Lutherisches Christentum beruht auf der Freiheit eines
Christenmenschen, auf der Gewissensfreiheit, auf der Zwei-Reiche-Lehre,
auf der demokratische Struktur der Kirche, die nicht vom Apparat,
sondern von den Gemeinden her aufgebaut ist. Grundlegend für den Glauben
ist das Evangelium. Im Johannesevangelium stellt Christus klar. „Mein
Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Nicht weniger eindeutig
lautet die Regel: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was
Gottes ist“ (Mt 22,21). Natürlich muss Kirche in dieser Welt wirken,
doch vor allem mit der Perspektive auf das „Reich … nicht von dieser
Welt“.
All dem erteilt die EKBO und ihr Bischof Markus Dröge eine
Absage mit der Handreichung zur Wahl der Gemeindeältesten und erklärt
die Kirche Christi de facto zum politischen Verein mit quasi religiöser
Rhetorik, wenn in der Handreichung dazu aufgerufen wird, die politische
Gesinnung der Kandidaten für die Wahl der Gemeindeältesten zu
überprüfen. Die Sprache der Handreichung erinnert an finstere Zeiten,
wenn sich die Handreichung bspw. Gedanken um „Probleme mit der
Nachweisbarkeit und Dokumentierbarkeit“ macht und dazu auffordert: „Alle
Umstände, die für und gegen die Befähigung sprechen könnten, sind gut
zu dokumentieren.“ Der Konjunktiv von „können“ öffnet den Raum bis hin
zur Bespitzelung, weil er insinuiert, auch den kleinsten und
nebensächlichsten Aktivitäten des Kandidaten nachzugehen, denn es
„könnte“ ja alles wichtig sein. So wird der Kandidat zur Wahl zum
Gemeindeältesten zur Zielperson innerkirchlicher Ausspähung.
Angeregt wird eine „Einzelfallprüfung“. In Zweifelsfällen an der
politischen Rechtgläubigkeit der Kandidaten soll der Pfarrer
Heinz-Joachim Lehmann von der dubiosen Studienstelle für „Demokratische
Kultur und Kirche im ländlichen Raum“ der Evangelischen Akademie zu
Berlin, die m.E. kaum noch als evangelisch, noch als Akademie anzusehen
ist, eingeschaltet werden: „Der Beauftragte prüft die Angelegenheit.“
Mit welchem Recht prüft ein Pfarrer Lehmann die Befähigung der
Kandidaten zur Arbeit als Gemeindeältester? Erfolgt die Prüfung nicht
durch jeden Christen der Gemeinde und durch den Akt der Wahl?
Weder besitzt die EKBO das Recht, einen Pfarrer zur Überprüfung der
politischen Ansichten eines Christen einzusetzen, noch hat der
„Beauftragte“ die Legitimation diesem „Auftrag“ nachzukommen. Schon
Martin Luther warnte: „Weder der Papst noch ein Bischof noch sonst
irgendwer hat das Recht, über einen Christenmenschen auch nur eine
einzige Silbe zu erlassen, außer mit dessen Zustimmung.“
Für ein Amt in der Gemeinde befähigen allein der christlichen Glauben
und das Vertrauen der Gemeinde. Die Gemeinde besitzt das Recht, ihre
Ältesten frei und ohne Überprüfung und ohne Repressalien zu wählen.
