Zu Unrecht wird der heutige linke Mainstream als „postmodern“ bezeichnet. Ungerecht ist es der Philosophie der Postmoderne gegenüber. Denn die infantile Schuldmetaphysik der Linken von Anti-imps über Antideutsche bis hin zu intersektionellen Sekten hat nichts, aber auch gar nichts, mit einer Kritik des modernen Denkens zu tun.
Es gibt unzählige Annäherungen an die Postmoderne und Definitionsversuche dazu. Unlängst schoben sie sich, wie Lichtmesz zu berichten weiß, Libertäre und Neocons gegenseitig als schwarzen Peter zu. Auch kämpferische Neoliberale und antideutsche Ideologiekritiker scheinen sich jüngst in „fortschrittlicher“ Eintracht gegen „Identitäre von links und rechts“ zu verbünden.
Tatsächlich haben die kulturmarxistischen „Identity politics“ wenig bis gar nichts mit einer konservativen Identitätspolitik zu tun. Ebensowenig hat die neue Linke die philosophische Herausforderung der Postmoderne jemals ernst genommen. Was ist überhaupt diese ominöse „Postmoderne“? Auch ich will hier einen Annäherungsversuch aus identitärer Sicht unternehmen.
Ich verstehe die Postmoderne als eine Epoche der Destabilisierung, Verflüssigung und des radikalen Zweifels. Zweifel woran? Die Postmoderne richtet sich in der Tradition der Aufklärung gegen diese selbst. Sie bezweifelt die autonome Stellung des Subjekts, die Dominanz des Bewußtseins und des rationalen Denkens, die Hegemonie einer szientistischen Welterklärung, das Bestehen einer einheitlichen Metaerzählung und damit einer konvergenten linearen Weltgeschichte.
Kurz gesagt: die Postmoderne ist antiuniversalistisch. Sie kritisiert die Annahme eines akulturellen überzeitlichen „Sprechorts“, also einer außenstehenden Position, von der aus eine umfassende Kritik und Definition erst möglich wäre.
Alle Kehrtwenden, vom lingustischen über den narrativen bis hin zum kulturellen „turn“ sind Abwendungen von der Idee eines abstrakten Bewußtseins, das sich durch ebenso abstrakte Denkakte seiner Existenz vergewissert, und darauf ein „reines“ Denken aufbaut. Die Geschichtlichkeit, Kulturalität und damit „Ethnizität“ allen Denkens wird wiederentdeckt.
Die Postmoderne steht damit in der Tradition der deutschen Romantik und ihrer Aufklärungskritik - sowie im Gefolge von Kierkegaard, Schopenhauer, Nietzsche, der deutschen Weltanschauungsphilosophie, französischen Lebensphilosophie und letztlich aller kontinentalen Denkströmungen, die sich gegen den „Imperialismus der Vernunft“ richteten.
Die postmoderne Philosophie bringt die Frage nach Körperlichkeit, Sprache, Emotion, Herkunft und Geschichte wieder ins Spiel, indem sie nicht nur über sie nachdenkt, sondern ihre unhintergehbare Prägung des Denkens nachvollzieht. Sie wird in vielen Bereichen performativ und treibt die Methodenkritik auf die Spitze - und darüber hinaus.
Denn sie steht selbst in ein einer spezifischen Grundstimmung und denkt im Schatten eines Schocks. Das Scheitern der optimistischen, kraftmeierischen Fortschrittserzählungen der Moderne sitzt ihr in den Knochen. Ihre Grundstimmung ist ein Mix aus Langeweile, kleinlicher Zerstörungslust und Zynismus.
Die epochale Aufbruchsstimmung der Manifestphilosophie von Marx bis zu den Jünger-Brüdern können wir gar nicht mehr nachvollziehen. Daß sie von einem ähnlichen Menschen-, Welt- und Wahrheitsbild ausgingen, also eine Ontologie der Machbarkeit und des neuzeitlichen Subjektivismus teilten, gerät heute oft in Vergessenheit. War die Postmoderne eine „identitäre, neurechte Wende“?
Nur dann, wenn man neurechtes Denken als bloßen Tribalismus oder antiaufklärerischen Vektor versteht. Natürlich gibt es im Lager der Ethnopluralisten veritable Postmoderne (meiner Ansicht nach etwa Henning Eichberg, der diesen Begriff prägte). Doch die notwendige Kritik an der klassischen Aufklärung, der Bewußtseinsphilosophie und ihrer politischen Theorien kann nicht in Relativismus und Tribalisierung des Denkens stehen bleiben.
