Stationen

Donnerstag, 22. November 2018

Die Not mit dem Gendersternchen

Die Verfechter des Gender-Sterns (Ä/Arzt*in, Mitbürger*innen, Linguist*in, Verfechter*innen), der soeben vom Rat für deutsche Rechtschreibung nicht empfohlen wurde, nehmen für ihr Anliegen einige Komplikationen in Kauf. Ihr Anliegen ist es, dass in allen denkbaren Personenbezeichnungen alle denkbaren Geschlechter sich mitbezeichnet fühlen sollen. Ob allerdings, wenn nach einem Arzt im Zug gerufen wird, auch nur eine einzige Ärztin sitzenbliebe oder bloß unter Protest herbeieilte, weil sie ja nicht mitgemeint war, steht dahin. Ob jemand begründet unterstellen könnte, wenn die Bundeskanzlerin von „Mitbürgern“ spreche, halte sie sowohl Frauen wie Transvestiten nicht für Deutsche, ist genau so unwahrscheinlich.
Der Stern soll aber eingefügt werden, um die Sprache für alle Fälle von Empfindlichkeit, tatsächliche und bloß vorstellbare, einzurichten. Dass dann die „Mitbürger“ trotzdem nach wie vor vorne stünden und die „-innen“ nur ein Anhang sind, oder dass die einen mehrere Buchstaben hätten und die anderen nur ein Bildzeichen, mag andeuten, wie viel Ungleichheit auch dann noch in der Sprache steckt. Das Biest will sich einfach nicht fügen.
Wie beispielsweise soll man den Stern denn aussprechen? Die Auskunft der Chefredakteurin des Dudens, es gebe auch andere Zeichen, die „nicht eins zu eins vorgelesen werden können“ (F.A.Z. vom 17. November), hilft hier nicht weiter. Denn „usw.“, „etc.“ und „z.B.“ haben ja bislang keine Gerechtigkeits- und Empfindlichkeitsfragen aufgeworfen. Wer sie beim Sprechen z.B. in „und so weiter“ etc. auflöst, nimmt nur die Abkürzung wieder zurück. Was aber kürzt der Gender-Stern ab? Gar nichts, er steht für unabgeschlossene Diversität. Viel Vergnügen bei der Diskussion darüber, wie man sie „auflöst“, möchte man seinen Freunden zurufen.
Immerhin haben wir aber schon seit dem Sommer einen Vorschlag, wie der Stern ausgesprochen werden könnte, wenn man ihn denn würde aussprechen wollen. Gemacht hat ihn ein Linguist aus Berlin, der sogar behauptet, es habe sich diese Aussprache längst etabliert, ohne allerdings anzugeben, wo; vielleicht in seinem Seminar. „Das Sternchen“, schreibt der Anglist Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin in seinem Blog, werde „durch einen stimmlosen glottalen Verschlusslaut wiedergegeben“. Klingt schwierig, wird von Stefanowitsch auch abwegig erläutert, meint aber nur die kleine Pause, die wir beim Sprechen von Worten wie „Spiegelei“ oder „erinnern“ machen, wenn wir vor „-ei“ und „-innern“ kurz neu ansetzen.
So könne man auch den Stern aussprechen, als Pause. Sie machte dann aus der Nachsilbe lautlich ein eigenes Wort. Also: „Ärzt in“ (analog zu „all in“ beim Poker) oder „Ärzt innen“ (so wie „von innen“). Ob es allerdings jemals zum Ruf „Ist eine Ärzt in im Zug?“ oder dem Satz „Liebe Mitbürger innen“ kommen wird, ohne dass jemand fragt, ob die Mitbürger außen nicht mitgemeint sind, dürfen wir der weniger moralischen als sprachlichen Empfindlichkeit überlassen.





Ich pfeife immer, um das Gendersternchen beim Vorlesen deutlich zu machen.