Liest man die Handreichung, so stellt sich die Frage, ob die EKBO die
Gemeinden entmachten und die innerkirchliche Demokratie einschränken
will? Es stellt sich weiterhin die Frage: Welch hohes Maß an Misstrauen
bringt eigentlich Bischof Dröge, bringt die EKBO den Christen in den
Gemeinden, denjenigen, die doch eigentlich ihre christlichen Brüder sein
sollten, mit dieser Händebindung entgegen? Was berechtigt denn die
Funktionäre des Kirchenapparates eine so geringe, eine so herablassende
Meinung von ihren christlichen Brüdern, die im täglichen Leben stehen,
über Erfahrungen verfügen, ihren Alltag meistern und ihrer teils hohen
Verantwortung gerecht werden, zu hegen, als bedürften sie der Anleitung,
wen sie als Gemeindeälteste zu wählen haben. Als hätte Martin Luther
Markus Dröge und seinen Apparat vorausgesehen, schrieb er: „Das wollen
wir so klar machen, dass man’s mit Händen greifen solle, auf dass unsere
Junker, die Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn
sie die Menschen mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, so oder
so zu glauben.“
Jeder Christ kennt seine Verantwortung vor Gott. Er wird gemäß dieser
Verantwortung, diejenigen zu Gemeindeältesten wählen, die er aus
eigener Anschauung, aus Lebenserfahrung, aus seinem Glauben heraus für
befähigt hält. Und er kennt diejenigen, die sich zur Wahl stellen besser
als ein Bischof Dröge oder ein Inquisitionsbeauftragter, der die
politische Gesinnung kontrollieren will.
Es ist schon ein Elend und sagt viel über die Zustände in unserer Kirche
aus, dass wieder daran erinnert werden muss, dass es in der Kirche
nicht um die Gesinnung, sondern um den Glauben geht. Es wäre vermutlich
hilfreich, wenn man im Apparat der Kirche mal wieder die Schriften
Martin Luthers zur Hand nehmen würde, denn man könnte sich mit ihm daran
erinnern, was die Kirche ausmacht: „So ist die ganze christliche Kirche
heilig, nicht in sich selbst, noch durch ihr eigen Werk, sondern in
Christus und durch Christus.“
Selbst, wenn man sich auf die Argumentation einlässt, was obsolet
ist, weil sie nicht christlich ist, erstaunt es schon, dass man sich auf
die Extremismusklausel beruft, gleichzeitig sie einseitig auslegt,
indem man den Blick auf den Linksextremismus verweigert.
Liest man diese Handreichung des Misstrauens stellt sich die Frage,
ob die Kirchenleitung sich eine lebendige Kirche oder eine ideologische
Klippschule wünscht? Letzteres würde der Kirche großen Schaden zufügen,
wofür allein die Kirchenleitung verantwortlich wäre: „Denn wie streng
sie gebieten und wie sehr sie loben, so können sie die Leute nicht
weiter nötigen, als dass sie ihnen mit dem Mund und mit der Hand folgen;
das Herz können sie ja nicht zwingen, und wenn sie sich zerreißen
sollten.“
Wenn die Leitung der EKBO auf dem verderblichen Weg des Ersetzens des
Glaubens durch Gesinnung weiter fortschreitet, weiter in der Art der
Schismatiker die Kirche spaltet, so werden die Folgen auf sie
zurückfallen. Noch ist es Zeit, umzukehren, aber auch diese Zeit
vergeht. Weder Martin Luther, noch Dietrich Bonhoeffer, auf den man sich
so gern und so fälschlich beruft, stehen hierin auf Seiten der
Kirchenleitung – und das Evangelium auch nicht. Klaus-Rüdiger Mai
Herr, vergib diesen Widerlingen, sie wissen ja gar nicht, was sie tun. Wir sind kein freimütiges
Volk. Jetzt muss man in 100 Jahren zum 4. Mal in Deutschland einen Karriereknick
fürchten, wenn man aufrichtig ist. 1. bei den Nazis, 2. in der DDR, 3.
während der Berufsverbotshysterie in den 70-ern, als - statt es Kollegen
und Elternvorständen zu überlassen, wie in Dänemark - die
Gesinnungsüberwachung unbedingt verrechtlicht und verstaatlicht werden
musste und 4. jetzt im Fadenkreuz der Antifa. Und 5. während der
Weimarer Republik, als die Lager in Straßenkämpfen aufeinander
losgingen. Das Lied "Die Gedanken sind frei" entstand Ende des 18.
Jahrhunderts.
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