Ein Wort zu Kleists "Findling", in einer an Findlingen
reichen Zeit (sie heißen heuer "Unbegleitete männliche Flüchtlinge"). Für alle diejenigen, die in der Lage sind, sich die Frage zu stellen, was wohl ein Kleist aus dem Fall Maria Ladenburger gemacht hätte...
Der alte Geschäftsmann
Piachi ist mit seinem Sohn auf Reisen, in der Stadt, die sie besuchen,
herrscht die Pest, weshalb beide sofort abreisen, ein Straßenkind bittet
um Mitnahme, aus Mitleid willigt Piachi ein, sein Sohn steckt sich an
und stirbt an der Seuche. Der Alte nimmt den Findling an Sohnes statt
an, seine junge Frau Elvire akzeptiert es bereitwillig (deren heikle
seelische Disposition aufgrund eines traumatischen Ereignisses in ihrer
Vergangenheit lasse ich hier weg). Nicolò, das Findelkind, wächst heran.
Der Stiefvater überschreibt ihm schließlich seinen gesamten Besitz als
Erbe. Nicolo dankt es seinem Adoptiv-Vater schlecht: Er vergeht sich an
Elvire. Piachi ist bereit, die Angelegenheit diskret zu klären, doch
Nicolò verweist auf seine Erbdokumente und sodann die Stiefeltern des
Hauses. Ein daraus folgender Rechtsstreit geht zu Gunsten Nicolòs aus,
weil der Bischof, der auf einen Erbanteil für die Kirche hofft, sich für
den Findling einsetzt; überdies will Nicolò eine dem heiligen Manne
lästig gewordene Buhle heiraten. Elvire überlebt den Schock und die
Schmach nicht. In einem Wutanfall tötet Piachi den Nicolò und wird
daraufhin zum Tode verurteilt.
Was nun kommt, ist purer Kleist,
in seiner göttlichen Rigorosität und dämonischen Großartigkeit. Weil
Piachi partout die Annahme der Absolution verweigert, muss die
Hinrichtung mehrfach verschoben werden. Zuletzt gesteht er sein Motiv –
er will den Findling in der Hölle wiedertreffen, um dort seine Rache
weiter an ihm stillen zu können – und verflucht den Aufschub; dann endlich hängt
man ihn auf. – – Piachi sinnt auf Rache, Vater Ladenburger gründet
eine Stiftung und setzt sich ein für "Findlinge". Das ist der
Unterschied.
Aber natürlich ist der Ladenburger ein besserer
Christenmensch als der kristallreine Wollüstling der
Rache bei Kleist. "Die Rache ist mein", spricht bekanntlich der Herr,
derweil Piachi sich in jenen Herrn wandelte, der zudem spricht:
"Wir haben keinen Sohn gezeugt".
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