"Der Außenminister kritisiert, Deutschland habe in der Amtszeit von Frau
Merkel außen- und sicherheitspolitische Probleme nicht offen
diskutiert", schreibt die Welt.
Die Gesellschaft sei auf diesem Politikfeld "in einem diskursiven
Wachkoma" gefangen gewesen. Angesichts neuer Herausforderungen müsse die
Bundesregierung nun aber "den Menschen verdeutlichen, dass wir für
unsere Interessen eintreten müssen". Und das bedeutet für Maas vor
allem, "eine deutlichere Distanz" zu Wladimir Putin und zur russischen
Politik zu wahren, bis Donald Trump endlich abgelöst ist und irgendein
Neocon-gesteuerter kriegslüsterner Demokrat wieder zur Praxis des
Demokratieexports zurückkehren kann.
Wie "der Westen" sich auf
einen möglichen Krieg mit Russland vorbereiten muss, beschrieb der
Generalstabschef der britischen Armee, General Sir Nicholas Carter, in
einer Rede am Royal United Services Institute (man hat dort offenbar sehr altmodische Vorstellungen davon, wer der Feind ist).
Dona nobis pacem. Anders gesagt: Gott schütze Donald Trump!
***
Leser
*** "fällt immer wieder auf, dass sich im Dunstkreis
liberal-konservativer Menschen, bspw. AfD-Wählern oder Lesern von Tichys
Einblick, höchst merkwürdige Narrative, um es vorsichtig auszudrücken,
in puncto Rußland und Putin verfestigen. Selbst aus dem Bereich der
AfD-Bundestagsfraktion erreichen den geneigten Beobachter Botschaften,
die ihn zweifeln lassen (z.B. Herr Lucassen über aggressive
NATO-Politik). Und nun lese ich bei Ihnen was von 'neocon-gesteuert' und
'Demokratieexport'.
Und ein Link auf die Rede eines britischen
Generals. Vermutlich ist es normal, das militärisches Führungspersonal
über Pläne berichtet, die in der Schublade liegen und nicht sofort zur
Anwendung kommen. Beklagen wir uns nicht alle lauthals über eben jene
fehlenden Pläne der Bundesregierung zur Bewältigung von Problemen knapp
jenseits des massiven Politbrettes vor ihren Köpfen. Über die bodenlose
Richtungslosigkeit, seit Frau Merkel meint, dass Pläne durch
Gefühlsausbrüche ersetzt werden können. Ich bin ganz zufrieden mit
Plänen, die zumindest ein gewisses Interesse daran erkennen lassen, dass
für Putin nach der völkerrechtswidrigen Eroberung der Krim und der mit
nicht gekennzeichneten Kombattanten durchgeführten Destabilisierung (ich
neige anscheinend zu Euphemismen) der Ostukraine nicht der Rest Europas
bis Lissabon zur Verfügungsmasse wird. Gemäß des infamen Theorems 'wo
Russen leben, ist Rußland'.
Haben Sie sich die Mühe gemacht, die
Kommentare zu dem Pamphlet über die Rede des britischen Generals auf RT
zu lesen? Der unfaßbare Unsinn, der dort aus den Leuten quillt, ist mit
normalen Begriffen nicht ausreichend zu beschreiben. Nun neigen die
Kommentatoren auf RT sicher nicht zu Selbstzweifeln, aber sie suhlen
sich hemmungslos im Sich-Benachteiligtfühlen. Ich sehe es schon ganz
anderen selbsternannten Minderheiten nicht nach, sich in die Opferrolle
zu manipulieren. Bei Russen oder ihren deutschen Apologeten, vor allem
aber jenen aus auch meiner neuen politischen Heimat, habe ich absolut
kein Verständnis für alternative Wahrheiten (ansonsten bin ich ein
großer Anhänger von Alternativen). Der ehemalige KGB-Chef in der DDR
regiert einen wirtschaftlich rückständigen, auf Rohstoffverkäufe
angewiesenen Staat mit Theaterdemokratie, so eine Art Theresienstadt mit
Kollateralschäden bei der Opposition. Wie um Himmels Willen soll das
als Argument für den Kampf gegen die Merkelatur nützlich sein? Den
Rechtsstaat beschwören und dann den mit allen Wassern gewaschenen
Blender und Schänder desselben mehr oder weniger, ich formuliere das
Ganze wie eine Frage, als Verbündeten/Unterstützer/Vorbild/Wasauchimmer
darzustellen.
Ich bin sehr zufrieden damit, nicht in Lugansk zu
wohnen, und eine größere Anzahl amerikanischer Atomwaffen zwischen mir
und russischen Interessen zu wissen. Ich habe in der Zeit vor
Gorbatschow in einem deutschen Panzer gedient, und ich gedenke nicht,
nur weil unsere derzeitige Regierung untragbar ist, die damalige
Einstellung zu hinterfragen und mit Antiamerikanismus und
Verschwörungstheorien zu beantworten. Nun unterstelle ich Ihnen diese
Beweggründe natürlich nicht einfach, aber die Distanz 'ein Klick weit'
zu RT und dem abartigen Sumpf dort in der Kommentarsektion ist so
gering, dass ich mir erlaube, dazu eine Diskussion anzustoßen.