Auch in der konservativen Denkströmung der Zwischenkriegsjahre, die sich unter anderem gegen den Neukantianismus richtete, bleibt von Dilthey über Husserl, Scheler, Jaspers und Spengler, bis hin zu Heidegger das Bemühen um Wissenschaftlichkeit und Wahrheit bestehen. Der Letztgenannte richtet sich selbst scharf gegen die französischen Denkmoden, die aus seinem frühen Denken nur das Kritische, aus seinem späten Denken nur das Mystische entnahmen.
Doch die Frage nach der Postmodernität der Neuen Rechten ist zu umfangreich, um sie hier zu stellen. Die Frage danach, wie es der linke Mainstream mit der Postmoderne hält, ist hingegen leicht zu beantworten. Sie sind Heuchler, Betrüger und Fake-Postmoderne, die sich in Wahrheit in eine neue „große Erzählung“ geflüchtet haben, deren Primitivität ihresgleichen sucht.
Während Roland Barthes den „Tod des Autors“ verkündet und Denker wie Foucault das Augenmerk weg von festen Objekten auf Strukturen und Dynamiken lenkten, sind die neuen Linken verzweifelt auf der Suche nach einem benennbaren Urheber aller Umstände.
Während Lyotard das „Ende der Großen Erzählungen“ verkündet, wartet die kulturmarxistische Denkelite mit einem universalen Schuldnarrativ auf, das wie ein heiliger Fixstern den Kosmos der Sozialwissenschaften ordnet und stabilisiert. Anders als im klassischen Marxismus geht es nicht mehr darum, ein revolutionäres Subjekt auszumachen, das von der Geschichte befähigt und ermächtigt ist, die Verhältnisse umzustürzen.
Das neue linke Denken tastet unbewußt im postmodernen Nebel nach dem einzig Greifbaren: dem schuldigen Spalter! Er verhindert durch seine nackte Existenz wie ein epochaler Pfropfen den Ausbruch der befreiten Gesellschaft. Ihre simple Weltformel liest sich in etwa wie folgt: Die ganze Weltgeschichte ist eine Abfolge von Unterdrückungen und falschen Verblendungen durch Religionen, Kulturen, Sprache und Staaten.
Deren Grundübel ist am Ende ihr Pluralismus, der die ursprünglich, egalitäre und friedliche Menschheit „sinnlos gegeneinander aufhetzt“. Sie „spalten“, das was logisch zusammengehört mit einem „falschen Bewußtsein." Ihre Vertreter schüren dieses „populistische“ Falschbewußtsein, weil sie verblendet oder bösartig sind.
Der Urspalter ist niemand geringerer als Hitler, der als Achse der Weltgeschichte fungiert. Dieser deus malignus ist die Essenz der Exkursion, des Krieges, des Leidens und der Gemeinheit. Alles „Böse“ in der Geschichte, von Platos Staat über Fichtes Nationalismus bis hin zu Pipi Langstrumpfs „Rassismus“ waren Hinleitungen und Vorformen zu ihm.
Alles „Böse“ nach ihm, von Sarrazin über Höcke bis hin zu Pepe dem Frosch sind Emanationen dieses dunklen Lords des Bösen. Seine Repräsentanten auf der Erde sind die heterosexuellen weißen Männer, die dämonischen „masters of the universe“, die täglich neu alle repressiven Strukturen und diskriminierenden Milieus perpetuieren.
Alle anderen sind immer und ausnahmslos Opfer dieser Umstände und Getriebene im neoliberal-kapitalfaschistischen Hauen und Stechen, das der weiße Mann orchestriert. Die einzige ethisch richtige Tat und die neue revolutionäre Mission in diesem Narrativ der Schuldmetapyhsik ist es, diese Urheber des Bösen zu entlarven und auszuschalten.
Ähnlich wie im Vernichtungsantisemitismus des NS entsteht ein Vernichtungsantifaschismus, der seine Erlösung darin sucht, den unsichtbaren und dadurch omnipräsenten Nazi ausfindig und unschädlich zu machen. Gerade, weil sich keiner mehr offen zum Faschismus und NS bekennt, vermutet der fanatische Antifaschist eine Gestalt zwischen Savonarola, Robespierre und Berija.
