Stationen

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Atheistische Theokratie

 

In der EU-Kommission ist die maltesische Sozialistin Helena Dalli für Inklusion und Gleichstellung zuständig. Bevor sie den Job antrat, hatte sie für ihre 520.000 Landsleute die gleichgeschlechtliche Ehe inklusive Adoptionsrecht durchgesetzt, sowie das Recht, die geschlechtliche Identität selber wählen und amtlich bestätigen zu lassen. Das alles nicht etwa irgendwo auf dem gottfernen Festland, sondern auf einer Insel mit 93 Prozent Katholiken, auf der Abtreibung verboten und der Katholizismus Staatsreligion ist. 
 
Im Ranking der ILGA, des internationalen Dachverbands der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexorganisationen, steht Malta an erster Stelle der LGBTI-freundlichen Staaten. Die maltesische Geburtenrate (1,14 Kinder je Frau) ist die niedrigste in der EU.
Im Namen der EU-Kommission hat Dalli einen 32 Seiten umfassenden Leitfaden für inklusiven Sprachgebrauch veröffentlicht, der sich an EU-Mitarbeiter richtet. Sie dürften, heißt es darin, keinesfalls die Anrede „Damen und Herren“ verwenden und hätten geschlechtsspezifische Substantive (Arbeiter, Polizist) sowie männliche Pronomen (er) strikt zu vermeiden.
Sprachdiktate von Staats wegen sind mittlerweile so verbreitet, dass sie kaum noch wahrgenommen werden. Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Genderstudien in Berlin, hält Gendersprech wegen des Grundsatzes der Gleichberechtigung sogar für verfassungsrechtlich geboten. Seit staatliche Schulen, Hochschulen und öffentlich-rechtliche Sendeanstalten politisch korrekt umgeschaltet haben, baut sich ein Druck auf, dem die Printmedien auf Dauer ebenso wenig widerstehen dürften wie der Rechtschreibreform von 1996. In der nächsten Generation könnte der sprachpolitisch verordnete Newspeak zur Norm werden.
Aber der Angriff der EU-Kommissarin gilt nicht nur dem herkömmlichen Sprachgebrauch. Sie will auch die Erinnerung an die christlichen Wurzeln der europäischen Zivilisation tilgen, denn warum sonst will sie die EU-Mitarbeiter zwingen, Weihnachten aus dem Vokabular zu streichen. Es ginge nur darum, andere Religionen nicht zu diskriminieren, verteidigt Dalli ihren Leitfaden, denn frohe Weihnachten zu wünschen sei nicht genügend inklusiv. Das ist insofern richtig, als nur Christen die Geburt des Erlösers feiern, und nicht auch Religionslose und Gläubige anderer Religionsgemeinschaften. Da aber alle religiösen Feste exklusiv sind, dürfte man auch nicht Juden zu Hanukkah oder Muslimen zum Ende des Fastenmonats ein frohes Fest wünschen. Erst nach Protesten, denen sich sogar der Papst anschloss, kündigte Dalli an, den Leitfaden überarbeiten zu wollen. Bis jetzt steht der Text unverändert im Internet.
Der Staat strebe danach, zur Kirche zu werden, schrieb Dostojewski in den „Brüdern Karamasow“ (1880), seinem letzten Roman. Dieses Ziel hat der Staat erreicht. In Europa ist der Kampf zwischen Kirche und Staat, in dem sich einmal die Kirche des Staats, dann der Staat der Kirche bemächtigte, nach zwei Jahrtausenden zu Ende. Die neue Staatsreligion, der sich auch die EU verschrieben hat, kommt ohne Gott aus, aber nicht ohne Dogmen und ohne Gläubige. Sie leugnet naturgegebene Unterschiede, wie die zwischen Mann und Frau, und historisch gewachsene, wie die zwischen Nationen und Kulturen. Nicht nur Christen fühlen sich diskriminiert.
Der Philosoph Michel Onfray, ein militanter Atheist, warnt vor den Folgen des Konformismus und des Relativismus, der Politisierung der Sprache, des Bruchs mit der Geschichte, der Leugnung natürlicher Differenzen und des zunehmenden Hasses gegen jene, die sich dem Mainstream entziehen. In seiner „Théorie de la dictature“ (2021) prognostiziert Onfray ein Imperium, in dem die Freiheit zugrunde geht. Ist diese Entwicklung unaufhaltsam? Nicht, wenn die Europäer die Gefahr erkennen und sich wehren.    Karl-Peter Schwarz

