Stationen

Freitag, 22. Mai 2020

Ein für alle mal

Erstens: Männer machen Frauen an und werden es in alle Ewigkeit tun, Frauen wollen von Männern angemacht werden und werden es in alle Ewigkeit wollen. Der Sexualtrieb ist eine Urgewalt, die sich schwer kontrollieren und nie zähmen lassen wird; immerhin hängt die nächste Generation an ihm. Die Paarung ist eine heikle Sache, es wird immer unerwünschte Annäherungen geben, die sexuelle Belästigung höret nimmer auf. Und hin und wieder funktioniert’s ja.
Zweitens: Mit der Anmache verhält es sich wie mit einem Kunsthandwerk: Der Weg zur Meisterschaft ist mit peinlichen Fehlschlägen gepflastert, es dauert, bis man es beherrscht, und viele lernen es nie. Im Unterschied zum Kunsthandwerk kann der Mann aber kein anderes, ihm genehmeres wählen. Er muss anmachen.
Drittens: Unerwünschte, ungeschickte, unangenehme, übergriffige, deplatzierte, lästige, groteske, abstoßende, widerwärtige Anmachversuche kommen wahrscheinlich häufiger vor als passende, erwünschte und zu beider Zufriedenheit endende. Der um eine Frau werbende Mann gleicht in der Regel einem Gorilla, der versucht, Cello zu spielen.
Viertens: Es gibt unter den Männern seit der sogenannten sexuellen Befreiung und der ihr folgenden "Ausweitung der Kampfzone" (Michel Houellebecq) eine große Zahl von Verlieren, armen Würstchen, die zunächst sich selbst und dann die für sie unerreichbaren Frauen verachten und sich heute speziell in der Anonymität der elektronischen Medien erleichtern. Und es gibt peinliche, unheilbare Machotypen, denen zum echten Macho die virile Attraktivität fehlt, was sie aggressiv gegen Frauen macht. Meistens kann eine Frau solchen Figuren aus dem Wege gehen.
Fünftens: Ich habe noch nie eine Maid erlebt, die sich nicht gegen unerwünschte Offerten zur Wehr zu setzen wusste, notfalls mit einer entschiedenen Ansprache vor Zeugen oder einer effektvoll verabreichten Ohrfeige. Der Blamierte ist immer der Kerl, zumindest in unserem Weltteil.
Sechstens: Tatsächlich ernst wird Belästigung erst, wenn die körperliche Grenze nachdrücklich überschritten wird. Das meint nicht den fehlgeschlagenen Kussversuch oder den Griff nach der Hand. Hier betreten wir denn auch die Sphäre des Strafrechts.
Siebtens: Was sexuelle Belästigung ist und was nicht, lässt sich nicht generalisieren. Mal ist sie erwünscht, mal nicht; was der einen behagt, pikiert die andere, und selbst bei ein- und derselben Version ist es ein Riesenunterschied, wer sich an ihr versucht. Der Empfang eines Schwanzfotos ist unangenehm und verstörend, allerdings nicht immer. Wenn beispielsweise Brad Pitt der Absender ist, könnte das für die Empfängerin der Beginn einer wundervollen Woche sein. Anfang 1945 hätten Millionen deutsche Frauen die Präsentation bloßer Penisfotos als eine unglaubliche Petitesse und existentielle Erleichterung empfunden. Umgekehrt hätten gewiss viele Männer nichts gegen die Zusendung weiblicher Genitalschnappschüsse. Die Geschlechter sind halt sozial unterschiedlich konstruiert.
Achtens: Das Filmlein nennt sich "Männerwelten", läuft also auf eine Kollektivanklage das starken, intelligenten und geilen Geschlechts hinaus, wobei die richtigen Kerle, die Heißblütigen, Bärtigen, Kohleäugigen mit ihren Eigentumsfrauen (die sie im Gegenzug immerhin bis aufs Blut beschützen würden), aus den bekannten Gründen nicht vorkommen. Wäre eine Ausstellung "Frauenwelten" denkbar, die sich mit sexueller Ausbeutung von Männern – gugeln Sie mal unter "Make him drool" –, weiblicher Verleumdung von Männern, weiblicher Erpressung von Männern, mit vorgetäuschten Vergewaltigungen, falschen Belästigungsklagen oder Kindesentzug beschäftigt?
Neuntens: Das Äquivalent zur sexuellen Übergriffigkeit als männliche Dominanzgeste gegenüber Frauen ist unter Männern die Handgreiflichkeit. Männer haben zu allen Zeiten andere Männer gequält, erniedrigt, ihnen Schmerzen zugefügt, Rangordnungen mit Gewalt ausgekämpft. Kann auf der Verliererseite auch sehr unangenehm sein. Interessiert aber keine Sau.
Zehntens: Wer sich in der Öffentlichkeit exponiert, zieht nicht nur die Begeisterung von Fans auf sich, sondern auch Neid, Wut, Hass und Missgunst, Stalking und den ganzen bunten psychotisch-soziopathischen online-Abschaum sowieso. Beleidigungen gehören für exponierte Personen zum Alltag (sogar ich weiß, wovon die Rede ist), und wenn eine Frau von einem Mann verbal angegangen wird, ist das oft sexuell konnotiert. Daraus ergibt sich aber keine besondere Qualität der Beleidigung.

Alles, was uns Joko, Klaas und Fräulein Passmann servieren, ist ordinär, unappetitlich, dumm, eklig, bisweilen strafbar, aber man muss schon sehr schwache Nerven haben, ein Erbsenprinzesschen sein und nie in seinem Leben Wirklichkeitsberührung aufgenommen haben, um es als besonders hart und bitter zu empfinden. Bei der Kölner Silvesterkirmes anno 2016 ist in jeder einzelnen Minute mehr passiert als in den 15 Minuten des "Männerwelten"-Videos. If you can’t stand the heat, get out of the kitchen. Aber die meisten Frauen sind wohl, mit einer schönen Formulierung von Hadmut Danisch, nicht außendiensttauglich. (Wenn Sie mich fragen: Sollen sie auch gar nicht sein.)



Deliberalisierung des Paarungsverhaltens in zwei Briefen

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