Stationen

Dienstag, 28. Juli 2020

Zur Erinnerung an den 10. April

...als Markus C. Kerber diesen Artikel schrieb:

Ein Italiener mit großer Reputation, Universitätsprofessor und ehemaliger Minister für europäische Angelegenheiten präsentiert sich in der italienischen Öffentlichkeit mit einer nicht gerade neuen Idee, die schon viele Repräsentanten der Brüsseler Blase und insbesondere Frau Lagarde versucht haben, den Niederlanden und Deutschland schmackhaft zu machen: Eurobonds.

Hierbei handelt es sich um eine haftungsrechtliche Vergemeinschaftung von Schulden der gesamten europäischen Union, gegebenenfalls nur für neue Schuldenaufnahmen aber eventuell auch für Schulden, die bereits aufgenommen wurden. Diese Forderung wird in einem Zeitpunkt erhoben, in dem Italien soeben erfolgreich, für fast 10 Milliarden, neue Schulden aufgenommen hat. Allerdings stören die Zinsspreizungen zwischen Deutschland und Italien das italienische Schatzamt.
Gewiss hat Italien in der fortwährenden Corona-Krise Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Deutschland als stärkste Volkswirtschaft kommt die verdammte Pflicht und Schuldigkeit zu, im Rahmen einer europäischen Politik darauf hinzuwirken, dass die ökonomischen Konsequenzen der Corona-Epidemie eingedämmt und hieraus entstehende Schäden begrenzt werden. Der Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) präzisiert in seinem Artikel 122 die europäische Solidarität:
„Ist ein Mitgliedsstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedsstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren.“
Ein Schlag gegen die europäische Währungsunion

Dies also ist die Lösung, die die europäischen Verträge für die gegenwärtige Notsituation vorsehen. Wenn dem entgegen Giorgio La Malfa und mit ihm die gesamte politische Elite Italiens die Notwendigkeit von Eurobonds herleitet, die er nunmehr Corona-Bonds nennt, schlägt er die Verletzung einer anderen zentralen Vorschrift des genannten Vertrages vor, dessen Einhaltung für Deutschland stets eine Vorbedingung für seine Zustimmung zum Europrojekt war.

Art. 125 AEUV sagt unmissverständlich:

„Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedsstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein. Dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedsstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechtes oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein.“
Diese zentrale Bestimmung der Währungsverfassung (sogenannte Nicht-Beistandsklausel) würde vollständig seine Substanz verlieren, wenn sich Europa auf den Weg begäbe, den Giorgio La Malfa vorzeichnet. Die Vorschläge von La Malfa wären also ein Schlag gegen die europäische Währungsunion. Der Traum von La Malfa und mit ihm von vielen anderen europäistisch gesonnenen Köpfen in Brüssel ist nicht nur ein Albtraum für die Deutschen, die Holländer, die Österreicher und die Finnen, sondern wäre auch der Beginn eines wachsenden Kontrastes und eventuell eines Bruchs zwischen dem Süden und dem Norden der EU.
Es irren sich jene, die glauben, dass die Corona-Krise eine Gelegenheit sei, um ihren Traum einer gemeinsamen Schuldenhaftung in Europa endlich durchführen zu können und die Staaten Nordeuropas für Schulden haftbar zu machen, die sie nicht eingegangen sind. Corona-Bonds wären weder ein Impfstoff gegen den Virus Covid-19, noch ein Stimulus für unsere Volkswirtschaften, sondern im Gegenteil der Anfang einer unumkehrbaren monetären Sezession in Europa.
Ermutigende Zeichen einer deutsch-italienischen Freundschaft
Wenn Deutschland, die Niederlande, Österreich und Finnland diese Währungsunion verließen, würde sich Italien ganz allein in Gesellschaft von Frankreich und Spanien – ganz zu schweigen von so potenten Staaten wie Griechenland und Zypern – befinden. Dieser Alleingang würde für Italien nicht glücklich ausgehen.
Die im Übrigen deutsch-freundlichen Vorschläge von Giorgio La Malfa unterstreichen die Qualität der Beziehungen zwischen Italien und Deutschland. Schön, dass sich auch Staatspräsident Mattarella und Bundespräsident Steinmeier im besten Einvernehmen befinden. Insofern mag sein Vorschlag die Hoffnung begründen, dass die beiden Länder sich in dieser Krise annähern. Die Einladung Italiens sollte für ein Land wie Deutschland beflügelnd wirken, weil es viel zu eng mit Frankreich verbunden und scheinbar noch immer nicht reif ist, sich von der Pariser Aufsicht, die seit der Wahl von Macron zu einer wahren Geisel geworden ist, zu lösen.

