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Samstag, 16. März 2024

Wo Scholz recht hat, hat sogar Scholz recht

 

Köppel glaubt, das werde sich wieder einrenken, es sei nur eine Midlife-Crisis. Aber ich war so zuversichtlich wie er heute vor 30 Jahren. Damals beobachtete ich, dass die zuvor ausgegrenzte Linke endlich unbefangen, freimütig und rückhaltlos mitdiskutieren durfte. In der Zwischenzeit zeigt sich aber, dass es sich rächt, dass man die Linke zuvor solange ausgegrenzt hatte, denn nun rächt sie sich dafür, und sie ist dabei intoleranter als es die erschöpften Konservativen ihnen gegenüber waren. Damals wurde "Ausgeglichenheit" angestrebt, indem unsere angesehenen Journalisten die angeblichen Gegenargumente der Linken aufzählten, aber man gab ihnen nie Gelegenheit, selber ihre Argumente vorzustellen und verteidigen zu müssen. Eine völlig undemokratische Praxis, wenn auch eine antitotalitaristische, zumindest von der Absicht her. Denn die Ausgrenzung galt auch der NPD und sogar den Vertriebenenverbänden. Der Journalismus einer unausgereiften Demokratie. Wobei die NPD mit der Zeit ein derartiger Popanz wurde, dass man sie unter anderem deshalb nicht verbieten konnte, weil so viele V-Männer darin agierten, dass der Verfassungsschutz geradezu sich selber bekämpfte. Die Welt lacht uns nur deshalb nicht hinterher, weil sie nicht glauben kann, dass wir wirklich in diesem Ausmaß lächerlich sind.

Von der Gründung der AfD hatte ich mir versprochen, dass nach der Linken auch die Rechte wieder salonfähig werden könne. Aber jetzt sind die Fronten härter als je zuvor in der BRD. Es ist wie einst in der Weimarer Republik, nur als Farce, denn das intellektuelle Niveau ist gegenüber den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts sehr gesunken. Die Kontinuität dagegen besteht darin, dass Deutschland nicht konfliktfähig ist, nicht pluralismusfähig, nicht tolerierfähig, nicht demokratiefähig; mit einem Wort: unheilbar verbiestert. Die Lage des deutschen Journalismus sei "fast klinisch", meint Köppel. Sie ist klinisch! Und Aussichten auf Heilung bestehen nicht. Ich warte auf diese Heilung seit über 50 Jahren. Aber der einzige Schritt in die richtige Richtung ist bisher der Kontrafunk. Den hätte ich mir vor 50 Jahren gewünscht!! Er kam aber erst mit 50 Jahren Verspätung. Er macht mir die Gegenwart erträglich. Aber alles, was gut ist in Deutschland, wird entweder ein Reigen historischer Verlierer sein oder es wird, im Falle eines historischen Sieges, selber Unheil anrichten. Diejenigen, die anständig sind, rechnen können und gebildet genug sind, um eine Politik vom Range Bismarcks verwirklichen zu können, sind viel zu dünn gesät, um etwas ausrichten zu können. Und wer diese außergewöhnlichen Eigenschaften nicht besitzt, wird Schaden anrichten, ob er will oder nicht. Das einzige, was in Deutschland wirklich solide ist, ist auch nicht das deutsche Volk (das völlig außer Stande ist, sich der Dauerindoktrination, der es seit 68 ausgesetzt ist, zu entziehen), sondern die administrative Trägheit unserer Behörden. Von ihr werden wir noch eine Weile zehren. 

Ich hatte das Glück in eine Zeit hineingeboren zu sein, in der die Völker auf der durch kulturelle Vielfalt ausgezeichnetet eurasischen Halbinsel 1. zu erschöpft waren, um Kriege zu führen und sich 2. im Auge des Orkans befanden. Ich habe das immer gewusst, und ich wusste auch, dass dieses Glück nicht ewig dauern konnte. Und dass der lang anhaltende Frieden kaum mit kluger Politik zu tun hatte, sondern eben mit den oben genannten 2 Punkten, ist seit langem meine Überzeugung. Es ist lange her - ich war damals 12 oder 13 Jahre alt - als ich, beim Lesen eines Textes von Ephraim Kishon zum ersten Mal die Israelis beneidete: ich spürte instinktiv, dass ihre Seelen robuste Antikörper besaßen und das der Schmerz ständiger Beschneidung sie wachsam und wehrhaft machte.

Israel ist zu klein, um sich unter Wahrung der Menschenrechte (gegenüber einem Menschenschlag, der nie die Menschenrechte achten wird) verteidigen zu können. Deswegen wollte Kahane ja, dass Israel expandiert. Aber bisher fand niemand den Mut zu expandieren. Es wäre wohl auch nur dann möglich, wenn die Saudis damit einverstanden wären.

Der deutsche ist jetzt hässlicher, als er es je war: Es ist ekelerregend, die Deutschen auf der Straße zu sehen. Alles an ihnen ist geschmacklos und ungepflegt, die Kleidung, die Haartracht, die Physiognomie. Und die stumpfsinnige Hybris der Deutschen, die ihnen aus jeder Pore tropft, sobald man irgendeinen deutschen Sender einschaltet, ist noch abscheulicher. Als Patriot kann man sich in dieser Lage nur noch an Schriften und Musikwerke (und sehr, sehr wenige Bilder der Malerei, Architektur und Bildhauerei) klammern und damit abfinden, dass es deutsche Kultur nur noch in der Diaspora geben kann. Nur so kann man es auch ertragen, einer Niete wie Scholz recht geben zu müssen.

Was Köppel über Deutschland sagt - dass es ein mehr regionalistisches als natinalistisches Land sei - ist Unsinn. Es stimmt allenfalls für Bayern einerseits und die Gesamtheit der alten Bundesländer Norddeutschlands andererseits, sowie für Saxothuringia und die neuen Bundesländer dritterseits und dann noch für einen Südwesten. Aber im zentralistischen Frankreich sind a l l e regionalen Identitäten viel ausgeprägter als in Deutschland, obwohl dort auch die nationale sehr markant ist. In einem Wort: Deutschland hat sowohl regional wie national eine blasse, rachitische Identität. Daran ändert die dezentrale Tradition, die wir nicht erst seit der Goldenen Bulle haben, überhaupt nichts und der Föderalismus stärkt keine kulturellen Besonderheiten. Aldi Nord und Aldi Süd auch nicht. Manchmal träumt sogar Köppel.


 

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