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Donnerstag, 2. August 2018

Martin Sellner bleibt wachsam, gefasst und unbeirrt

Die Identitäre Bewegung Österreich wurde freigesprochen. Erstinstanzlich zwar, aber der Urteilsspruch des Richters wiegt schwer.

Und seine Worte werden den Gegnern der IB lange im Magen liegen:
In meinen Augen ist die Identitäre Bewegung im Kernbereich legal. Wenn der Kernbereich legal ist, sind Begleitstraftaten nicht geeignet, eine kriminelle Vereinigung zu begründen.
Wie immer, wenn der Rechtsstaat dem hypermoralischen Eifer der Medien im Weg ist, gehen die Wogen hoch. „ Die extreme Rechte bekam einen richterlichen Freibrief in die Hand“, raunt der linksradikale Standard.  „Erneut hat sich gezeigt, daß man sich als Antifaschist*innen nicht auf den Staat verlassen kann“, hyperventiliert die linksextreme Antifa auf Twitter.  Und selbst VICE ließ sich zu folgender Aussage hinreißen: „Europe’s far-right just got a dangerous boost from an Austrian judge.“

Doch von einem „boost“ oder „Freibrief“ ist das, was mit der IBÖ im Juli 2018 geschehen ist, weit entfernt. Allerdings stimmt es, daß wir eine vergleichbare Medienaufmerksamkeit zuletzt während der Defend Europe-Mission hatten.
Florian Klenk, Chefschreiber des linksliberalen Wochenblatts „Falter“, behielt also teilweise recht, als er vor einigen Monaten prophezeite, daß die Anklage „der größte PR-Coup“ der IB werden könnte. Doch die mediale Präsenz war teuer "erkauft“, und noch ist das Urteil lange nicht rechtskräftig. Immer noch befinden sich die Gelder der IBÖ und von Phalanx Europa sowie die Rechner und Handys von Patrick Lenart und mir im Gewahrsam des Staates. Und noch immer ist die IBÖ durch das laufende Verfahren mehr oder weniger gelähmt, und täglich entstehen uns weitere Anwaltskosten.
Trotz des Etappensieges will bei mir also keine rechte Feierlaune aufkommen. Es bleibt, wie ein selten neutraler Artikel in der "Presse" bemerkte, ein „schaler Nachgeschmack“.

Das Urteil des Richters ist dahingehend bemerkenswert, daß er den Mafia- und Verhetzungsparagraphen in jeder Hinsicht restriktiv und vorsichtig auslegt und der IB einen legalen Kernbereich attestiert. Dazu gehört, daß er sogar mögliche kollaterale Straftaten als unzureichend zur Begründung einer kriminellen Vereinigung interpretierte, ebenso wie seine Weigerung, die Schadenssummen aller verklebten IB-Aufkleber eines Stadtgebiets zu einer einzigen Sachbeschädigung zusammenzurechnen.
Insbesondere verwies der Richter auf das Prinzip „in dubio pro reo“, demzufolge im Zweifel eine Aussage immer zugunsten des Angeklagten ausgelegt werden soll und die provokanten Parolen der IB somit juristisch nicht als Hetze zu betrachten sind. Doch all das könnte ein anderer Richter anders sehen. Die Beweiswürdigung ist frei, und bereits die nächste Instanz könnte das Urteil umstoßen. In Österreich gibt es kein „case law“, sondern lediglich eine „freie Autorität“ richterlicher Entscheidungen. Selbst wenn der Freispruch rechtskräftig wäre: In der nächsten Anklage kann ein andere Richter die Paragraphen wieder extensiv auslegen.

Anders gesagt: Wenn ich beispielsweise in der Türkei eine Spott-Aktion gegen Erdogan mache und dann wegen „Beleidigung des Türkentums“ angeklagt, aber freigesprochen werde, so wäre dies keinesfalls ein „Freibrief“ zu weiteren erdogankritischen Aktionen. Es wäre ein Schuß vor den Bug, der mich zum Schweigen bringen soll.
Die Tatsache, dass das Justizministerium die Anklage des Staatsanwalts unterstützte, der sogenannte „Weisungsrat“ sein sanctus gab, und auch jetzt, nach der richterlichen Absage, kein bisschen zurückgerudert ist, zeigt: das war sicherlich nicht die letzte Anklage dieser Art!
Christian Pilnacek, der ÖVP-nahe Sprecher des Ministeriums, sah die Anklage nach eigener Aussage klar als eine rechtspolitische Maßnahme, um die Grenze der legalen Meinungsäußerungen,  eine "rote Linie,  neu und enger zu ziehen. Er bleibt auch nach dem Freispruch dabei, daß die Anklage richtig war." Vielleicht bereitet man schon die nächste vor.

