"Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte mich heute aus diesem Kreis nach über
sechsjähriger Zugehörigkeit von Ihnen verabschieden. Manche Abschiede
sind geplant, z. B. wenn der Arbeitsvertrag befristet oder wenn eine
bestimmte Altersgrenze erreicht ist, wie bei unserem Freund Rob, andere
Abschiede sind nicht geplant und etwas überraschend, wie bei mir.
Die Vorsitzenden der drei Parteien, die die
Bundesregierung in Deutschland bilden, Frau Merkel, CDU, Herr Seehofer,
CSU, und Frau Nahles, SPD, hatten am 23. September beschlossen, dass ich
als Präsident des Bundesverfassungsschutzes abgelöst werden soll. Damit
ist eine Regierungskrise In Deutschland beendet worden. Die SPD hatte
mit einem Bruch der Koalition gedroht, wenn ich weiter im Amt bleiben
würde.
Hintergrund der Regierungskrise war die Tatsache,
dass ich am 7. September gegenüber der größten deutschen Tageszeitung
"Bild-Zeitung" die Richtigkeit der von Medien und Politikern
verbreiteten Berichte über rechtsextremistische "Hetzjagden" bzw.
Pogrome in Chemnitz in Zweifel gezogen hatte. Am 26. August 2018 war ein
Deutscher von Asylbewerbern in Chemnitz getötet worden. Am gleichen
Tage gab es Demonstrationen ìn Chemnitz gegen die Flüchtlingspolitik der
Bundesregierung von normalen Bürgern[,] aber auch von
Rechtsextremisten. Dabei kam es auch vereinzelt zu Straftaten. Am
folgenden Tag und an den darauffolgenden Tagen stand nicht das
Tötungsdelikt im politischen und medialen Interesse, sondern
rechtsextremistische Hetzjagden gegen Ausländer. Diese "Hetzjagden"
hatten nach Erkenntnissen der lokalen Polizei, der Staatsanwaltschaft,
der Lokalpresse, des Ministerpräsidenten des Landes und meiner
Mitarbeiter nicht stattgefunden. Sie waren frei erfunden.
Ich habe bereits viel an deutscher
Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber
Politiker und Medien[,] "Hetzjagden" frei erfinden oder zumindest
ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue
Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland. Ich hatte mich in
der darauffolgenden Woche gegenüber der "Bild-Zeitung" in nur vier
Sätzen dazu geäußert, [I]ndem ich klarstellte, dass es nach
Erkenntnissen aller zuständigen Sicherheitsbehörden keine derartigen
rechtsextremistischen "Hetzjagden" gab.
Gegenüber den zuständigen Parlamentsausschüssen
stellte ich in der folgenden Woche klar, dass ein Kampf gegen
Rechtsextremismus es nicht rechtfertigt, rechtsextremistische Straftaten
zu erfinden. Die Medien sowie grüne und linke Politiker, die sich durch
mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten, forderten
daraufhin meine Entlassung. Aus meiner Sicht war dies für linksradikale
Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit
der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser
Regierungskoalition zu provozieren. Da ich in Deutschland als Kritiker
einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und
Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner
und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu
drängen.
Aufgrund des schon erwähnten Beschlusses der drei
Parteivorsitzenden werde ich mein Amt aufgeben, sobald ein Nachfolger
bestimmt ist. Dies wird voraussichtlich in den nächsten Wochen der Fall
sein. Bundesinnenminister Seehofer, der mich und meine Position in
dieser politischen Auseinandersetzung sehr unterstützte und dafür selbst
viel Kritik von den Medien erfuhr, möchte mich als seinen Berater bei
sich behalten. Ob und unter welchen Bedingungen dies stattfinden soll,
wird im Einzelnen in den nächsten Wochen geklärt werden müssen.
Jedenfalls kann ich mir auch ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum
Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen. Ich hätte nie
gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik
und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt, dass vier Sätze von
mir ausreichend sind, um eine Regierungskrise in Deutschland auszulösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir
schwer, mich nach sechs Jahren von Ihnen zu verabschieden. Ich habe
diesem Kreis sehr gerne angehört und habe in allen Sitzungen und bei
allen Gesprächen ein hohes Maß an Kollegialität und an Solidarität
festgestellt. Ich habe festgestellt dass wir die gleichen Ziele haben,
die gleichen Werte teilen und gegen die gleichen Gegner von Freiheit und
Demokratie kämpfen. Ich bin der Auffassung, dass wir in den letzten
sechs Jahren viel erreicht haben. Viel auch für die Sicherheit meines
Landes. Ich habe in den letzten Jahren viel Unterstützung von ihnen
erfahren bei der Lösung unserer nationalen Sicherheitsprobleme und ich
habe mich immer bemüht, Sie auch bei Ihrer Arbeit zu unterstützen, damit
Ihre Länder und Europa sicherer werden.
Ich möchte Ihnen für all das danken. Danken
möchte ich Ihnen auch für die vielen persönlichen und freundschaftlichen
Momente, die ich erfahren durfte. Ich würde mich sehr freuen, auch nach
dieser Zeit mit manch einem von Ihnen persönlich und privat in Kontakt
bleiben zu können. Zuletzt möchte ich die Bitte äußern, dass Sie mit
meinem Nachfolger die Zusammenarbeit in gleich intensiver Weise
partnerschaftlich fortsetzen.
Danke für die Aufmerksamkeit!"
Anmerkung der ARD-Redaktion: Maaßen hielt die
Rede am 18. Oktober 2018 in Warschau. Danach war das Manuskript offenbar
im BfV-Intranet einsehbar.