Es liegt in der Logik des Globalismus, dass die nationalen Verfassungen
ihm im Wege stehen und folglich durchlöchert, in ihrer Geltung
beschränkt und zuletzt abgeräumt werden müssen. Das lässt sich
hierzulande idealtypisch an den Anti-AfD-Papieren des
Verfassungsschutzes seit der Berufung des Genossen Haldenwang an dessen
Spitze studieren, wo jeweils der Menschenwürde-Passus von Artikel 1
universalistisch interpretiert und gegen andere Artikel des
Grundgesetzes ausgespielt wird, in denen partikularistisch fixiert ist,
dass es sich um das Grundgesetz des deutschen Dingens handelt (Art. 20,
56, 116, 146). Der Verfassungsschutz unter Merkel behandelt also das
Grundgesetz als tendenziell verfassungsfeindlichen Text, wobei wir den
ganzen Kuddelmuddel mal beiseite lassen, dass unser GG gar keine
Verfassung ist und ihm von Anbeginn einige satanische Verse
eingeschrieben wurden.
Der Tag wird kommen, an welchem das Grundgesetz als verfassungsfeindlich gilt.
Und siehe, der Tag ist nah!
In Dortmund soll die Polizei eine Grundgesetzverteilung durch Beschlagnahme verhindert haben, wird hier gemeldet.
Nordeuropa
Angelika Barbe
Kürzlich wurde in Mecklenburg-Vorpommern Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin gewählt
– trotz ihrer Migliedschaft in der vom Verfassungsschutz beobachteten
„Antikapitalistischen Linken“ hatte offenbar auch die CDU keinerlei
Einwände. Erste aufkommende Kritik wischte Borchardt wie folgt beiseite:
Sie sei nicht notwendig verfassungsfeindlich eingestellt, weil das
Grundgesetz eine kapitalistische Produktionsweise nicht notwendig
vorschreibe, sondern den mit demokratischen Mitteln bewirkten Übergang
zum Sozialismus erlauben würde, argumentierte die 64jährige.
Das ist durchaus richtig und spielt auf die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Mitbestimmung (1978) an. Allerdings
erleben wesentliche Grundsatzurteile derzeit offenbar eine sehr
unterschiedliche Konjunktur. In anderen Grundsatzentscheidungen – zum
Beispiel Teso (1987) oder Grundlagenvertrag (1973) – stellte das
Bundesverfassungsgericht fest, das Grundgesetz selber gehe von der
vorgegebenen Existenz eines deutschen Volkes im Sinne einer
Abstammungsgemeinschaft aus.
Diese gehe der Verfassung als verfassungsgebende Gewalt sogar vor,
weil sie Träger des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts sei und
daher selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht zur Disposition
stehe, sondern von diesem zu erhalten, zu bewahren und zu schützen sei.
Bog Harbarth sich die Wahrheit zurecht?
Bekenntnisse in diese Richtung werden neuerdings vom
Verfassungsschutz als Indiz für „Verfassungsfeindlichkeit“ bewertet,
weil sie angeblich die Menschenwürde aller Nichtdeutschen in Frage
stellen. Dies zu tun, würde dem neuen
Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Stephan Harbarth natürlich nie
einfallen, tat er sich doch im Bundestag als besonders engagierter
Verteidiger des „Global Compact for Migration“ hervor.
Wer als ausgebildeter Völkerrechtler seine Ausführungen im Bundestag
hörte, staunte: War dieser Unternehmeranwalt wirklich völkerrechtlich
dermaßen unkundig, daß er seine eigenen Worte glaubte, oder bog er sich,
auch noch im Ton einer Vorlesung, die Wahrheit bewußt zurecht?
Wohl eher letzteres, folgte man der FAZ (16. Mai): „Für
seine Wahl brauchte der Vater dreier Kinder auch die Grünen. Hier
spielte seine Haltung zum UN-Migrationspakt eine Rolle, den Harbarth
trotz Kritik von eher konservativer Seite befürwortete.“
Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sieht eigentlich aus guten
Gründen vor, daß Richter wie Präsidenten des Gerichts „ohne Aussprache“
gewählt werden; ein Schaulaufen mit liebedienerischen Bewerbungsreden
der Kandidaten würde den Nimbus des Amtes sofort zerstören. Dieser
Prozeß scheint jetzt angelaufen zu sein.
