Vorgestern radelte ich noch entlang der Etsch, und gestern
schon fragte man mich, weshalb ich denn die Hymne nicht mitsänge; ich
hätte ja die Strophe, worin die Etsch als Südscheide gen Welschland
ihren heiklen Platz hat, weglassen können, aber warum verschlösse ich
mich bzw. meinen Mund auch der dritten? Sei ich denn ein Özil oder
Boateng?
So schnell wird man vom Festredner zum Festochsen! Ich musste den braven Mann, einen Alten Herren
einer für mich Unkundigen nicht identifizierbaren Verbindung, mit der
Bemerkung abspeisen, dass ich eben nicht sänge, also nicht im Chor und
mit der Menge, daheim unter der Dusche oder beim Revierreinigen nähme
ich es mit jeder Wagner-Partie auf, Isolde und Brünnhilde inbegriffen.
Ja, und die Senta erst! Joho-ho-hé! Aber die Nationalhymne? Ich könne
sie so wenig mitbrummeln, wie es mir widerstrebe, an der hl. Kommunion
teilzunehmen, ich sei eben ein vernagelter Querulant, dem die
Kollektivisten im deutschen Gottesstaat der Atheisten jeden Impuls ins
Gemeinschaftliche abdressiert hätten. In mir habe für alle Zeiten der
solitäre, womöglich solitaristische Knall obsiegt. Anders bei Özil, der
habe deshalb nie mitgesungen, weil er einem anderen Kollektiv angehört,
dort falsettiere er bestimmt brav zu Cümbüş, Kabak-kemâne und Sackpfeife
(Tulum). Boateng indes hätte gewollt, konnte sich aber bloß den Text
der ersten beiden Strophen merken, und die kamen nie dran. Aber ich
singe nicht und kann nicht anders, hätt’ Allah mich bestimmt zum
Hymnenmitsinger, so hätt’ er mich als Hymnenmitsinger geschaffen.
Hergottsakra!
Wo die Szene spielt? Hier, zumindest ausschnittshalber (ich fand das Foto auf twitter):
Der eher unburschikose Redner, dessen anthrazitfarbenes Einstecktuch
vom Mikrophon verdeckt wird, spricht auf dem Burschentag der Deutschen
Burschenschaft in Bachs Geburtsstadt. Die so fesch kostümierten
Herrschaften auf dem Podium blieben übrigens während meines gesamten
Vortrags stehen, was mich anfangs etwas irritierte – mein Publikum, wenn
es sich schon nicht vor Kaminen auf Eisbärenfellen räkelt, soll
wenigstens sitzen –, doch schließlich stillte mich die Erwägung, dass
ich ja selber stünde. An jenen Stellen, wo der Applaus fällig wurde,
rasselten die auf dem Podium mit ihren Degen, während im Saal teils
heftig auf die Tische geklopft wurde. Hier bzw. dort herrscht noch
Manneszucht. Als kärgliches Honorar hatte ich mir ein Fläschchen Château
d’Yquem ausbedungen; es wurde stillschweigend substituiert durch einen
Spätburgunder von immerhin Bercher und einen dem Yquem schon, wenn auch
nicht preislich, näher kommenden badischen Gewürztraminer im
Präsentkorb. O tempora, o mores! (Einen Video-Mitgeschnitt gibt
es diesmal nicht; wer sich für das krude Zeug interessiert, das ich
vortrug, findet es, leider eben ohne sekundierendes Waffengeklirr, hier.)
Zur
Hymne denn also. Alle drei Strophen wurden am Ende gesungen, zum
elektrischen Pianoforte, derweil ich mit vernähtem Munde immerhin
halbwegs strammstand, wobei mich bei der ersten Strophe durchaus sacht
der Haber stach, wenn nicht gar der Habermas!, meinen Mund doch
aufzutun. Die erste ist ja, ästhetisch betrachtet, eindeutig die beste.
Zwei und drei sind Kitsch. Aber gut, eine kitschige Hymne, das ist ein
weißer Schimmel oder ein grüner Gauner. Deutschland wiederum ist das
einzige Land der Erde, wo nach Polizei und Verfassungsschutz gerufen
wird, wenn jemand die vollständige Nationalhymne singt. Deutschland ist
aber auch das einzige Land der Erde, das zwei Weltkriege und obendrein
noch in der Vorrunde gegen Südkorea verloren hat; da wird man halt
irgendwann meschugge.
Die erste Strophe gilt heute als
revanchistisch, weil sie geographisch akkurat den deutschen Sprach- und
Kulturraum umreißt, den Gevatter von Fallersleben weiland als einiges
Land ersehnte, und man weiß nicht recht, was aus heutiger Warte daran
falsch sein sollte, denn es herrschten ja dann Buntheit und
Weltoffenheit, Energiewende und Willkommenskultur, Greta und Grüne von
der Maas bis an jene Memel, an welcher jetzt Russen, Weißrussen und
Litauer den Fortschritt behindern wie in anderen einstmals deutschen
Ostlanden die störrischen Polentrolle. Man stelle sich vor: Merkeldeutschland in den Grenzen von 1937!
Doch die Amtsvorgänger von Trump, Putin und der Brexiteers hatten etwas
dagegen. Die zweite Strophe gilt als besonders kitschig, was dem
deutschen Weißwein gegenüber ungerecht ist. Die dritte mag ich nicht
mehr hören, seitdem ich weiß, wer sie sonst noch singt.
Sela, Hymnenende.
***
Ein Moslem hat die Chance zu sagen, es sei gegen Gott. Unsereiner hat allenfalls die Chance zu sagen, ein Moslem habe die Chance zu sagen, es sei gegen Gott.
***
Die FAZ teilt mit:
„Rund 7,8 Milliarden Euro konnte das Berliner Entwicklungsministerium
im Jahr 2016 ausgeben. Im selben Jahr haben Migranten umgerechnet 17,7
Milliarden Euro aus Deutschland zurück in die Herkunftsländer
überwiesen. Das waren rund 6,5 Milliarden mehr als noch im Jahr 2007,
wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der
AfD-Bundestagsfraktion hervorgeht.“
Zurück überwiesen. So
so. Ich schlage vor, dass die Wahrheits- und Qualitätspresse künftig
schreibt: Alle Asylbewerber erhalten in Deutschland ab sofort
Sozialhilfe und Aufenthaltsrecht zurück.
***
Übermacht, ihr könnt es spüren,
Ist nicht aus der Welt zu bannen;
Mir gefällt zu konvergieren
Mit Gescheiten, mit Tyrannen.
Da die dummen Eingeengten
Immerfort am stärksten pochten,
Und die Halben, die Beschränkten
Gar zu gern uns unterjochten.
(Goethe)
***
Man überlege, was ein Kleist aus dem Mariechen von Freiburg, dem Fall
der Familie Ladenburger, gemacht hätte! Und welche wohlfeilen Proteste
auf der Buchmesse dagegen hätten organisiert werden können! MK
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