Vor knapp zwei Wochen beschloß die französische Nationalversammlung
ein Gesetz gegen Fake News und die Manipulation von Wahlen. Alle
Oppositionsparteien lehnen das Gesetz ab, zweimal wurde es im Senat
zurückgewiesen. Nun drückte es Präsident Macron, gestützt auf die
Mehrheit seiner Partei, dennoch durch.
Das neue Gesetz gilt für die drei Monate vor Wahlgängen und
verpflichtet Betreiber sozialer Netzwerke, Falschmeldungen über
Kandidaten im Schnellverfahren zu löschen. Ferner sollen Facebook,
Twitter, Google & Co. offenlegen, wer welche Anzeigen bezahlt. Und
ausländische TV-Sender, die Falschmeldungen verbreiten, können bis zur
Wahl abgeschaltet werden.
Auswahl heißt Einflußnahme
Nicht wenige französische Kommentatoren betrachten das Gesetz als
Skandal. Daß nur ausländische, nicht aber heimische Sender für falsche
Berichterstattung sanktioniert werden können, ist tatsächlich kaum
erklärbar. Ebenso einseitig, weil sie die nationale Presse nicht erfaßt,
wirkt die Verpflichtung der Netzwerke zur Nennung ihrer Geldgeber. Daß
arabische Prinzen, der russische Geheimdienst oder wem immer eine
Einflußnahme auf Wahlen unterstellt wird, unter eigenen Namen Anzeigen
auf Facebook oder Twitter schalten, scheint zudem weltfremd.
Doch ist das noch der kleinste Teil der mangelnden
Wirklichkeitskenntnis, die das Gesetz verströmt. Denn das hochherzige
Ziel selbst ist eine Dummheit: Wer die „Manipulation von Informationen“
aus der Welt schaffen will, muß Medien verbieten.
Auswahl heißt Einflußnahme. Das Bild des ertrunkenen kleinen Jungen
am Strand von Bodrum ging um die Welt; Fotos der überrollten Kinder des
islamischen Anschlags in Nizza publizierte kaum eine Zeitung. Die Opfer
der Axtattacke im Zug bei Würzburg 2016 blieben in deutschen Medien ohne
Gesicht; soziale Netzwerke zeigten sie, und auch ihre klaffenden
Wunden.
Die Vergewaltigung und Tötung von Maria L. in Freiburg durch einen
bereits in Griechenland wegen versuchten Mordes verurteilten Flüchtling betrachtete die „Tagesschau“ als nicht berichtenswert;
dagegen schafft es die Erschießung eines farbigen Kleinkriminellen
durch weiße Polizisten in den USA oder die Ermordung von argentinischen,
mexikanischen oder russischen Reportern regelmäßig in die
Hauptnachrichten.
Verlagshäuser sollen gefügig gemacht werden
Und bei den Kölner Silvesterübergriffen 2015
versagte die gesamte etablierte Presse, Hand in Hand mit Politik und
Sicherheitsbehörden; erst die sozialen Medien sorgten dafür, daß die
sexuelle Massenattacke der „Gäste“ überhaupt bekannt wurde. Nur ein paar
Beispiele unter Hunderten, und alle fern der bewußten Lüge. Aber ohne
Zweifel mit dem Potential, Wahlen in die eine oder andere Richtung zu
beeinflussen.
Die Grenze zwischen Auswahl und Manipulation ist immer schmal, und
das vor allem in Zeiten, in denen Journalismus weniger Berichterstattung
als „Haltung“ bedeutet – und nicht selten Hysterie. Gleiches gilt für
das weite Feld der Verdachtsberichterstattung. Auch sie kann
manipulative Ziele haben, wie beispielsweise die aktuelle
Titelgeschichte des Spiegel, die keinen einzigen Nachweis für
die Finanzierung der AfD durch den Milliardär Finck erbringt. Alles nur
„soll“ und „könnte“, immer nur Möglichkeitsform und Geraune von
„Insidern“. In Frankreich dürfte der Spiegel, sollte er vor der
nächsten Wahl eine solch ungestützte Nachrede über einen
Präsidentschaftskandidaten publizieren, künftig Probleme bekommen.
Tatsächlich zielt Macrons neues Gesetz jedoch weniger auf
Journalisten. Es soll, so wie in Deutschland das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Verlagshäuser gefügig machen. Gleiches
intendieren die geplanten Regelungen im Global Compact for Migration,
die jede Kritik an Migration zu unterbinden suchen. Sie alle operieren,
um nicht in den Ruch offener Zensur zu geraten, mit wirtschaftlichen
Sanktionen gegen die Verlage.
Manipulativer Starrsinn vieler Journalisten
Neu ist das nicht. Eine ähnliche Debatte wurde jahrelang um Bild und
ihren – jedenfalls aus linker Sicht – zu großen Einfluß auf die Wähler
geführt. Auch damals wurden immer wieder Boykottmaßnahmen gefordert.
Nun, nach dem Niedergang von Auflage und Macht des letzten
Massenmediums, gilt die Klage den sozialen Netzwerken. Denn dort findet
sich nun jene Gegenöffentlichkeit von Bloggern, Fachleuten und
Informanten, die den links-grün durchsetzten Medien widersprechen – und
damit die Legitimität der politischen Eliten unterminieren.
Ob der Einfluß dieser Medien allerdings so groß ist wie behauptet, scheint so fraglich wie früher. Gerhard Schröder wurde trotz Bild gewählt, Helmut Kohl gegen alle manipulative Geringschätzung als „Birne“ und „Provinzler“ immer wieder im Amt bestätigt.
Berichterstattung läuft immer Gefahr, für Fake News und Manipulation
mißbraucht zu werden. Das ist kalter Kaffee, keine Sache der sozialen
Netzwerke. Neu ist etwas anderes: Früher wurden Fake News und einseitige
Berichterstattung von Journalisten anderer Häuser umgehend
angeprangert; heute, das zeigt der Fall Chemnitz, halten die meisten
Medien auch dann noch an regierungsamtlich behaupteten „Hetzjagden“ fest, wenn die längst widerlegt sind.
Und auch das monatelange, regierungsnahe Schweigen zum Global Compact for Migration
ist ein Beispiel für den manipulativen Starrsinn vieler Journalisten.
Nicht russische Hacker oder Alt-Right-Aktivisten im Netz sind das
Problem, sondern die fehlende Selbstkontrolle der Medien und ihre
propagandistische Verschwörung gegen die Wahrheit. Dagegen helfen keine
Gesetze. Nicolaus Fest
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