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Donnerstag, 6. Juni 2024

Döpfner hat völlig recht

 Nur hätte er dieses Buch eigentlich vor 20 Jahren schreiben müssen. Aber damals arbeitete er ja daran (ich vermute im Einklang, wenn nicht sogar im Auftrag von Friede Springer), mit der Linken Frieden zu schließen. Wobei er übersah, dass 1. nur eine winzige Minderheit, nur einzelne Persönlichkeiten wie der ehemalige Wagenbach-Lektor Thomas Schmid* (immer noch links, ungefähr so wie Boris Palmer), den er sogar zum Chefredakteur der WELT machte oder der brillante, griechisch-katholische Karl-Peter Schwarz,* der einst Maoist war (heute ultrakonservativ und unerschütterlich transatlantisch) dies zu schätzen wissen würden und 2. dass die Mehrheit der linken Intellektuellen Döpfners Dialogssehnsucht selbstgefällig, herablassend, sadistisch und debil, aber leider nicht ohne Grund, als Triumph feiern würden und 3. dass die linke Mehrheit nach Jahrzehnten der Dressur seitens des Feuilletons, des Drittem Programm und des sich beim Zeitgeist anbiedernden, ergebenen Rests der Medien es nicht einmal merken würde, dass die Springerpresse die Linken nicht mehr verleumdet, sondern ihr teilweise hinterherrennt. Mit diesem Buch hat er jedenfalls recht. Leider hat Roger Köppel aber auch recht.

 Es gibt diesen jüdischen Witz, wo zwei Juden, die sich nicht einigen können, zum Rabbiner gehen um ihm ihren Zwist vorzutragen. Erst legt der eine seine Sicht dar, und der Rabbiner sagt: "Damit hast du recht". Dann legt der andere seine Ansicht dar, und der Rabbiner sagt bedächtig: "Du hast auch recht". Da ruft die Frau des Rabbiners aus der Küche: "Du kannst doch nicht beiden recht geben!!" Und er ruft zurück: "Du hast auch recht!!!".

*Schmid und Schwarz sind übrigens im deutschsprachigen Raum die besten mir bekannten Italienkenner. Beide sind Berlusconi betreffend jedoch nicht ganz ehrlich. Schmid berichtete immer sehr wahrheitsgetreu über die Unzulänglichkeiten der italienischen Linken (der er sich verbunden fühlt), über Berlusconis Meriten ging er stillschweigend hinweg: Paradebeispiel der Lückenpresse ante litteram.

Homo sum, humani nihil a me alienum puto: Deshalb fühle ich mich Milo Rau ganz besonders verbunden. Goethe soll ja angeblich gesagt haben, es gebe kein Verbrechen, dessen er nicht fähig sei! Mir ist aber kein Beleg dafür bekannt. Egon Friedell stellt diese Behauptung in seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit" auf, ohne zu sagen, wo er das niedergeschrieben haben soll. Bei Eckermann fand ich davon jedenfalls nichts. Thomas Mann griff diese Behauptung im "Doktor Faustus" auf. Ich würde sagen, so entstehen Gerüchte! Im Internet stand irgendwo, es handele sich um eine verkehrte Rückübersetzung eines falsch ins Amerikanische übersetzten Zitats, dass Emerson zitiert hatte. Ein abenteuerliches Wirrwarr. Jedenfalls gefallen mir Milo Raus Annäherungsbemühungen. Das ist Raumzeitpatroullie in ihrer besten Form.

 


Gefährlich ist's den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn,
doch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn. (Es ist übrigens interessant, dass man sich schon zu Lebzeiten Schillers über "Die Glocke" lustig machte. Das hätte ich nicht gedacht! Und erst dank Internet erfuhr ich davon, während meiner Schulzeit wurde auch dies, wie so vieles andere, mit keinem Wort erwähnt. Dabei war es ja nicht irgendwer, der hier spottete!! Sondern Friedrich Schlegel)

Ein lügender Verteidigungsminister hatte gerade noch gefehlt.

 Sie liefen vor den Taliban nach 20 Jahren vergeblichen Krieges davon, und jetzt glauben sie, sie können es mit Russland aufnehmen. Denen ist nicht mehr zu helfen.

Michael Kunze schrieb ein schönes Buch mit dem Titel "Der Freiheit eine Gasse". Es ist wirklich nur eine Gasse, um nicht zu sagen eine Gosse, ein Highway ist es jedenfalls nicht.

Vorm Feinde stand in Reih' und Glied
Das Volk um seine Fahnen,
Da rief Herr Struthahn Winkelried:
»Ich will den Weg euch bahnen!
Dir, Gott, befehl' ich Weib und Kind,
Die ich auf Erden lasse -«
Und also sprengt' er pfeilgeschwind
Der Freiheit eine Gasse.
 

Das war ein Ritter noch mit Fug,
10 
Der wie ein heiß Gewitter
11 
Die Knechte vor sich niederschlug
12 
O wär' ich solch ein Ritter,
13 
Auf stolzem Roß von schnellem Huf,
14 
In schimmerndem Kürasse,
15 
Zu sterben mit dem Donnerruf:
16 
Der Freiheit eine Gasse!
 

17 
Doch zittert nicht! Ich bin allein,
18 
Allein mit meinem Grimme;
19 
Wie könnt' ich euch gefährlich sein
20 
Mit meiner schwachen Stimme?
21 
Dem Herrscher bildet sein Spalier,
22 
Wie sonst, des Volkes Masse,
23 
Und niemand, niemand ruft mit mir:
24 
Der Freiheit eine Gasse!

 

25 
Ihr Deutschen ebnet Berg und Tal
26 
Für eure Feuerwagen,
27 
Man sieht auf Straßen ohne Zahl
28 
Euch durch die Länder jagen;
29 
Auch dieser Dampf ist Opferdampf
30 
Glaubt nicht, daß ich ihn hasse
31 
Doch bahnet erst in Streit und Kampf
32 
Der Freiheit eine Gasse!
 

33 
Wenn alle Welt den Mut verlor,
34 
Die Fehde zu beginnen,
35 
Tritt du, mein Volk, den Völkern vor,
36 
Laß du dein Herzblut rinnen!
37 
Gib uns den Mann, der das Panier
38 
Der neuen Zeit erfasse,
39 
Und durch Europa brechen wir
40 
Der Freiheit eine Gasse!    Georg Herwegh
 
 
 




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