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Montag, 13. Juli 2020

Interessant

Roger Beckamp und Dubravko Mandic haben beide Jura studiert, Beckamp bis zum ersten, Mandic bis zum zweiten Staatsexamen; sie arbeiten jeweils als Rechtsanwälte und sind Mitglieder der AfD. Da hören die Gemeinsamkeiten aber eigentlich auch auf – wie unterschiedlich die beiden Männer sind, wird schon beim Blick auf ihr Äußeres deutlich.
Wo Mandic ein Bulle von einem Mann ist, der inzwischen einen schwarzen Vollbart trägt und sich auf Instagram vorzugsweise beim Kraftsport, oder bei der Proteinzufuhr (stets mit extra großer Portion) zeigt, da ist Beckamp eher von der hageren Sorte. Sein Gesicht hat etwas schalkhaftes, die Haare sind stets mit betonter Lässigkeit pomadiert und während Mandic zu den Leuten gehört, die man auch in einer Kneipenschlägerei gerne an seiner Seite wüßte, spricht Beckamps eloquente Höflichkeit für die Strategie des „Kill them with kindness“.

Warum nun finden sich die beiden heute Seite an Seite in meiner Kolumne wieder? Es kommt häufig vor, dass man Politiker einem bestimmten Typus zuordnen kann, aber sowohl Mandic, als auch Beckamp fallen durch die gängigen Raster und sind jeweils für sich genommen im wahrsten Sinne des Wortes „eigenartig“.
Was ich vergangene Woche über die AfD schrieb, das gilt. Aber es gilt – ich habe das im letzten Absatz ja schon erläutert – eben nicht für alle. So hat sich beispielsweise nicht nur der Kreisverband Saalekreis, sondern auch Mandic in zwei Videos klar zum Thema positioniert und sich solidarisch mit der Gruppe um Chris Ares gezeigt.
Seit Jahren gehört er zu jener (wachsenden) Gruppe an AfD-Politikern, die aktiv auf Tuchfühlung zum außerparlamentarischen Vorfeld der Partei geht, dort Themen aufnimmt und sie nicht nur in die Rathäuser und Landtage, sondern auch ohne falsche Scheu auf die Straße trägt (hier etwa Auge in Auge mit der Freiburger Antifa). Als es den Flügel noch gab, war Mandic dort Mitglied, wer seinen YouTube-Kanal kennt, weiß, dass über seine Position im parteiinternen Meinungsspektrum nicht groß spekuliert werden muss.

Roger Beckamp kommt aus einer ganz anderen Richtung. Ihn lernte ich vor einiger Zeit in Halle kennen. Er hatte sich dort zur Teilnahme an einem Streitgespräch bereiterklärt, in welchem er mit Hans-Thomas Tillschneider das Verhältnis von AfD und Identitärer Bewegung diskutieren sollte. Die Diskussion – bei der sich beide Seiten am Ende übrigens relativ einig waren – fand unter linken Gegenprotesten im Zentrum in der Adam-Kuckhoff-Straße statt.
Interessant war bei dieser Konstellation, dass Beckamp sich zuvor immer klar für eine möglichst große Distanz zwischen Partei und Bewegung ausgesprochen hatte und auch sonst vom politischen Profil her eigentlich einen weiten Bogen um eine solche Veranstaltung hätte machen müssen. Er kam trotz Kritik aus seinem Landesverband, und zwar nicht im Geheimen, sondern mit eigenem Kameramann und offenem Visier und das rechne ich ihm bis heute hoch an. Es gab für ihn in dieser Sache kaum etwas zu gewinnen, außer das Verständnis der Zuhörer für seine Position.

Dass er sich bei aller weltanschaulichen Distanz auch ein gesundes Verständnis von politischer Medienstrategie bewahrt hat, beweist Beckamp – wie auch Mandic – auf YouTube. Auf seinem Kanal veröffentlicht er in regelmäßigen Abständen Dialogversuche mit all jenen, die es normalerweise nicht vor ein AfD-Mikrofon schaffen würden: In seinem neuesten Video versucht er etwa mit Zigeunern ins Gespräch zu kommen, die seit einiger Zeit im kleinen Örtchen Horn für Unruhe sorgen, auch amüsante Konversationsversuche mit der Antifa finden sich unter seinen Beiträgen; mehr als 600.000 mal wurde sein Interviewvideo von einer großen Erdogan-Demonstration in Köln angeklickt.
Anfang Juni lobte Beckamp schließlich ein monatliches 500-Euro-Stipendium für patriotische Medienschaffende aus, hinzu kamen zwei Einmalsubventionen in Höhe von jeweils 1000 Euro. Solche Ansätze, wie man sie sonst vor allem aus dem bewegungsorientierten Flügel der AfD gewohnt ist, sind nur einer von vielen Beweisen dafür, dass es im medialen Windschatten der großen Richtungsdebatten nach wie vor unzählige Macher mit Rückgrat in jedem Lager der Partei gibt.
Ich habe als Aktivist den (nicht zu unterschätzenden) Vorteil, dass ich mir in den meisten Fällen recht genau aussuchen kann, an wessen Seite ich ein Dach besteige, einen Infostand abhalte oder eine Veranstaltung plane. Diesen Luxus genießen die Mitglieder der AfD nur sehr bedingt und so muss bei jeder Kritik am Ende abgewogen werden, wie das Fehlverhalten von Einzelmitgliedern, Landesverbänden, oder Parteivorsitzenden kritisiert werden kann, ohne damit diejenigen anzuschießen, die es wirklich nicht verdient haben. Wenn dann Kritik nicht zu vermeiden ist, ist es nur gerecht, neben der angemessenen Motzerei, auch diejenigen hervorzuheben, deren Fleiß und Kreativität allzu oft im großen Drama untergeht.

Deshalb sende ich an dieser Stelle meine herzlichen Sonntagswünsche an Dubravko Mandic und Roger Beckamp – möge Allah ihren Zorn darüber kühlen, sich den heutigen Lorbeerkranz teilen zu dürfen!    Till-Lucas Wessels

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