm gewogenen Staatspräsidenten gegen die eigentliche vom Ministerpräsidenten geführte Regierung gegensteuern kann (was zum ersten Mal unter Oscar Luigi Scalfaro zu beobachten war), und zwar nicht nur formal juristisch, sondern durch dezidierte, konzertierte Befangenheit. Diese Befangenheit steht (oder zumindest stand sie in den 90-ern) sogar als Forderung im Statut von Magistratura Democratica, dem von Mitgliedern der KPI bzw. deren Nachfolgeorganisationen dominierten Juristenverband (dessen Sympathisanten schon 1978 Delegierte entsandten, als das Dritte Russel-Tribunal stattfand).
Und das
noch in einem System, in dem die Karriere des Staatsanwalts nicht von
der des Richters getrennt ist bzw. in welchem es gar keinen Staatsanwalt
gibt, sondern eben einen Richter, der die Anklage formuliert, der
dann in der nächsten Instanz sogar der richtende, urteilende Richter
sein kann. Dieses System wollte Berlusconi durch Trennung der Karrieren (hier Staatsanwalt, dort Richter - also wie in Deutschland) reformieren, was ihm aber
nicht gelang.
Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Aspekt einmal von Moser, Gebauer und Vosgerau unter die Lupe
genommen würde, zumal diejenigen, die damals gegen Berlusconi hetzten
und Leoluca Orlando zu ihrem Vorzeigeitaliener machten, die aber nie den
hochintelligenten Philosphen Rocco Buttiglione zu einer Talkshow
einluden, der damals Berlusconis Minister war, hervorragend deutsch
spricht (und vier andere Sprachen) und mit Ratzinger gemein hatte, zu
Woytilas engeren Freunden zu zählen, nie einluden und heute dieselben
sind, die gegen die AfD hetzen und Merkels Abendmahl mit den Aposteln
vom Verfassungsgericht schön reden.
Ich wusste zwar, dass die Justiz, wenn plötzlich etwas sehr
Einschneidendes passiert, das zu enormen Spannungen im Gebälk führt,
auch in Deutschland in den Sog politischer Polarisierung geraten würde
(portugiesische Jurastudenten der Europäischen Universität Florenz
versuchten 1996 einer deutschen Jurastudentin zu erklären, dass dies
zwangsläufig so ist, was der typisch deutschen, einfältigen Micheline
nicht begreiflich gemacht werden konnte, denn die plapperte wie ein von
den "Tagesthemen" und vom "Tatort" dressiertes Hündchen, so als bekomme ein Richter in Deutschland mit der Amtswürde via mRNS ein zusätzliches DNS-Fragment, dass ihn daran hindere, jemals befangen zu werden), aber dass
purer Opportunismus bzw. eine Art Relotius-Laune ausreichen würde, um
das deutsche Rechtswesen Merkel vor die Füße zu werfen, lange vor Corona
und Ukrainekrieg, das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Aber so wie die letzten konservativen Journalisten vor ungefähr 10 Jahren in Pension gingen, geschah es wohl auch mit den Juristen.
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