Stationen

Dienstag, 19. Mai 2020

Die deutschen Medien als Sekte

Die Abräumer übersehen, "dass Heterogenität ein soziales Zerfallsprodukt ist, das auch ganz ohne ihr Zutun im Übermaß entsteht. Sozialer Sinn und Zusammenhalt hingegen sind knappe Ressourcen." Also schreibt der Literaturwissenschaftler Michael Esders in seiner Betrachtung "Sprachregime. Die Macht der politischen Wahrheitssysteme", die das Terrain aus diskursiven Laufgräben, semantischen Stacheldrahtverhauen und begrifflichen Minenfeldern wie eine Leuchtkugel erhellt. Das Buch ist als nunmehr zehnter Band der Tumult-Werkreihe erschienen, die zum Besten gehört, was zeitgenössische gesellschaftsanalytische Publizistik zu bieten hat.
"Mit der Entfesselung der Differenz", konstatiert Esders, "lässt sich kein Staat machen. Diversity ist keine Quelle gesellschaftlichen Zusammenhalts." Gleichwohl wird uns täglich das Gegenteil suggeriert. Aus welchen Gründen?
Nach der Agenda der Diversifizierer handelt es sich um einen Akt der konstruktiven Zerstörung: Altes und Überkommenes wird geschleift, damit das Neue an seine Stelle treten kann. Dieses Neue benötige auch neue, transnationale, tendenziell weltstaatliche Strukturen, wie sie in der EU und der UN, aber auch in metapolitischen globalistischen Organisationen wie der "Open Society", "Greenpeace" oder der "Melinda & Bill Gates-Stiftung" längst entstanden sind. Der bislang gewissermaßen nach innen gekehrte, in seine jeweiligen Gemeinschaften eingebundene Igelmensch soll, zumindest sofern er weiß und westlich ist, sein nationales, kulturelles, ethnisches, ja sogar familiäres und geschlechtliches Stachelkleid abwerfen, auf diese ganze verstockte Identität verzichten und nach außen überallhin offen – eben "divers" – werden. Da aber die meisten Menschen störrisch und verwurzelt sind, muss der Metamorphose auf die Sprünge geholfen werden.
"Destabilisierung und Subversion der Identität" seien "zum obersten politischen und gesellschaftlichen Gebot" erhoben worden, notiert Esders. "Was über Jahrhunderte Loyalität verdient und begründete, gilt nichts mehr und muss überwunden werden." Im Namen der Diversivität – und das ist immer die Maske des Globalismus – "soll nicht nur die toxische Homogenität der Nationen unterminiert werden; getilgt werden soll auch ihr Bewusstsein der Verschiedenheit und Unverwechselbarkeit. Wenn dies gelingt, kann sich ein Wir nicht einmal mehr in einer gemeinsamen Verlusterfahrung herausbilden." Dann wäre vollzogen, was Esders "Ent-eignung" nennt.
Eigentlich ist das Wahnsinn, eigentlich wollen das nur die Wenigsten – aber genau dieser Prozess läuft weitgehend störungsfrei vor unser aller Augen ab. Wie ist das möglich? Wie konnte es gelingen, fragt der Autor, "eine Agenda durchzusetzen, die den Interessen der Mehrheit eklatant widerspricht und deren zerstörerische Folgen keinem unverstellten Blick entgehen können? Wie war und ist es möglich, in der Migrations-, Klima- und Identitätspolitik die Evidenz des Augenscheinlichen und Offensichtlichen dauerhaft außer Kraft zu setzen?"
