Nach dem Massaker von Christchurch in Neuseeland beginnt im fernen
Deutschland die Maschinerie der Schuldzuweisungen zu arbeiten. Es geht
darum, aus dem feigen Anschlag eines uns allen unbekannten, tausende
Kilometer fernen, bisher gleichgültigen Menschen eine Affäre zu machen,
die „uns alle betrifft“.
„Die Tat von Christchurch“, schreibt etwa Andreas Ross in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,
„ist kein Verbrechen in einem fernen Land, das nichts mit uns zu tun
hat: In allen westlichen Gesellschaften gedeiht die Islamfeindlichkeit.
Das hat auch viel mit Stimmungsmache von Politikern zu tun.“ Kurz
gesagt: Schuld ist nicht ein einzelner, offenbar psychisch gestörter
Mensch, sondern der Westen an sich, seine überall gedeihende
„Islamfeindlichkeit“. So weit der übliche masochistische Reflex, den wir
zur Genüge kennen. Gefährlicher wird es in einem Land, in dem – wie
heute in Deutschland – die politische Denunziation eine neue Blütezeit
erlebt.
Ross beginnt auch gleich Namen zu nennen, die in Zusammenhang mit dem
Massaker genannt werden müssen, allen voran natürlich Donald Trump,
nicht unbedingt als dafür Verantwortlicher, doch als jemand, der „einen
gefährlichen Diskurs legimitiert“, dann folgen weitere, und in Tagen, in
denen wieder Schwarze Listen angelegt werden, in denen sich Menschen
dafür entschuldigen müssen, weil sie an einer privaten Geburtstagsfeier teilgenommen
haben, auf denen auch ein Rechtsradikaler gesehen wurde, in denen das
Wort „rechts“ zunehmend inflationär in Gebrauch ist und das
Stigmatisieren von Unbotmäßigen, Unkorrekten erneut zu einem verbissenen
Gesellschaftsspiel wird, in solchen Tagen ist das Nennen von Namen
nicht mehr so harmlos, wie es tut. Und auch nicht mehr so harmlos
gemeint.
Trotz der wohltemperierten Sprache, die sich Andreas Ross in der Frankfurter Allgemeinen auferlegt,
lässt sich der Eindruck nicht vermeiden: Solche Artikel dienen der
Einschüchterung. Man setzt auf die Angst davor, auf die Schwarze Liste
zu geraten, für „rechtsradikal“ erklärt zu werden, für „islamophob“ oder
„rassistisch“. Solche Zuschreibungen können Folgen haben, spürbare
Nachteile in Beruf und Existenz, in unserer gesellschaftlichen Situation
und – wie sich neuerdings zeigt – auch in der privaten.
Der Reflex wird durch ständiges Wiederholen andressiert. Ich habe
deshalb beschlossen, mich lieber der endgültigen Anschwärzung meines
Namens auszusetzen als der unwürdigen Unterwerfung. Auch nach dem
Massaker von Christchurch werde ich den Islam kritisieren, denn das eine
hat mit dem anderen nichts zu tun. Dort ein stupider Gewaltakt, wie er
dümmer und abstoßender nicht vorstellbar ist, hier eine intellektuelle
Auseinandersetzung mit einer Weltanschauung, ihrem Schrifttum, ihrem
nach meinem Gefühl vorsintflutlichen Frauenbild, ihrer gefährlichen
Verquickung von religiöser Botschaft und Gewalt. Mich damit kritisch und
öffentlich auseinanderzusetzen, meine Gedanken darüber zu äußern, ist
mein verbrieftes Recht als denkender Mensch in einem westlichen Land,
das ich mir von niemandem nehmen lasse, weder von einem Massenmörder in
Neuseeland noch von einer deutschen Zeitung. Chaim Noll
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