Putin nimmt sich Hitlers Tausend-Mark-Sperre als Vorbild
Mit
wirtschaftlichen Sanktionen will Moskau Georgien davon abbringen, sich
der Nato und der EU zu nähern. Das Ziel ist klar, und die Taktik ist
uralt.
Am 1. Juli 1933 trat die Tausend-Mark-Sperre in Kraft.
Deutsche Staatsbürger mussten beim Grenzübertritt nach Österreich,
sofern er nicht im kleinen Grenzverkehr erfolgte, eine Gebühr von 1000
Reichsmark zahlen. Damit sollte die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft
geschädigt werden, um das von nationalsozialistischen Umtrieben bedrohte
Österreich Hitler gefügig zu machen. Als Vorwand benutzte Berlin die
Ausweisung des bayerischen NS-Justizministers Hans Frank durch die
Regierung Dollfuß. Frank, später Generalgouverneur für die besetzten
polnischen Gebiete, hatte in Graz Österreich als „deutschen Teilstaat“
bezeichnet.
86 Jahre später, am 8. Juli, tritt ein von Präsident
Putin verhängtes Embargo gegen Georgien in Kraft. Es untersagt den
Luftlinien den Passagierverkehr zwischen Russland und der ehemaligen
Sowjetrepublik. Russische Reiseagenturen streichen Georgien aus dem
Angebot, weil russische Touristen dort angeblich gefährdet seien. Damit
soll ein kleines Land wirtschaftlich geschwächt werden, das nicht
bereit ist, sich mit der russischen Okkupation der abtrünnigen Provinzen
Abchasien und Südossetien - einem Fünftel seines Territoriums -
abzufinden.
Als Vorwand dienten Putin die heftigen Proteste der
georgischen Opposition gegen den Auftritt des kommunistischen russischen
Abgeordneten Sergei Gavrilov im Parlament von Tbilisi (Tiflis).
Gavrilov hatte dort auf russisch Georgien als russische Heimat
bezeichnet und die “orthodoxe Brüderlichkeit” beschworen. Da er auf
Einladung der prorussischen Regierungspartei sprach, schlug der
nationale Protest rasch in Demonstrationen gegen die Regierung um, die
seit einer Woche anhalten. Mehr als 240 Personen wurden bei den brutalen
Einsätzen der Polizei verletzt. Russen befanden sich nicht darunter. Es
gibt keinen Russenhass in Georgien, die Wut richtet sich gegen Russland
als Besatzungsmacht.
Die Unruhen kommen Moskau gelegen, weil sie
dazu beitragen, das am Westen orientierte Land zu destabilisieren. Indes
zieht Putin die Daumenschrauben weiter an. Jetzt wird auch georgischer
Wein boykottiert, weil er auf einmal nicht mehr den russischen
Qualitätsansprüchen genügt. Ökonomische Sanktionen, politische
Destabilisierung und militärische Bedrohung sind die Methoden, mit denen
Putin die ehemaligen Sowjetrepubliken erpresst, die sich der Nato
annähern möchten: Georgien, Moldawien, Ukraine.
Das ist derselbe
russische Präsident, der sich gegen die Sanktionen verwehrt, die wegen
der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim gegen sein Land verhängt
wurden. Unter wirtschaftlichen Sanktionen leiden allerdings vor allem
kleine und schwache Länder. Russland ließ sich davon bisher nicht von
seinem Kurs abbringen. Da müsste die Nato schon mit einer glaubwürdigen
militärischen Abschreckung reagieren, wie sie Polen und die baltischen
Republiken schon seit langem fordern. Doch zu einem solchen mutigen
Schritt fehlt es in Westeuropa an Weitsicht und politischem Willen.
Im April 2008 schmetterten Deutschland und Frankreich auf dem
Nato-Gipfel in Bukarest den Vorschlag der USA und Polens ab, der Ukraine
und Georgien die Mitgliedschaft in der Allianz in Aussicht zu stellen.
Nur wenige Monate später fielen russische Truppen in Georgien ein. Putin
war sich sicher, dass die Nato nichts unternehmen würde, und er nützte
die Chance. Als billige Hilfskräfte der Nato dürfen georgische Soldaten
ihren Kopf hinhalten. Aber für die Sicherheit ihres Landes gibt es bis
heute keine Garantie.
Die Regierungen Litauens und der Ukraine raten
ihren Bürgern, den Urlaub heuer möglichst in Georgien zu verbringen.
Ich war gerade dort und kann mich dem nur anschließen. Es ist ein
wunderbares, ein stolzes, ein religiös und kulturell europäisch
geprägtes Land. Und meinen bescheidenen Ansprüchen genügt die Qualität
der georgischen Weine bei weitem. Karl-Peter Schwarz
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