Erst weigerte sich das Bundespräsidialamt, die Liste der Gäste
herauszugeben, die an dem Bankett für Präsident Erdogan im Schloss
Bellevue teilgenommen hatten. Das Defilee beim Staatsbankett am 29.
September 2018 sei „zwar öffentlich“ gewesen, dennoch würden „Namen von
Personen und Organisationen, die zu einem Staatsbankett eingeladen
wurden und/oder teilgenommen haben, grundsätzlich nicht herausgeben“.
Das fand ich ungehörig, denn es handelte sich nicht um eine private
Party des Präsidenten aus Anlass seines Geburts- oder Hochzeitstages,
sondern um ein Staatsbankett für einen Staatsgast,
also ein steuerfinanziertes Event. Und wenn ich etwas mitfinanziere,
habe ich das Recht zu erfahren, wer sich da auf meine Rechnung am "Eintopf von Nordseefischen mit Salzkraut und Kaiserhummer " und anderen Köstlichkeiten labte.
Nachdem mehrere Nachfragen ergebnislos blieben, bat ich Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel,
das Bundespräsidialamt über die Rechtslage aufzuklären. An sich ein
unmögliches Ding, dass ich einen Anwalt bemühen muss, um mein Recht
durchzusetzen, aber in einem Land, in dem die Staatsmacht die Grenzen
nicht kontrollieren kann, kann sie auch nicht mit dem Informationsfreiheitsgesetz unterm Arm herumlaufen. Soll sein.
Fast auf den Tag genau zwei Monate nach der großen Erdogan-Sause, am
26. November, bekam Steinhöfel die Mitteilung, dass man ihm „die Liste
der Namen der Personen, die an dem Staatsbankett teilgenommen haben“,
übermitteln werde. Er sollte sich nur noch einen weiteren Tag gedulden.
„Der Grund ist, dass wir die Namensliste wiederbeschaffen müssen. Hier
hat es leider eine Verzögerung gegeben.“ Die Namensliste war
zwischenzeitlich offenbar entsorgt worden. Und jetzt ist sie wieder da!
Hurra! Hurra! Hurra! Tusch und Vorhang auf, hier ist sie!
Ein Blick auf die Liste verrät, warum sich das Präsidialamt mit der
Herausgabe so schwer getan hat. Statt der angekündigten 300 Gäste war es
nur etwa die Hälfte, die beiden Präsidenten und deren Frauen
mitgerechnet. Dazu eine Handvoll echte Promis wie Rita Süssmuth und ihr
Mann, sowie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime,
Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbandes der Tourismuswirtschaft
und Frau Gabriele. Die üblichen Verdächtigen, die in Berlin zu jeder
Vernissage auflaufen, glänzten durch Abwesenheit. Nicht einmal der
Regierende Bürgermeister Müller war erschienen. Immerhin ein Zeichen,
dass es doch noch eine „Zivilgesellschaft“ in Berlin gibt, die lieber
zum Türken geht, als dem Präsidenten der Türkei zuzujubeln.
Die Mehrzahl der Gäste gehörte der Entourage von Erdogan an oder
rekrutierte sich aus dem Umfeld des Bundespräsidenten. So war es mehr
ein deutsch-türkisches Familienfest als ein Staatsbankett, woran auch Andrea Verpoorten, Leiterin Leitungsstab/Politik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., trotz einer faszinierenden Vita nichts zu ändern vermochte.
Dafür wissen wir, wer an dem „Staatsbankett“ teilgenommen hat. Jetzt
muss das Präsidialamt nur noch die Kosten für die anwaltliche
Zurechtweisung übernehmen, und dann sind Frank-Walter Steinmeier und ich
wieder ziemlich beste Freunde. HMB
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