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Freitag, 28. Juni 2019

So sieht's aus




 Ich kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Das muss ich leider so sagen.
Dr. Felix Klein, in der Funke Mediengruppe
Beinahe ist man geneigt, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland zuzustimmen, denn letzten Endes hat er ja völlig Recht: es kann für Juden in Deutschland inzwischen gefährlich sein, sich als solche zu outen. Aber eben nur beinahe.
Das »rechtsradikale Umfeld«
Klein habe früher dazu eine andere Meinung gehabt habe, fügt er hinzu, sehe jedoch inzwischen eine »zunehmende gesellschaftliche Enthemmung und Verrohung«, die einen fatalen Nährboden für Antisemitismus darstelle. 90% der Straftaten gegen Juden oder jüdische Einrichtungen seien dem rechtsradikalen Umfeld zuzuordnen.
Man muss sich inzwischen fragen, wie oft man – auch den Antisemitismusbeauftragten – auf die Mängel dieser Statistik hinweisen muss. Es ist hinlänglich bekannt, dass alle antisemitischen Straftaten, bei denen sich der Täter nicht ermitteln lässt, pauschal dem rechten Spektrum zugeordnet werden, angefangen von geschändeten Friedhöfen über sogenannte »Propaganda-Delikte« wie Hakenkreuzschmierereien bis hin zu tätlichen Angriffen. Ist der Täter nicht eindeutig identifiziert, kommt er, zumindest, was die Statistik anbelangt, aus der rechten Ecke.
Dabei ist es völlig egal, dass zum Beispiel die »Sieg Heil« und »Juden ins Gas«-Rufe auf Deutschlands Straßen im Sommer 2014 allesamt aus den Mündern radikaler muslimischer Demonstranten zu hören gewesen waren. Statistisch waren sie »rechtsextrem«.
Hinzu kommt, dass bei Tatbeständen, die mehrere Delikte erfüllen, der Fall unter dem Stichwort des Delikts mit der höchsten Strafandrohung erfasst wird. Wird jemand also erst als »Yahoud« bezeichnet und dann geschlagen, läuft der Fall unter Körperverletzung und wird gar nicht erst als antisemitische Straftat erfasst.
Es fällt also schwer, sich darüber zu freuen, dass der Antisemitismusbeauftragte die Sachlage endlich benennt, wenn er gleichzeitig die hinlänglich bekannten Mängel jener Statistik ausblendet, auf der seine Ursachenanalyse beruht.
»Nicht überall«
Wenn Dr. Klein erklärt, dass das Tragen der Kippa »nicht überall« empfehlenswert sei, stellt sich automatisch die Frage nach dem »wo nicht«, gefolgt vom »warum nicht«. Immerhin könnte man sich als Jude dann überlegen, ob und wann und wie man diese Gegenden aufsucht oder meidet. Aber genau dazu schweigen die Medien und auch Dr. Klein. Offensichtlich kann oder will er die Gegenden, in denen Juden sich besser nicht als solche outen sollten, nicht genauer benennen.
Und so wird aus einem traurigen »nicht überall« bei näherer Betrachtung nichts anderes als ein beschämendes »nirgends«.
Klein hüllt es zwar in schöne Worte, aber letzten Endes sagt er nichts anderes, als dass Juden in Deutschland heutzutage nirgends davon ausgehen können, nicht angegriffen zu werden, wenn sie offensichtlich jüdisch sind. Ein größeres Armutszeugnis lässt sich für das »Nie wieder«-Land Deutschland kaum ausstellen. Dass Juden in Deutschland heute nicht mehr überall und bei jeder Gelegenheit sicher sind, ist ein Offenbarungseid.
Schuld ist das Internet
Schuld an der zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung hätten laut Klein das Internet, und bei den muslimischen Tätern, die zumeist schon länger in Deutschland leben, die arabischen TV-Sender »in denen ein fatales Bild von Israel und Juden vermittelt wird«.
