Ein Anwalt (nicht nur ein Strafverteidiger) hat jeden - wen auch immer! - zu vertreten. Sonst ist der Rechtsstaat am Ende.
"Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einem Freund. Es ging um die Frage, wen man eigentlich verteidigen darf. Ich habe ihm gesagt, dass ich in der Regel keine Kindesmissbrauchstäter verteidige, nicht, weil ich der Meinung bin, dass sie keine Verteidigung verdienen (ganz im Gegenteil), sondern weil ich glaube, dass ich diese Tätergruppe nicht optimal verteidigen könnte. Man sollte ja generell niemanden vertreten, wenn man das nicht gut macht.
Dann kam das Thema auf Links- und Rechtsextremisten. Hier meinte mein Gesprächspartner, dass man die auf gar keinen Fall verteidigen dürfe. Einen Unterschied zwischen links und rechts machte er nicht (über religiöse Extremisten sprachen wir nicht, wäre interessant gewesen, wie er das da sieht - ich werde ihn fragen).
Meine persönliche Erfahrung dazu ist eine etwas andere: Bei Linksextremisten sind viele Verteidigerkollegen viel eher bereit, die Verteidigung zu übernehmen (z.B. als die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette gefasst wurde). Bei Rechtsradikalen und Rechtsextremisten hingegen zuckt die große Mehrheit zurück. Ein Grund scheint auch zu sein, dass die Verteidigung von Linksextremisten auf ein viel gnädigeres mediales Echo stößt als dies bei Rechtsextremisten und -radikalen der Fall ist. Wer Rechtsextremisten und -radikale verteidigt, wird (medial, politisch etc.) ebenfalls schnell in diese Ecke* gesteckt. Selten hat das sachliche Gründe, dient eher dem Versuch einer generellen Stigmatisierung.** Natürlich gibt es klassische "Szeneanwälte" und man kann sich gut und gern auf den Standpunkt stellen, dass die doch dann auch gefälligst die Vertretung übernehmen mögen und die "normalen" Verteidiger davon die Finger lassen sollten. Das halte ich nicht für richtig. Ein Verteidiger, der sich allein rechtsstaatlicher Strafverteidigung und einem daraus folgenden Ethos verpflichtet fühlt, sollte jeden Täter verteidigen (Ausnahme siehe oben, wenn man meint, den Täter nicht optimal verteidigen zu können).
Ich höre den Einwand: "Aber das muss er doch nicht!" Richtig, ein Strafverteidiger muss keine Verteidigung übernehmen (es sei denn, er wird unter bestimmten Umständen als Pflichtverteidiger bestellt). Aber er sollte es tun dürfen, ohne selber als "Mörderverteidiger" oder Ähnliches diffamiert zu werden. Das Recht auf Strafverteidigung ist in einem Rechtsstaat essentiell, es ist aber nur halb so viel wert, wenn die bloße Übernahme von Mandaten zum Anlass genommen wird, Verteidiger in Misskredit zu bringen (es sei denn, sie geben über die bloße Mandatierung hinaus ihrerseits Anlass zu Kritik). Denn das ist geeignet, gute Verteidiger abzuschrecken, bestimmte Fälle zu übernehmen, ohne dass die Gründe den Fall im engeren Sinne betreffen.
So klar das Prinzip ("es gibt keine "No-go-Area"-Strafverteidigung) auch scheinen mag, lässt sich allerdings nicht verhehlen, dass das Verständnis in der Bevölkerung für Strafverteidiger allgemein auch schon bei Mord- oder Vergewaltigungsvorwürfen ("So einen verteidigt man doch nicht!") gering ist. Bei der Verteidigung von Rechtsradikalen oder -extremisten kommt aber auch hinzu, dass viele Medien dann den Gülleeimer ("Naziverteidiger") nicht nur über den Beschuldigten, sondern auch über deren Verteidigern auskippen. Gute Strafverteidiger lassen deshalb von solchen Fällen lieber die Finger, weil das Image allein durch eine tendenziöse Berichterstattung schnell ruiniert werden kann. Ich kann die Entscheidung, solche Fälle abzulehnen, verstehen, missbillige aber mit Nachdruck, dass es oftmals auch die Sorge um das Image ist, die Grund für die Nichtübernahme solcher Mandate ist. Viele hält die normative Kraft des Faktischen zurück, solche Fälle anzunehmen. Ist das aus der Perspektive eines Strafverteidigerethos konsequent? Sicher nicht. Aber lohnt jedes Opfer ("Imageschaden"), nur um die reine Lehre zu vertreten? Das ist eine Frage der Abwägung, lässt sich nicht pauschal beantworten und muss am Ende sowieso jeder für jeden Einzelfall selber entscheiden.
