Stationen

Sonntag, 14. März 2021

Nur Völker, die sich und ihre Geschichte lieben, können ergreifend sein

„Ohne poetische Formen, ohne die gehobene Sprache der Dichtung ist kein Volk; sie ist so alt wie Musik und Tanz und wie das Ornament, der Schmuck der Waffen und des besseren Hausrats”, schreibt Eduard Meyer in seiner „Geschichte des Altertums” (Bd. 3, S. 350). „Die gewöhnliche Rede fließt ungeordnet und kunstlos dahin, wie der Gang des Menschen. Aber in allen gehobenen Momenten, in Freude und Schmerz, bei der Anrufung der Götter und bei Festen und Gelagen ordnen sich Schritt und Bewegung des Körpers zu kunstvollen taktmäßigen Bewegungen, ordnen sich die Worte zu gleichmäßigen Sätzen oder Satzteilen; die Rede wird zum Gesang, den Rhythmus bezeichnet und begleitet die Musik. Worte, Dichtform, Musik, Bewegung (Tanz) sind mit Vorbedacht gewählt als der möglichst vollkommene Ausdruck der Situation und der durch sie gegebenen Gedanken. Sie pflanzen sich fort von Generation zu Generation.”

Als ich diese Worte vor Jahren zum ersten Male las, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, in eine Epoche hineingeboren worden zu sein, in welcher die Geschichte der Völker enden soll oder enden wird, um jener der sogenannten Menschheit Platz zu machen. Wird es dann, jenseits von Pop und Kommerz, auch „Menschheitsmusik” geben? Wie wird sie klingen? Wird in ihr die tiefe schmerzlichsüße Wehmut überleben, die jeder aus dem Volke kommenden Musik innewohnt, egal aus welchem Teil der Welt sie stammt?


Alle wahre Volksmusik ist jedem Hörer sofort verständlich, so fern ihre kulturelle Herkunft auch sein mag. Natürlich ist sie auch traurig, denn der Mensch ist sterblich. Natürlich ist sie großartig, denn das Leben ist schön.



Hier ein - von Luciano Berio instrumentiertes - Liebeslied aus Aserbaidschan




„Ах ты, степь широкая”, das heißt „Ach du weite Steppe”, durch diese Landschaft fließt die Wolga, und über ihr kreist der Adler, mehr muss man zum Text nicht wissen.
 

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