„Demokratie ohne demos“
Harbarth wird als Präsident allerdings weiter dem Ersten Senat
angehören, der vorwiegend mit Grundrechtsfragen zu tun hat. Die
Richterstelle des bisherigen Präsidenten Andreas Voßkuhle im
staatsorganisationsrechtlichen Zweiten Senat wird Astrid Wallrabenstein,
Professorin für Sozialrecht an der Goethe-Universität, übernehmen. Auch
an dieser, von den Grünen vorgeschlagenen Personalie, regt sich Kritik.
Frau Wallrabenstein ist Schülerin des ersten „grünen“
Verfassungsrichters Brun-Otto Bryde. Sie bemühte sich bereits in ihrer
Dissertationsschrift, dessen ständige Kritik an dem Umstand, daß das
Grundgesetz das Wahlrecht auf Deutsche beschränkt, zu vertiefen. Ziel
ist stets eine „Demokratie ohne demos“. Das Prinzip der
Abstammungsgemeinschaft soll aufgegeben, das Wahlrecht möglichst auf
alle in Deutschland lebenden Menschen ausgeweitet werden. Schon in sich
waren diese Konzepte niemals auch nur logisch.
So könnte das Wahlrecht, wenn es wirklich auf die Menschenwürde
zurückgeführt würde statt auf die Volkszugehörigkeit, niemals auf alle
legal in Deutschland lebenden Menschen beschränkt werden, denn der
Menschenwürde sind auch Illegale, abgelehnte Asylbewerber und
Terroristen jederzeit teilhaftig.
Forderung nach Wahlrecht für Ausländer
Schon Brun-Otto Bryde fand stets alles „demokratisch“, was von der EU
kam, obwohl es dort keine demokratischen Legitimationsketten gibt;
alles, was auf nationaler Ebene beschlossen wurde, fand er
„undemokratisch“, weil die in Deutschland lebenden Ausländer nicht
mitwirken konnten. Daß aber auch auf EU-Ebene immer nur die Bürger der
EU-Mitgliedsstaaten mitwirken dürfen, nicht aber etwa Türken, störte ihn
nicht.
Aber: Würde man zur Förderung der Neutralität des
Bundesverfassungsgerichts beispielsweise festlegen, daß ein Drittel der
Richter (statt von Bundestag und Bundesrat) unmittelbar aus der Mitte
der Staatsrechtslehrervereinigung gewählt wird, so hätte zwar Harbarth
in diesem Kontingent keine Chance – weil ihn dort niemand kennt.
Astrid Wallrabenstein hingegen wäre auch bei Wahl nur durch
habilitierte Staatsrechtslehrer eine hohe Favoritin gewesen. Denn nichts
ist dort derzeit beliebter und ein stärkerer Karriere-Booster als die
Forderung nach der Ausweitung des Wahlrechts auch auf Ausländer.
Dies zeigte schon vor Jahren der Verlauf der Kieler
Staatsrechtslehrertagung 2012, auf der der Münchner Völkerrechtler
Christian Walter für die entsprechende Forderung stürmisch gefeiert
wurde. Astrid Wallrabenstein gehörte damals zu denen, die – gewiß nicht
ganz ohne vorherige Absprache – den Applaus orchestrierten; Kritik
daran, auch im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker als
eigentliche idée directrice des internationalen Rechts, wie etwa von
Christian Hillgruber formuliert, kam nicht gut an.
So bestätigt sich auch im Hinblick auf die einst als konservativ
geltende Staatsrechtslehrervereinigung der Satz: wo man heute auch
hingeht, man ist immer bei den Grünen.
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Dr. habil. Ulrich Vosgerau lehrte Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Rechtsphilosophie an mehreren Universitäten.
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