Ich
muß kurz zurück zum 'Demokratieexport'. Natürlich kann Putin mangels
Vorhandensein keine Demokratie exportieren, aber wieso darf er Grosny
mit Artillerie umgraben und Aleppo in die Steinzeit bombardieren, aber
die USA sind der Grund für den Internationalen Terrorismus, den IS und
überhaupt...böse? Natürlich braucht der sendungsbewußte Orientale
lediglich die Existenz von Kuffar als Entschuldigung für jede unfaßbare
Untat. Sollte nicht trotzdem der Nichtorientale, ob Russe, Deutscher
oder Amerikaner sich, und wenn nur zur Abgrenzung gegenüber dem
Halbmondfanatiker dient, der vollständigen Wahrheit befleißigen???"
Geehrter
Herr ***, ich habe in diesem Diarium mehrfach darauf hingewisen, dass
ich Russland aus demografischen Gründen für außerstande halte, noch
irgendwohin zu expandieren; das größte Land der Erde hat kaum mehr
Einwohner als Japan, mit jedem toten Soldaten stirbt praktisch eine
Familie aus, und mit den heute muslimischen ehemaligen Sowjetrepubliken
am Südbauch haben sie genug Probleme und Reibereien. Auch zur Krim habe
ich mich mehrfach geäußert; Sie können nicht von einer Großmacht
erwarten, dass sie diese seit zweieinhalb Jahrhunderten russische,
überwiegend von Russen bewohnte, mit russischem Blut als Tor und
Torwächter zu den auch im Winter eisfreien Weltmeeren erkämpfte
Halbinsel, die ein Diktator, der nur deswegen klein wirkt, weil sein
Vorgänger eines der größten Monster überhaupt war, in einer Wodkalaune,
jedenfalls als Bruch der russischen Verfassung, an die Ukraine
verschenkt hat, jetzt gewissermaßen der Nato zur Verfügung stellt.
Ansonsten
ist es mir ziemlich gleichgültig, ob Russland eine Demokratie ist oder
nicht, solange offenbar eine große Mehrheit der Russen gut und gerne
dort lebt und sie mich in Ruhe lassen. Mit Ihrer Theresienstadt-Metapher
übertreiben Sie derart maßlos, wie ich allzu Maßloser es nie tun würde,
und maßlos ist auch Ihre Bewertung des russischen Syrieneinsatzes. Mir
ist Assad lieber als die muslimischen Radikalen, und wer den Krieg am
schnellsten beendet (und unserer Willkommensjunta keine Schäfchen bzw.
Wölfe mehr zutreibt), hat Recht. Der "Demokratieexport" der Amis indes
hat nur ein einziges Mal funktioniert, beim anerkanntermaßen
erstaunlichsten und zugleich närrischsten Volk der Erde, doch wenn man
diesem Volk bei der Selbstabschaffung zuschaut, fragt zumindest
unsereiner sich, ob das nun wirklich gut war.
Ansonsten dienen die
Menschenrechte den USA gemeinhin als Mittel zu umfassender Einmischung
in die inneren Angelegenheiten der anderen. Kann man mögen, muss man
nicht mögen (es gibt ja auch glückliche Masochisten). Trump hat damit
nicht Schluss gemacht, aber er möchte es gern tun. Sehen wir, wie weit
er kommt.
Wie sich Deutschland nach meiner Ansicht
außenpolitisch verhalten sollte, habe ich mit den Zitaten zu Bismarck zu
illustrieren versucht.* Mehr ist meinerseits nicht zu erklären. Ich
danke für Ihre Aufmerksamkeit. MK am 27.
*
"Der Beitrag Bismarcks und des Reiches zur Weltpolitik bestand darin,
zu versichern, dass sämtliche Konfliktzonen, in denen unruhige Nationen
Kampfsport trieben, für Deutschland uninteressant seien. Bismarck kam
nie auf den Gedanken, Deutschland würde am Hindukusch, in Bulgarien, im
Vorderen Orient oder im Pazifik verteidigt. (...)
Die beiden
Westmächte hofften zwischen 1853 und 1856 – erstmals auch ideologisch
als ‚der Westen’ auftretend –, das ‚Reich der Finsternis’, also Rußland,
zu ‚balkanisieren’, also in Mittelstaaten aufzulösen. (...)
Wertegemeinschaften
sind stets die aggressivsten Vereinigungen, weil sie sich verpflichtet
fühlen, gegen Wertlose und deren Unwerte zu kämpfen. ... Zu den großen
Verdiensten Bismarcks gehört es, nach den Erfahrungen des Krimkrieges
und jener ‚wertvollen’ Politik, die Europa in ziemliche Verwirrungen
gestürzt hatte, eine aufgeregte Welt wieder zur Ordnung gerufen und ihr
Deutschland als Ordnungsmacht empfohlen zu haben, deren Existenz von der
Ruhe in Europa abhing."
Eberhard Straub, Kaiser Wilhelm II. in der Politik seiner Zeit, S. 248 ff.
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