Die Antwort lautet: durch Manipulation. Durch semantische Dressur. Durch eine Gehirnwäsche (den Begriff selber verwendet Esders nicht), die sich von der realsozialistischen insofern deutlich unterscheidet, als sie auf dem Terrain einer noch halbwegs funktionierenden Rumpfmarktwirtschaft stattfindet und ihre Folgen wie ungedeckte Schecks in die Zukunft vertagt sind. Durch ein Sprachregime, das mächtig genug ist, um den Menschen ihre Alltagserfahrungen als untypisch und unrepräsentativ auszureden ("Das Ziel semantischer Politik ist die Modellierung der Wahrnehmung"). Durch "Kanalisierung des Denkens", Kriminalisierung von Wortfeldern und Zersetzung logischer Grundsätze im orwellschen "Doublethink".
Halten wir hier kurz inne. Als ein Beispiel für das Prinzip des Doppeldenk nennt der Autor, der 1999 mit einer literaturtheoretischen Arbeit über "Philosophie als kurze Prosa von Friedrich Schlegel bis Adorno" promoviert wurde, dass Regierungspolitiker gleichzeitig eine "spürbare Begrenzung" der Zuwanderung fordern und sich doch gegen eine "Obergrenze" aussprechen können, ohne dass sie ein Medienschaffender auf diesen Widersinn hinweist. Ähnliches gelte für die Larve der "verpflichtenden Unverbindlichkeit", hinter welcher der "Global Compact for Migration" an der Öffentlichkeit vorbeigeschmuggelt wurde.
Man kann hier beliebig fortfahren: Geschlecht ist konstruiert, aber Frauen müssen mit Quoten gefördert werden; Grenzen lassen sich nicht schließen, ja nicht einmal kontrollieren, es sei denn, man schließt und kontrolliert sie doch wegen eines Virus; wenn Trump zwecks Pandemie-Bekämpfung Einreisebeschränkungen erlässt, grenzt er Menschen aus, wenn Merkel dasselbe veranlasst, handelt sie staatsklug und bedacht; außergewöhnlich hohe Temperaturen an einem Ort bezeugen den Klimanotstand, außergewöhnlich niedrige an einem anderen Ort sind Wetter; es gibt keine deutsche Identität, aber jede ausländische Minderheit in Deutschland hat eine; das Patriarchat ist die Ursache allen Übels, aber Refugees aus patriarchalischen Gesellschaften sind welcome; Straftaten von Migranten oder Anschläge radikaler Moslems sind Einzelfälle, für die außer dem Täter niemand verantwortlich ist und die sich niemals addieren, jede Gewalttat von rechts hat Vordenker, Hintermänner und Strukturen bis ins Parlament hinein; wenn Politiker der "Altparteien" (Claudia Roth) Politiker der AfD als "Brut", "Abschaum", "Nazis" oder "Schande" beschimpfen, ist es eine "hitzige Debatte", im umgekehrten Fall indes werden "Hass" und "Hetze" daraus; wenn Linksextremisten AfD-Politiker attackieren, nutzt die Partei es, um "sich als Opfer zu stilisieren", überfallen dieselben Linken ein Team der heute-show, ist es "ein Angriff auf die Pressefreiheit".
Zum Doublethink gehört natürlich die Doppelzüngigkeit bei der Behandlung des Islam:











Esders spricht von einem "gezielten Anschlag auf die politische Urteilsfähigkeit", mit dessen Verstetigung die "Ingenieure der Mehrheitsmeinung" das Ziel verfolgen, sich ein Publikum zurechtzukneten – "Knechte erknet ich mir nur!" (Wotan, Walküre, 2. Aufzug 2. Szene) –, welches "selbst ein Höchstmaß an kognitiver Dissonanz" nicht mehr als störend empfindet: "Die Lüge konsoniert, sie fühlt sich gut an."

Eine solche Dressurleistung gelingt nicht über Nacht. Erst "eine jahrzehntelange begriffliche Vorarbeit" habe das heutige Sprachregime und die mit ihm verbundenen Forderungen an die Noch-Mehrheitsgesellschaft ermöglicht. Die Linke habe die Waren- durch die Diskursanalyse ersetzt "und sicherte sich damit eine Domäne, die ihr für Jahrzehnte niemand streitig machen sollte". Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und einer darauf folgenden kurzen Phase der Irritation und Zerknirschung "erfand sie sich unter der Signatur von Schrift und Differenz, unter der Ägide der Diskursanalyse und Machtkritik neu". Die geistigen Wegbereiter dieses von innen kommenden Angriffs auf das westliche Immunsystem waren Denker wie Derrida, Foucault, Lyotard, Deleuze, die französischen Ableger der Frankfurter Schule und natürlich allesamt Enkel von Marx, Bastarde von Freud und linke Adepten (= Verfälscher) Nietzsches. Auf welches Niveau ihr Denken dereinst versimpelt und erniedrigt würde, ahnten zumindest die beiden Erstgenannten nicht; ob es eine gerechte Strafe ist, stehe dahin.
Die gescheiterten Revolutionäre verwandelten sich in "Partisanen der Vielfalt und der Differenz". Mit der Identitätspolitik fanden sie schließlich "ein Betätigungsfeld, in dem eine 'sprachpolitische Veränderung der Verhältnisse' tatsächlich aussichtsreich ist". Ihre poststrukturalistische Terminologie wurde "zur lingua franca einer Machtkritik, vor der sich kein Mächtiger fürchten musste", was die auf den ersten Blick bizarre "Komplizenschaft zwischen der ökonomischen und sprachlichen Deregulierung" erklärt. Eine der unwahrscheinlichsten Allianzen der Weltgeschichte entstand, vergleichbar allenfalls jener zwischen Christentum und Imperium Romanum: Die Linke, sofern sie internationalistisch denkt, verbündete sich mit ihrem ehemaligen kapitalistischen Todfeind, sofern er globalistisch agiert. Der gemeinsame Gegner – die Völker und Nationen, vertreten von den Populisten – schweißt sie zusammen. Die Linke hat begriffen, dass sie den Kapitalismus nicht besiegen, sondern bewirtschaften muss, um auf der Grundlage einer funktionierenden Wirtschaft den sogenannten Überbau zu beherrschen, statt sich in fruchtlosen eigenen Staatsgründungen zu versuchen.
In diesem Überbau regiert das Sprachregime, vom dem hier die Rede ist.



Die Idee, dass eine soziale Gruppe, die herrschen will, dies auch auf dem Umweg über die Erringung der "kulturellen Hegemonie" erledigen könne, geht bekanntlich auf Antonio Gramsci zurück. Dem Italiener stand dabei die Herrschaft der katholischen Kirche über das Denken und den Alltag seiner Landsleute vor Augen – eine Massenbeeinflussung, die seit Anbruch der Neuzeit zunehmend auch ohne direkte politische Macht funktionierte.
Was kulturelle Hegemonie heute bedeutet, lässt sich am besten studieren, wenn die – im allerweitesten Sinne – politische Rechte eine Wahl gewinnt, womit in einer Demokratie ja bedauerlicherweise gerechnet werden muss. Diese Regierung befindet sich vom ersten Tag an unter dem vor allem moralischen Druck einer Öffentlichkeit, in welcher das linke, kulturmarxistische, globalistische, mulitkulturelle Milieu dominiert. Für den Fall, dass der Wahlausgang die Falschen nach oben bringt, hat es längst das metapolitische Vorfeld besetzt und die nichtwählbaren Institutionen unter seine Kontrolle gebracht: Medien, Kulturbetrieb, NGOs, Universitäten, Stiftungen, Kirchen, Gewerkschaften. Wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel sind der Igel der Zivilgesellschaft und der Igel des Deep State längst schon da, wenn der rechte bzw. konservative Hase durch Wahlen die Herrschaft über den Staat gewinnt.
Diese Erfahrung musste auch Donald Trump machen – er brachte sie mit dem Neologismus "Deep State Departement" grandios auf den Punkt –, doch mit der ihm eigenen schillernden Mischung aus Dickfelligkeit, Egozentrismus, Konkurrenzausbootungsroutine, Humor und seinen finanziellen Möglichkeiten gelang es ihm, "die Kraft des Gegners wie in einer asiatischen Kampfkunst umzuleiten und gegen ihn selbst zu wenden". Dass er den politischen Kontrahenten mit dessen eigenen propagandistischen Waffen bekämpft, ist das eigentliche Geheimnis von Trumps Erfolg und erklärt nebenbei auch die maßlose Wut, die er auf sich zieht. Dass sein anfänglicher Berater Steve Bannon die "Dekonstruktion des administrativen Staates" als Maxime ausgibt und seine Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway den Begriff "alternative Fakten" erfindet, wirke "beinahe wie eine Parodie des postmodernen Antirealismus", notiert Esders. Wenn die Faktenverdreher und Tatsachenverschweiger der etablierten Medien Trump unterstellen, die Fake news seien quasi mit ihm in die Welt gekommen, ist das nur noch komisch.    MK

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