Im Chaos der gegenwärtigen Krise gibt es viele ermutigende Zeichen einer deutsch-italienischen Freundschaft. Italienische Patienten werden in deutsche Krankenhäuser transportiert. Ganz Deutschland bewundert mit aufrichtiger Compassion den Kampf in den italienischen Krankenhäusern und bewundert die Disziplin der Italiener bei der Beachtung der Ausgangssperre. Darüber hinaus besteht durch die Krise die Möglichkeit einer prinzipiellen strategischen Annäherung zwischen Italien und Deutschland, um unsere beiden Volkswirtschaften neu auf die Realwirtschaft und die Würde der Arbeit auszurichten. Zu lange hat der Finanzkapitalismus mit fragwürdigen Unternehmen wie BlackRock die Tugenden der Industrie in den Schatten gestellt. Heute können Italien und Deutschland zusammen Europa vor dem Selbstmord bewahren.
Deutschland ist in der Lage zu weinen und weint zusammen mit Italien und für Italien. Aber wir Deutschen unterlassen es nicht, die Grenzlinie praktischer Vernunft klar zu ziehen. Möge Giorgio La Malfa und und seine Gesinnungsgenossen in Italien überzeugt werden können, dass die deutsche Opposition zur Gemeinschaftshaftung kein Nein zu einer privilegierten Partnerschaft mit Italien bedeutet und Tore und Türen offenlässt für den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft in einem starken und menschlichen Europa.
Und damit unsere italienischen Freunde diesen Text auch lesen können, hier die italienische Fassung:

Anche la Germania piange… ma difende la ragione nella crisi del coronavirus - Pensieri di un tedesco filoitaliano

Sulle pagine di questo giornale[1], il prof. La Malfa, studioso di ottima reputazione e già ministro degli affari europei, ha trattato, con la consueta accuratezza, di alcuni strumenti attraverso i quali fare fronte, in Italia, all’emergenza economica provocata dal coronavirus. Nell’ambito di tali strumenti, un acceso dibattito, non solo tra gli addetti ai lavori, non sempre confortato dalla conoscenza, ha riguardato gli Euro bonds. Si tratterebbe, in tal caso, di affermare una responsabilità comune, di tutti i paesi dell’Unione Europea, dei nuovi debiti, ma forse anche dei debiti già contratti.

L’Italia ha certamente bisogno di aiuti finanziari e la Germania ha il dovere di sostenere una politica europea che contrasti rapidamente le conseguenze dell’epidemia Coronavirus in Italia. Il Trattato sul Funzionamento dell’Unione Europea, al suo articolo 122, prevede espressamente la solidarietà europea: "Qualora uno Stato membro si trovi in difficolta o sia seriamente minacciato da gravi difficolta a causa di ……circostanze eccezionali che sfuggono al suo controllo, il Consiglio….può concedere a determinate condizioni un’assistenza finanziaria allo stato membro interessato".