Zurück zu meinem Gesprächspartner: Er meinte, es würde ihn "riesig freuen", wenn kein einziger Strafverteidiger im ganzen Land die Verteidigung von Links- oder Rechtsextremisten übernehmen würde. Mich hat diese Sicht empört und ich habe ihm erwidert, dass ich in diesem (rein theoretischen Fall), ohne jegliche Rücksicht auf die normative Kraft des Faktischen und etwaige Imageschäden sofort die Verteidigung jedes Links- oder Rechtsextremisten übernehmen würde - aus Prinzip und der festen Überzeugung heraus, dass ein Rechtsstaat nie, aber auch wirklich nie, sich zu einem Staat entwickeln darf, der bestimmte Menschen zu "Feinden" erklärt und ihnen die Rechte nimmt, die zu seinen Fundamenten gehören und die einen Rechtsstaat ausmachen - selbst für den Fall, dass diese Leute genau diese Fundamente ablehnen und bekämpfen.
Vielleicht ist die geschilderte Sicht naiv und folgt einem Ethos von Strafverteidigung, das nicht mehr in eine Zeit passt, in der jeder mit seiner "Haltung" prahlt und sich gegenüber anderen erhabener fühlt, wenn er sie, garniert mit Gratismut, öffentlich zeigen kann. Vielleicht ist diese Sicht aber auch notwendig, weil ein Rechtsstaat aus guten Gründen auf gewissen Prinzipien beruht und es sich lohnt, diese auch gegen Widerstände zu verteidigen". Holm Putzke
*Priebke ließ sich in Italien von einer jüdischen Rechtsanwältin verteidigen. Das gab ein paar bissige Kommentare, aber die Argumente, mit denen sich die Rechtsanwältin gegenüber den Moralaposteln rechtfertigte (dieselben, die Herr Putzke anführt), wurden in Italien ganz allgemein als Selbstverständlichkeit empfunden. Die bissigen Kommentare waren gewissermaßen nur ein Ärger, dem na sich Luft machen musste. Ein Ärger darüber, dass angesichts eines so schrecklichen Geschehens jemand, der daran beteiligt war, für sich faire Behandlung beanspruchen kann, ein Ärger darüber, dass er letztlich auch zu uns gehört, einer von uns ist, von uns Menschen. Aber erklären muss man den Italienern nicht, dass jeder Recht auf Verteidigung haben muss, weil sonst der Rechtsstaat aufgehört hat zu existieren (dass er in D im Schwinden ist, erläuterten Lassahn und Kunz gestern Abend sehr anschaulich). Man muss den Italienern nicht einmal erklären, dass man sich nicht auf die Rechtsprechung, Ehrlichkeit und Unschuld der Richter verlassen kann. In Deutschland dagegen wird es lange dauern, bis jemand wie Harbarth als Verbrecher entlarvt wird.
Übrigens, als Kind war es mir unheimlich, dass Himmler, Hitler, Heydrich alle einen Namen hatten, der mit H anfing. Nicht etwa, weil ich abergläubisch gewesen wäre. Ich verspürte ein Unbehagen, zumal es drei Namen waren, die heutzutage nicht existieren. Auch das war mir unheimlich, denn ich fand keine Erklärung dafür. Auf den Gedanken, dass viele Leute, die diese Nachnamen besaßen, einen Änderungsantrag gestellt haben könnten, kam ich gar nicht (auch weil mein Vater einmal behauptet hatte, eine Namensänderung sei unmöglich, weil Ordnung nur gewährleistet sei, wenn jeder Mensch eindeutig identifizierbar ist). Himmler, Hitler, Heydrich... Namen aus einer anderen Welt schienen es zu sein, obwohl sie nur wenige Jahrzehnte zurücklag. Mein Vater hieß Heinrich. Keiner meiner Altersgenossen hieß Heinrich oder Friedrich! Es gab gegenüber bestimmten Namen eine unausgesprochene Distanz. Und das H schien zu einer spezifischen Stimmung zu gehören. Gab es unbewusste Neigungen, die bei den Menschentieren zu merkwürdigen Vorlieben führten und unbedeutende Äußerlichkeiten den Rang eines Kennzeichens annehmen ließen? Solche Fragen zischten manchmal durch mein kindliches Gemüt. Übrigens fangen Harbarth, Haldenwang und Habeck alle mit H an, und es sind ebenfalls ungewöhnliche Namen. Ich werde langsam wirklich abergläubisch. Faeser fängt Gott sei Dank mit F an. Und Scholz ist kein absonderlicher Name.
**Ich würde es Exorzismus nennen.
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