Ruprecht Polenz hob noch einmal Merkels Worte bei ihrem Treffen mit dem neuen spanischen
Ministerpräsidenten Pedro Sánchez hervor, denn es handelt sich wirklich um etwas Bedeutendes:
Merkel bezeichnete dort die europäischen Dublin-Asylregeln als „nicht funktionsfähig“.
Gemeint ist die Regel, dass ein Asylbewerber seinen Antrag in dem
EU-Land stellen muss, das er als erstes betritt. Erst danach sollen und
müssen die Bewerber nach einem Schlüssel auf die europäischen Länder
verteilt werden. „Nach dieser Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen“, sagte Merkel, zitiert Polenz. „Das entspricht aber nicht der Realität.“
Die Dublin-Regeln waren und sind keine „Theorie“,
sondern zwischenstaatliche Regeln, die Merkel 2015 über Nacht ohne
Parlamentskonsultation einseitig wegfegte. Ihre Sätze werfen ein
exemplarisches Licht auf ihr Politikverständnis und vor allem ihre
Praxis: Regeln sind nur Theorie. Passen sie plötzlich nicht mehr, werden
sie beiseitegeschoben und durch eine neue „Realität“ ersetzt. Mit Hinweis, die Realität sei jetzt aber eine andere, wird dann auch die formale Abschaffung der Regeln begründet.So haben sie und andere europäische Regierungschefs bekanntlich auch mit
dem Verbot der Haftung für fremde Staatsschulden nach dem
Lissabon-Vertrag verfahren: „nicht funktionsfähig“, also faktisch weg damit, und irgendwann die Regeln umschreiben.
Die Illusion 2015 aufrecht erhalten zu haben, es gebe die
Dublin-Regeln noch (die Formalien also nicht schnell genug über den
Haufen geworfen zu haben), das, so Polenz, sei der Fehler der Merkelschen
Grenzöffnungspolitik gewesen.
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