Ecco la soluzione prevista dal trattato. Quando s’invoca invece la necessità di Euro bonds, si sta proponendo la violazione di un’altra disposizione legale del trattato, che per la Germania era una precondizione del suo consenso al progetto dell’Euro. Quando, nel 2012, fu sottoscritto il trattato che istituiva il cd. Meccanismo Salva-stati (MES), fui il promotore di un ricorso presso la Corte Costituzionale tedesca e quest’ultima, rilevando alcuni profili di incompatibilità tra il MES e la Costituzione tedesca, precisò in quali termini il MES medesimo doveva essere interpretato per essere compatibile con la legge fondamentale della Germania.
L’art. 125 del Tratato UE afferma chiaramente: “Gli Stati membri non sono responsabili né subentrano agli impegni dell’amministrazione statale, degli enti regionali, locali o degli altri enti pubblici, di altri organismi di diritto pubblico o di imprese pubbliche di un altro Stato membro, fatte salve le garanzie finanziarie reciproche per la realizzazione in comune di un progetto specifico“.
Questa regola costituzionale della moneta comune (No bail out clause) perderebbe tutta la sua sostanza se l’Europa seguisse il cammino verso gli eurobonds. Questo cammino potrebbe essere un colpo letale contro l’unione monetaria.

L’idea degli eurobonds è un incubo per tedeschi, olandesi, austriachi e finlandesi, ma sarebbe anche l’inizio di un contrasto piu o meno aperto fra il sud ed il nord. Si sbagliano quelli che pensano che la crisi del coronavirus sia un’opportunità per realizzare il loro sogno di una responsabilità finanzaria comune in Europa e per costringere i cittadini del Nord ad una sofferenza comune. I coronabonds non sono nè un vaccino contra il virus covid 19 nè uno stimolo per le nostre economie, ma sarebbero invece l’inizio irreparabile della secessione monetaria in Europa.
Se Germania, Olanda, Austria e Finlandia uscissero, l’Italia si troverebbe solo in compagnia di Francia e Spagna, per non dimenticare Grecia e Cipro. Questo viaggio potrebbe non essere felice per l’Italia !
Il dibattito in corso ha anche fatto emergere la eccellente qualità della relazione fra il presidente Mattarella ed il presidente Steinmeier e questo contribuisce ad alimentare la speranza che i due paesi si avvicino ulteriormente in questa crisi. Le sollecitazioni dell’Italia sono stimolanti per un paese come la Germania, troppo alleato alla Francia e non ancora completamente maturo per liberarsi di una tutela parigina che è diventata un vero flagello dopo l’elezione di Macron, che alla Germania fornisce spesso consigli non utili e non richiesti.

Nel caos della crisi attuale, sono altri i segni incoraggianti di una possibile, più forte amiciza italo-tedesca. Pazienti italiani son stati transportati in Germania per essere curati negli ospedali tedeschi. La Germania, piena di sincera compassione per l’Italia che combatte negli ospedali, in queste settimane è anche ammirata dalla disciplina che l’Italia sta manifestando nel rispetto delle regole e dei divieti.
Ma, soprattutto, questa crisi può avvicinare l’Italia e la Germania in nome di una ritrovata centralità della manifattura, dell’economia reale e del lavoro. I palazzi della burocrazia e della finanza avevano frettolosamente liquidato la fatica e le virtù del produrre, maturate nei secoli, sentenziando che a questo avrebbero provveduto altri, in altri continenti (si pensi alla Cina, troppo presto definita come unica „fabbrica del mondo“). Oggi, Italia e Germania possono insieme salvare l’Europa dal suicidio.

La Germania sa piangere e piange, con l’Italia, e per l’Italia, ma senza mancare di difendere l’ultima linea della ragione. Spero che Giorgio La Malfa ed altri autorevoli intellettuali finalmente comincino a comprendere ed apprezzare il pensiero tedesco e a considerare la Germania il partner migliore con cui ricostruire una economia e un’Europa che siano forti e umane.

Markus C. Kerber ist Prof. für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschafspolitik an der Technischen Universität Berlin. Er ist außerdem der Gründer von www.europolis-online.org.


[1] Markus C. Kerber, professore di Finanza pubblica e di Economia politica all’Universita tecnica di Berlino. Professore invitato all’Universita Paris II (Panthéon-Assas) ed alla Scuola di Economia di Warsowia. mckkerber@europolis-online.org




Und bitte Fleischhauers Kommentar vom 28. 7. anhören













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