Der falsche Schein des Populismus, Konservativismus und Liberalismus sind nur Abschattungen des metaphysischen Hitlers. Von Mordanschlägen auf die Populisten (Magnitz) bishin zur feierlich verkündeten Souveränitätsaufgabe („No borders"), und dem ersehnten Ethnozid („Deutschland verrecke“), folgt alles politische Handeln der neuen Linken dieser völkischen Schuldmetaphysik.
Alles hat seinen festen Platz, im stabilen, ganz und gar nicht postmodernen linken Weltbild. Alles ist erklär- und reduzierbar. Alles was schief läuft, von Ertrunkenen im Mittelmeer über Dürreperioden in Angola, dem eigenen Scheitern in der „lookistischen" Datingkultur und dem „kapitalistischen“ Berufsleben, kann der Struktur des Bösen und ihrem esoterisch-hitleristischem Demiurgen zugeschrieben werden.
Weil alles so klar und fraglos ist und die hartnäckige Bosheit des Feindes so offensichtlich, darf man sich auch wieder etwas Pathos, Gewalt und Haß erlauben, richtet der sich doch gegen den essentiellen Haß selbst.
Daß alles „kackscheisze“ und die Welt noch kein befreites, kommunistisches Paradies und man selbst eine Elendsgestalt ist - an allem muß irgendwas schuld sein.
„Warum sollten wir Millionen Fremde in unser Sozialsysteme einwandern lassen?“
„Sie flüchten vor den Bomben, die wir exportieren. Es ist unsere Schuld.“
„Die Migranten, die hier her kommen, sind keine Flüchtlinge. Sie sind Wirtschaftsmigranten.“
„Sie fliehen vor Armut und Hunger, weil wir sie ausbeuten.“
„Wir beuten gar niemanden aus - daß Afrika wirtschaftlich unterentwickelt ist, ist nicht unsere Schuld.“
„Aber wir sind schuld daran, daß wir Ihnen nicht helfen. Wenn wir es nicht schaffen. in ihren Ländern Bedingungen herzustellen, die lebenswert sind, brauchen wir uns nicht beschweren, wenn sie kommen. Außerdem fliehen sie vor dem Klimawandel und der ist auch unsere Schuld.“
„Die Migranten hier passen sich nicht an unsere Wertvorstellungen an.“
„Ja, weil wir zuwenig Willkommenskultur haben und zuwenig Geld in die Integration stecken. Was sind überhaupt diese Werte? Gerade wir als Deutsche sollen hier lieber still sein.“
„Überproportional viele Migranten hier belästigen Frauen und sind anderweitig kriminell.“
„Erstens ist das falsch, weil Deutsche das auch tun, und selbst wenn es so wäre - ja, warum glaubst du denn, dass sie so sind? Weil sie keine anderen Perspektiven haben und durch die Chancenlosigkeit in unserer Gesellschaft da hineingedrängt werden. Ihre Gewalt ist unser Versagen. Außerdem sind sie vom Kolonialismus und den Kriegen, an denen wir schuld sind, traumatisiert."
„Die Islamisierung bedroht unsere Gesellschaft, wir haben uns Terror importiert.“
„Wir haben uns gar nichts importiert. Diese jungen Leute sind unsere Jugend, junge Europäer mit Migrationshintergrund, die wir durch Ausschlußerfahrungen in die Radikalität gedrängt haben. Wir sind schuld und haben unsere Terroristen selbst erschaffen.“
Diese Liste ist beliebig weiterzuführen. An jedem Mißstand sind wir durch unser Tun oder Unterlassen schuld. Schuld ist nur der nicht, der sich zu dieser Schuld und seinem „Privileg“ bekennt und die Wurzel der Schuld, den weißen westlichen Übervater, also Hitler und seine Vasallen, bekämpft.
Die Schuldfrage hat die Gottesfrage und die Seinsfrage abgelöst. Der Erzspalter und seine repressive Diskriminierungsstruktur stehen in dieser Schuldscholastik gleichsam für summum esse und summum essentia, die Allgemeinheit des Seienden und des am höchsten Seienden. In den Elfenbeintürmen der neulinken Unis bricht ein neues Mittelalter an, dem jede Wahrheit und Schönheit abgeht.
