"Wir wollten nur noch unsere Haut retten", sagt einer der Polizisten.
Einen derart "aggressiven Mob" habe er in 13 Dienstjahren noch nicht
erlebt, erklärt ein anderer. Jugendliche seien "mit erhobenen Fäusten"
auf ihn zugerannt und blockierten auf der Straße vor dem Bad die Abfahrt
der Polizeiautos.
Andere Beamte schildern die Situation nicht
ganz so bedrohlich. Einig sind sich alle darüber, dass man knapp vor dem
Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray und einer Eskalation war. "Zum
Glück haben sie den Festgenommenen im falschen Auto vermutet",
beschreibt ein Beamter, wie es schließlich glückte, mit M. weg zu
fahren.
M. ist einer der Haupttäter aus einer rund 40-köpfigen
Gruppe krimineller Jugendlichen, die im vergangenen Jahr in Würzburg
zahlreiche Körperverletzungen und Raubüberfälle begangen haben. Im Juli
2019 wurde gegen den 18-Jährigen ein Haftbefehl wegen eines
gemeinschaftlichen Einbruchdiebstahls erlassen. Zivilbeamte, die in
dieser Zeit die Gruppe im "Dalle" beschatteten, erkannten ihn auf der
Liegewiese, wo er mit Freunden einen Joint rauchte und Bier trank.
"Als die übrige Gruppe im Wasser war, schien die Gelegenheit günstig,
ihn zu verhaften", erklärt ein Beamter der zivilen Einsatzgruppe vor
Gericht. Er lag in Badehose auf der Liegewiese in der Nähe von M. und
dessen Freundin. Also wurden bereitstehende Zivilbeamte geholt, die M. -
ohne Gegenwehr - auf den Boden legten und mit Handschellen fixierten.
Weil
"man damit rechnen konnte, dass es zu Solidarisierungssituationen
kommt", wie ein Beamter schildert, wollte man M. dann möglichst schnell
und ohne Aufsehen aus dem größten Freibad Mainfrankens bringen. Das
gelang nicht.
Warum wurde M. nicht in der Familienwohnung verhaftet? Auf die
Nachfrage des Würzburger Strafverteidigers Norman Jacob jun. antwortet
ein Beamter im Gerichtssaal: "Teilweise sucht man jemanden wochenlang.
Da nutzt man die Chance zur Festnahme, wenn man sie hat." Inzwischen ist
der Würzburger verurteilt worden und verbüßt eine 19-monatige
Jugendstrafe.
Eine
andere Frage ist, warum die Polizei die Beteiligten des durch die
Festnahme ausgelösten Tumults nicht unmittelbar identifiziert hat.
Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen erklärt das gegenüber dieser Redaktion
mit der aggressiven Stimmung im Dallenbergbad, die man durch weiteres
Einschreiten nicht weiter aufheizen wollte. Diese "Deeskalation"
sei vernünftig gewesen, zumal die "Hauptbeteiligten durch eingesetzte
Beamte erkannt und als Täter überführt werden konnten".
Einer der vier Hauptbeteiligten ist vor der Jugendkammer geständig.
Die Beweislage zur Mittäterschaft der anderen ist allerdings verworren.
Denn die Jugendlichen im Zeugenstand können sich zwar gut daran
erinnern, welcher ihrer Freunde am Tag des Geschehens nicht im
Dallenbergbad war. Wer aber dort war, wissen sie nicht mehr. Auch die
Polizisten machen unterschiedliche Aussagen zu den Beteiligten.
Oberstaatsanwalt
Raufeisen erklärt gegenüber der Redaktion "etwaige Ermittlungsdefizite
hinsichtlich etwaiger weiterer Zeugen und oder Täter" mit der "Dynamik
des Einsatzes". Warum die Polizei keine weitere Verstärkung angefordert
hat, erklärt das nicht.
Klar
wird in der Verhandlung, dass die Polizei für einige Jugendliche
prinzipiell ein Feindbild ist. Zwei der drei Angeklagten haben vor und
nach dem Vorfall im Dallenbergbad Polizisten beleidigt. Eine
Polizeianwärterin schilderte mit Tränen in den Augen das "herablassende
Verhalten" eines Angeklagten bei einem Vorfall am Bahnhof. Dieser
entschuldigt sich vor Gericht bei ihr. "Ich habe nichts gegen Sie
persönlich”, sagt der 16-Jährige, der zuletzt im Februar Polizisten den
Mittelfinger zeigte. "Ich mag nur keine Menschen in Uniform."
Woher kommt das? Ein Zivilpolizist, der die Gruppe im Dalle immer
wieder beobachtete, erzählt, wie sich die Jugendliche gegenseitig
aufstacheln, von Machtgehabe, Erniedrigungen und "Joints, wie am
Fließband". Ein Kollege schildert, wie Jugendliche vor Freunden durch
"Aggression gegen uns den starken Mann markieren". Und eine 16-jährige
Zeugin sagt über die Haupttäter: "In der Gruppe waren sie die ganz
Großen, die alle krass fanden." Mainpost
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