Wenn bereits das Anbringen eines Banners wie „Islamisierung tötet“ vor Gericht enden kann, wird bald jede islamkritische Aussage zumindest unter dem Verdacht der Hetze stehen. Und dieser Verdacht allein kann zur Existenzvernichtung führen.

Die IBÖ wurde kriminalisiert, enteignet, handlungsunfähig gemacht und 17 führende Mitglieder unter schweren materiellen und psychischen Druck gesetzt. Einige haben ihre Arbeit verloren, Familien und Beziehungen wurden schweren Belastungen ausgesetzt, und für einige war dieser Monat die härteste Zeit ihres Lebens.
Auch für mich selbst war der Prozess kein Spaziergang, was nicht zuletzt an der regelrecht fanatischen Prozeßführung des Staatsanwalts lag. In jedem seiner Worte war klar: Der Mann haßt die IB, und ihre Zerschlagung war ihm ein persönliches Anliegen. Wahre Beschimpfungsorgien wurden entfesselt. Wir wären "faul", "dumm", "gierig", "bourgeois", "pseudopatriotisch" und könnten "nur hetzten". Jeden zweiten Tag wurden überraschend neue Beweisanträge vorgebracht, wobei als Gipfelpunkt uralte private handschriftliche Notizen von mir mühsam rekonstruiert und genüßlich verlesen wurden.

Am vorletzten Verhandlungstag machte der Staatsanwalt sogar Blogeinträge bei der Sezession zum Thema und wollte aus ihnen einen „Hang zur Gewalttätigkeit“ und zum Faschismus herauslesen.
Die versammelte linke Presse sowie ihre antifaschistischen Nachwuchskräfte im Gerichtssaal saugten jeden seiner Sätze begierig auf, um ihn am nächsten Tag in verzerrenden, bösartigen Artikeln zu verwursten.
Es würde viele Seiten in Anspruch nehmen, jede einzelne kafkaeske Eskapade aufzuzählen. Vom geheimdienstlichen Leiter der Ermittlungen, der keine Rechtsextremismus-Definition zustande brachte, über die 2-jährige „Pickerljagd“, zu welcher die Staatsanwaltschaft die Bundespolizei zwang, um IB-Aufkleber (und nur diese) zu dokumentieren, bis hin zur Behauptung des geladenen Uni-Rektors, daß die Burka für ihn kein Symbol des politischen Islams sei.

Aber all das sind Anekdoten und auch der Staatsanwalt, von dessen Sorte es in Österreich nicht mangelt, ist nicht das Problem. Das Problem ist der rechtliche Rahmen, der ihm derart existenzbedrohende Anklagen und Ermittlungsverfahren erlaubt. Ein einzelner Satz während der Verhandlung hat sich mir ins Hirn gebrannt. In seinem Eröffnungsplädoyer sagte der Saatsanwalt:
Die Identitären Bewegung unternahm auch im Jahr 2014 und 2015 viele Aktionen. Erst im Jahr 2016 wurde ihr Verhalten allerdings strafbar, da ein neues Gesetz verabschiedet wurde.
Konkret meinte er damit eine Novelle, welche den Tatbestand der Verhetzung und die Ausweitung des Mafiaparagraphen bestimmt. Einer EU-Direktive gegen „Hassverbrechen“ folgend, wurde neues Recht geschaffen. Damit wurde vorher demokratisch und rechtsstaatlich legitimes Verhalten kriminalisiert. Die IB war der erste „Testlauf“ aber viele weitere können und werden folgen, solange es diese Gesetzeslage gibt.
Ein Gedankenspiel: Der FPÖ-nahe Internetblog unzensiert.at schreibt täglich über Masseneinwanderung und Islamisierung und spart dabei nicht an scharfer Kritik. Es wäre ein Leichtes, unter der Artikelflut ein paar Fälle herauszupicken, die den Verdacht des neuen Verhetzungsparagraphen, der nicht mehr auf Gewalt, sondern auf „aufstachelnden Hass“ abzielt, wecken können. Das Ganze geschieht systematisch und regelmäßig, durch eine Redaktion, also einen Personenverband. Durch die Werbeeinnahmen ist auch die "Gewerbsmäßigkeit" gegeben. Die Anklage wird vom Justitzministerium genehmigt und eine Woche später werden Server beschlagnahmt, Konten eingefroren, Rechner konfisziert und die Unzensuriert-Redaktion steht vor Gericht.
Immer wieder wurden während der Verhandlung auch Aussagen der FPÖ und anderer politischer Akteure zitiert, die denen der IB in nichts nachstehen. Tatsächlich könnte der Paragraph 278 in einer großzügigen Auslegung auch die FPÖ treffen… Und selbst wenn Unzensuriert, FPÖ und IB am Ende freigesprochen würden - Ermittlungsverfahren und Prozesse sind selbst bereits effektive Mittel der Repression.
Daß diese nicht nachlassen werden, zeigen auch Reaktionen von Autoritäten, die eigentlich der Neutralität verpflichtet wären.  Der Chef  des krisenumwogten Österreichischen Verfassungsschutzes BVT, Peter Gridling, zeigte sich zornig über das erstinstanzliche Urteil:
Die Hauptakteure der Identitären Bewegung stolzieren jetzt herum und versuchen, das Urteil als Beweis zu nutzen, daß sie nicht rechtsextrem sind.
Wir haben das Urteil keinesfalls zum Anlaß triumphaler Gesten genutzt, weil es dafür keinen Grund gibt. Es gab keinerlei offizielle Feiern oder trotzige Aktionen.
Doch das reichte ihm nicht. Es ist für Gridling scheinbar ein persönlicher Affront, daß wir immer noch auf freiem Fuß sind. Daß jemand, den das BVT als rechtsextrem einstuft (und dabei auf Wikipedia-Definitionen und linksextreme Privatvereine wie das DÖW zurückgreift) sich frei im Land bewegen und äußern kann, ist dem obersten Verfassungsschützer ein unerträgliches Ärgernis. Das DÖW selbst kommentierte das Urteil ebenso mit Bedauern und verwies hinsichtlich der IB auf die Forderung nach der „Auflösung aller faschistischen Organisationen“, zu der sich Österreich nach dem Krieg gegenüber den Alliierten verpflichtet hatte. Da fühlt man sich doch gleich viel sicherer in seinem Land!