Wie damals neue Essenzen, werden nun ständig neue Identitäten und Geschlechter „entdeckt“, deren Sein sich am Ende aus der unbezweifelbaren und gesetzlich dogmatisierten Schuldontologie ableitet. Die Vertreter dieses Kultes rasieren sich das Haupthaar und ernähren sich karg. Sie tragen seltsame Gewänder, geben sich neue Pronomen und wispern in einer sakralen Sprache, die kein Uneingeweihter mehr versteht.
Zornig fordern sie von der Gesellschaft ihren Respekt (und den Steuerzehent) ein und erwarten, dass sich die weltlichen Herrscher vor ihren neuen PC-Sprachregeln und Diversityquoten in den Staub werfen. Als „Experten“ klären sie das einfache Volk über seine Schuld auf und genießen ihre Rolle als Staatskult in vollen Zügen. In alle Betriebe und Amtsstuben schwärmen ihre Diversityoffiziere aus.
Kein Politiker kommt umhin, ihren Siegelring zu küssen und auf die „bunte, offene Gesellschaft“ zu schwören. Sie singen das Hohelied der Vielfalt mit Vorliebe vor Kindern, deren unschuldige Seelen noch nicht von den bösen Strukturen deformiert sind. Heilige Kinderpropheten wie Greta Thunberg oder Märtyrer der offenen Grenzen wie Aylan Kurdi werden kultisch verehrt, denn das Ende ist nahe.
Trotz all dieser Pracht ist die ganze Welt gegen sie. Ihre Ideen sind großartig, aber die Zeit ist noch nicht reif. Deutschland ist scheiße und das System ist gegen sie, denn die Welt ist in den Händen des bösen Demiurgen. Das macht sie, obwohl alle relevanten metapolitischen, medialen, digitalen und finanziellen Machtmittel in ihren Händen liegen, immer noch zu „mutigen Rebellen“ gegen den metaphysischen „man in the high castle“ und seiner dunklen Weltherrschaft.
Die tonangebende Linke ist nicht postmodern. Erst recht hat sie mit den geistigen Gipfeln des aufklärerischen Denkens, mit Voltaire, Kant, Hegel und Schelling, nichts zu tun. Sogar der philosophische Hügel der marxistischen Politphilosophie liegt weit hinter ihr.
Die Linke ist zu einer gnostischen Schuldsekte geworden, die in hypermoralischer Dauerempörung einen chiliastischen Endkampf gegen den imaginären Todfeind führt. Dabei zertrampelt sie die Grundbestände der Demokratie, der Republik, der ethnokulturellen Identität und des Rechtsstaats.
Sie hat keinerlei Impulskraft mehr und hat sich, wie der sozialistische Verleger Hannes Hofbauer richtig feststellt, mit dem Status quo abgefunden.
Nach ihrer kompletten Niederlage in der wirtschaftlichen Arena darf die Linke nun die dominante gesellschaftliche Doktrin definieren, die auf den Konzepten Multikulturalismus, Sorge um Minderheiten und Antirassimus basiert. (Hannes Hofbauer, Kritik der Migration, S. 235 – ein ganz ausgezeichnetes Buch, sollte man hier bestellen!)
Die Schuldmetaphysik der Linken wird todeslangweilig, wenn man sie erst einmal durchschaut hat. Jeder Text ist vorhersehbar, jede emotionale Überreaktion berechen- und triggerbar. Die Prominenten dieses Denkens sind in der Regel traurige, verstörte und unglückliche Existenzen.
Sie brauchen wohl keinen weiteren „Butler-Lektürekurs“, sondern eine Psychotheraphie.
Solange sie sich ihres Ethnomasochismus und metaphysischen Schuldkults nicht bewußt wird, ist die neue Linke philosophisch nicht ernstzunehmen.
Sie war nicht mutig genug, sich der Frage nach Sinn und Wahrheit, die postmoderne Denker neu aufwarfen, ernsthaft zu stellen. Stattdessen flüchtet sie sich in eine neue „große Erzählung“, die sie mit tyrannischer Moral gegen jede Kritik immunisiert.
Die neue Linke entehrt, indem sie diese Moral über die Wahrheit stellt, jeden ehrlichen Denker auf den sie sich beruft. Man muß sogar die Postmoderne vor ihr in Schutz nehmen. Martin Sellner
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