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Sonntag, 23. Juni 2019

Seehofers dissoziative Persönlichkeitsstörung

Horst Seehofer, immerhin der deutsche Innenminister, will sich womöglich selber der Bürgerrechte entschlagen. Damit greift er eine Idee von Joseph McCarthy bzw. Peter Tauber auf. Der Minister kündigte an, er lasse die Möglichkeit prüfen, Demokratiefeinden die Grundrechte zu entziehen.
Zwar kann nach Art. 18 GG, auf den sich erst der Locktauber und nun Seehofer berufen, einzig das Bundesverfassungsgericht über einen solchen Fall befinden, aber warum nicht noch ein bisschen herumrandalieren, bevor man aufs Altenteil gesetzt wird und mit Bauklötzen spielt? Der FAZ zufolge dräute Seehofer: "Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung gehören offline wie online verfolgt. Wenn die Politik die Eindämmung von Hasskommentaren ernsthaft will, müssen wir sie auch realisieren, natürlich in den Grenzen der Verfassung." An die "Adresse der AfD" (FAZ) sagte der Minister, "jeder sollte seine Worte sorgsam abwägen. Worte können das Vorfeld für Hetze, Hetze das Vorfeld für Taten sein". Für ihn bestehe ein Zusammenhang "zwischen der Sprache und solchen Exzessen der Gewalt".

Der "Exzess", den Seehofer hier in den Plural tüttelt, ist der mutmaßliche, jedenfalls noch nicht aufgekärte Mord an dem Kasseler CDU-Lokalpolitiker Walter Lübke, ein klassischer Einzelfall. Wer die hyänenhafte Gier beobachtet, mit der sich deutsche Öffentlichkeitsarbeiter mitsamt des Politsprengels zur Instrumentalisierungshatz zusammenfinden, dem könnte angst und bange werden, sofern er nicht längst ein bezugsfertiges Exil vorbereitet hat. Man hat diesem Land die Nazimentalität niemals austreiben können, nur die Zahl der Nazis ist immerhin erfreulich stark zusammengeschmolzen. Aber der kleine Doktor wäre stolz auf die aktuelle Feindstifterei des publizistischen Freikorps von der Hamburger Relotiusspitze:




Zurück indes zu Seehofer, der sich an die Spitze der Bewegung setzen und die Jagd auf die Hintermänner des Einzelfalltäters eröffnen will. "Bis zur letzten Patrone" werde sich die Berliner Koalition gegen "eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme" wehren, hat der CSU-Vorsitzende beim politischen Aschermittwoch 2011 in Passau geflunkert. Damals gab es die AfD noch nicht, und er musste die Stellung ganz alleine halten.
Gut, mag der eine oder andere meinen, das war eine Aschermittwochsrede, da gilt Narrenrecht. Aber wir leben in tugendterroristischen Zeiten, in denen auch diese letzte Freiheit geschleift wird, sofern Rechte sie missbrauchen. Peter Frey, der Chefredakteur des ZDF, versicherte mir vor hunderten Zuhörern, ich werde nie ins Zweite Deutsche Fernsehen eingeladen – Hadmut Danisch schlägt vor, es in "Zwielichtiges Deutsches Fernsehen" umzutaufen –, weil ich mich erfrecht habe, den Bundespräsidenten eine "Marionette" zu nennen, zwar ebenfalls in einer Aschermittwochsrede, doch der Aschermittwochsredner darf nicht mehr die Zunge in Unschuld waschen.

Apropos "bis zur letzten Patrone" (Seehofer). Artikel 20 GG, Absatz 2 bis 4:
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

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