Was er sagt, ist nicht ganz falsch. Es ist aber auch nicht ganz richtig. Denn es ist unvollständig. Die Ursachen dafür, dass Juden heute in Deutschland nicht mehr sicher sind, sind nämlich vielfältig.
Abgesehen davon, welches Bild in deutschen TV Sendern Bild von Israel und Juden vermittelt wird: Tatsächlich ist der Antisemitismus von rechts heute lauter und sichtbarer als er es in den letzten Jahrzehnten gewesen ist. Der Anteil derjenigen innerhalb der deutschen Bevölkerung, die antisemitisches Gedankengut hegen, liegt allerdings seit der Wiedervereinigung mehr oder minder konstant bei 20%. Dass diese 20% heute plötzlich so eine Rolle spielen, nachdem man sie seit dem Mauerfall jahrzehntelang konsequent ignoriert hatte, mag daran liegen, dass man so am elegantesten darum herumkommt, die übrigen Bedrohungen, denen Juden in Deutschland ausgesetzt sind, zu thematisieren.
Zum klassischen deutschen Antisemitismus hat sich hinzugesellt, was nach wie vor am liebsten nicht gesehen wird, was man so furchtbar ungern thematisiert, könnte es doch Rassismus schüren, den man in Deutschland »nie wieder« sehen will: Der muslimische Antisemitismus. Auch dieser war grundsätzlich immer da. Mit dem Erstarken der muslimischen Gemeinden in Deutschland vor und seit der Flüchtlingswelle zeigt auch er sich allerdings lauter und deutlicher als in der Vergangenheit.
Befeuert wird dieser noch durch den als »Antizionismus« oder »Israelkritik« getarnten linken Antisemitismus, der sich nicht direkt an Juden richtet sondern »nur an Zionisten«, also an Menschen, die das Recht auf jüdische Selbstbestimmung in einem jüdischen Staat verteidigen. Der linke Antisemitismus dämonisiert den jüdischen Staat wie der rechte Antisemitismus den Juden als Person. Doch dieser holprige Umweg macht ihn nicht weniger antisemitisch.
Und vielleicht hat letztlich genau das dazu geführt, dass der klassische Antisemitismus von Rechts sich heute wieder traut, sein hässliches Gesicht zu zeigen: Wenn man andere Formen des Antisemitismus konsequent ignoriert, entsteht eine Atmosphäre der Duldung. Wenn die einen dürfen, dann glauben die anderen auch zu dürfen.
Juden besser ohne Kippa, Deutsche dafür mit?
Die Betroffenheit, mit der sich Dr. Klein äußert, ist glaubwürdig. Man kann davon ausgehen, dass er gute Absichten hegt. Allerdings scheint er wie ein zahnloser Tiger, der im Amt wenig bis keine Macht hat, gegen die katastrophalen Entwicklungen auf deutschen Straßen anzugehen. Sonst hätte er sich vielleicht nicht so schwergetan zu konkretisieren, in welchen Gegenden Juden besser nicht mit Kippa auftauchen sollten und weshalb.
Vielleicht hätte er sonst anlässlich des Al-Quds-Marsches in Berlin auch nicht nur dazu aufgerufen für einen Tag spaßeshalber eine Kippa aufzusetzen, sondern sich dafür eingesetzt, diesen leidigen Marsch des muslimisch-antisemitischen Hasses auf deutschen Straßen endlich ein für alle Mal zu verbieten.
Und vielleicht hätte Dr. Klein dann auch erklärt, welche Maßnahmen in Zukunft gewährleisten sollen, dass Juden in Deutschland überall eine Kippa oder einen Davidstern tragen können, auf der Straße hebräisch sprechen oder sich sonst irgendwie als jüdisch outen können, ohne zu riskieren, beleidigt, bespuckt, geschlagen oder Schlimmeres zu werden.
Die Lösung kann niemals darin liegen, dass Juden ihr Judentum geheim halten oder sich verstecken müssen. Hier ist Deutschland gefordert. Mit oder ohne Kippa auf dem Kopf.  Schlaglichter





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Apropos... Wie gut, dass es die BILD gibt!

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