Noch drastischer äußerte sich ein Gerhard Jarosch, Präsident der Internationalen Staatsanwältevereinigung.
Wenn das Benehmen der Identitären unter keine geltende Bestimmung fällt, muss sich die Politik überlegen, ob sie eine neue schaffen möchte,
räsonierte der einflussreiche Staatsanwalt. Damit meint er keine generelle Klausel gegen linken oder rechten Extremismus. Nein, es geht ihm um einen gezielten Anti-IB Paragraphen: "Man müsste dafür, wie beim Verbotsgesetz, bestimmte politische Gruppen unter Strafe stellen.“ Daß die IB auch nach der (von der EU geforderten) neuen „Hassrede“-Gesetzgebung nicht kriminell ist, ist für die Elite der Österreichischen Justiz kein Anlass für eine Rehabilitierung.
Es ist ein Anlaß, neue Gesetze zu erfinden. Die IB hat offenbar kriminell zu sein, ob es das Gesetz hergibt oder nicht. Zwar gab es auch kritische Gegenstimmen, doch sowohl Josef Moser (ex FPÖ nunmehr ÖVP Justitzminister), als auch der erwähnte Christian Pilnacek ließen keinen Zweifel offen, daß sie ähnlich denken. Ihre Partei war auch die einzige, die nach dem Urteil keinen Kommentar abgab. In der FPÖ versteht man den Wink mit dem Zaunpfahl. Getroffen hat es die IB, gemeint sind aber alle Organisationen, Medien und Parteien, die sich systematisch, regelmäßig und kritisch zu Islamisierung und Masseneinwanderung äußern. 
Der FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan sieht das Urteil als

guten Anlaß, um zu diskutieren, ob der Tatbestand kriminelle Vereinigung konkreter ausgestaltet werden sollte, beziehungsweise ob man diesen Paragrafen in der Form überhaupt braucht.
Er freue sich über das Urteil, und Gruppen wie die IB „muss eine Demokratie aushalten." Auch im Koalitionsvertrag der Regierung war auf Seite 43 bereits eine "Erhebung einer Statistik der Verfahrenspraxis und Rechtssprechung in Bezug auf die Straftatbestände‚ Herabwürdigung religiöser Lehren und " Verhetzung‘" angekündigt. (Gerüchten zufolge war dieser Plan auch der Grund für das Durchwinken der Anklage gegen die IBÖ, um - solange es juristisch noch möglich ist - so viel Schaden wie möglich anzurichten.)
So oder so tobt gerade ein geheimer Streit im „tiefen Staat“ der Alpenrepublik. Die eine Seite will die Gesetzgebung gegen rechte Meinungsäußerungen verschärfen und würde am liebsten jeden, den die linksextremen Medien und Experten als „rechtsextrem“ markieren, einsperren. Die andere Seite will bestehende Regelungen hinterfragen und restriktiv anwenden. Man wird sehen, wer sich am Ende durchsetzt.

Die IBÖ und ihre Aktivisten sind derzeit jedenfalls Versuchsobjekt des Meinungsstrafrechts und Verhandlungsmasse der Rechtspolitik. Man kann davon ausgehen, daß das nicht so bleiben wird und wir nach Rechtskraft des Urteils all unseren Fokus darauf lenken werden, der österreichischen Öffentlichkeit den systematischen Zugriff auf ihre Meinungsfreiheit bewusst zu machen - ganz egal, wie es ausgeht.   Martin Sellner

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