Die 2. Pfarrerstochter (nach Gudrun Ensslin) hat die Atheistische Theokratie verwirklicht. Und die von der Leine gelassene Ursula hat diese Flamme vom Prenzlauer Olymp nach Brüssel getragen. Dass die ehemalige Miss Malta (Mutter eines Drogendealers), die 1985 in einem grottenschlechten Actionfilm eine Mafiajägerin spielte, mit der Verfassung von Sprachrichtlinien zu dieser Tanzwut, mit der das Schicksal der Hominidae endlich beginnt gerächt zu werden, beiträgt, nimmt mir die Kraft, diesen Satz zuende zu schreiben.
 

Kassel – Mit knapp zwei Wochen Verspätung hat die Universität Kassel doch noch das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten zum Gendern veröffentlicht. Die Arbeit des Kölner Rechtswissenschaftsprofessors Michael Sachs soll die Frage klären, ob Studenten eine schlechtere Note bekommen können, wenn sie beispielsweise kein Gendersternchen verwenden.

Am 8. Dezember hatte die Uni zwar eine entsprechende Mitteilung veröffentlicht, nicht aber das Gutachten selbst – mit Verweis auf das Urheberrecht des Autors. Daran hatte es deutliche Kritik gegeben, zum Beispiel vom Verein Deutsche Sprache (VDS).

Wegen des „großen öffentlichen Interesses“ veröffentlichte die Universität die 30-seitige Arbeit nun doch. Student Lukas Honemann, der die Debatte über das Gendern an der Uni im März ins Rollen gebracht hatte, feierte die Veröffentlichung als „endgültigen Sieg für die Meinungsfreiheit“. Für den Chef des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) steht durch das Gutachten fest: „Niemand darf zu politisch motivierten Gendersternchen gezwungen werden.“

Sein Fall hatte für Aufsehen gesorgt: Weil der 21-Jährige in einer Studienarbeit das generische Maskulinum verwendet hatte, bekam er in einer Teilaufgabe einen Punkt abgezogen. Durch das Gutachten fühlte sich die Universität in „früheren Einschätzungen“ bestätigt, wie sie am 8. Dezember kommentierte.

Andere konnten sich kein eigenes Urteil bilden, da das Gutachten nicht veröffentlicht wurde. Auf unsere Frage, warum er jetzt doch einer Veröffentlichung zugestimmt hat, antwortete Gutachter Sachs, dass ihm „die unentwegten Nachfragen zu lästig waren“.

In seiner Arbeit kommt der Rechtswissenschaftler zwar zu dem Schluss, dass Hochschuldozenten den Gebrauch geschlechtergerechter Sprache in Prüfungen unter bestimmten Voraussetzungen vorschreiben können. Sachs erkennt aber keine „allgemein anerkannte Notwendigkeit“, Gendersternchen und Co. zu verwenden: „Die Bewertung ihrer (Nicht-)Berücksichtigung bei der Prüfung scheidet unter dem Aspekt der Einhaltung allgemeiner Grundvoraussetzungen für Prüfungsleistungen aus.“

Für den VDS-Vorsitzenden Walter Krämer ist die Arbeit „ein abwägendes und klares Gutachten“. Der HNA sagte der Dortmunder Statistik-Professor: „Das Gutachten bestätigt, dass Gendern maximal nur dort eingesetzt werden sollte, wo ein geeigneter fachlicher Hntergrund vorliegt. Die Universität Kassel hat keinen Freifahrtschein, um ihren Studenten das Gendern vorzuschreiben.“

Gutachter Sachs wollte die Reaktionen nicht kommentieren: „Die Interpretation meines Gutachtens überlasse ich den Lesern.“ (Matthias Lohr)

 

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