Die Verurteilung Harvey Weinsteins kam nicht nur ohne einen einzigen
tatsächlichen oder wenigstens gefälschten Beweis aus, sondern setzte
sich zudem über viele Gegenbeweise seiner Schuld hinweg, als ob sie
nicht existierten oder schlimmer gar, wendete diese gegen Weinstein.
Mit der Behauptung der Staatsanwältin „Inconsistencies…that is the
hallmark of truth“ wurden die Zeuginnen der Anklage von jedem Anspruch
an Plausibilität in ihren Schilderungen befreit. Als Kehrseite der
Dämonisierung von Weinsteins Körper und Macht drängte die Anklage die
Zeuginnen dahin, sich selbst in Hinblick auf ihr Verhalten in den
langjährigen Beziehungen mit Weinstein im Zeugenstand zu erniedrigen: zu
„Ameisen“, die der „Herr des Universums“ jeder Zeit hätte „ohne
Konsequenzen zertreten“ können, zu „willenlosen“ Puppen oder naiven
Fischen, die von den unsichtbaren Fäden oder „Ködern“ Weinsteins
„manipuliert“ wurden.
Die Staatsanwaltschaft bezeichnete den Angeklagten während des
Prozesses nicht nur als „Monster“, sie ersetzte die kaum behauptete
Gewalttätigkeit Weinsteins durch das Verführerische seiner Stellung in
Hollywood und nahm die „Opfer“ fürs eigene Karrierestreben zugleich aus
jeder Selbstverantwortung, indem sie Weinsteins Einfluss in Hollywood
wörtlich zum „Lebkuchenhaus“ erklärte – und damit Weinstein zur Hexe und
seine „Opfer“ zu Hänsel und Gretel, als deren Supporter die
Geschworenen den Angeklagten (um im Bild zu bleiben) endlich in den Ofen
zu schieben hätten.
Es war kein reiner Aussage-gegen-Aussage-Prozess.
Es gab aus der
damaligen Echtzeit von den heutigen Aussagen unabhängiges überliefertes
Material. Nur sprach es in Gänze evident gegen die Zeuginnen und für
Weinstein. Wie aber konnten hunderte liebevolle Textnachrichten der
„Opfer“ an Weinstein, ebensolche Äußerungen über den einstigen Gönner
und Förderer gegenüber Dritten, im Terminkalender mit Herzen und Blumen
verzierte Eintragungen zu Treffen mit Weinstein und als einvernehmlich
eingestandene Sexualakte unmittelbar nach den behaupteten Untaten
geradezu zu Beweisen seiner Schuld mutieren?
Ganz einfach, weil Weinstein über teilweise 3.000 Kilometer räumliche
Entfernung hinweg in dem Sinne die Finger seiner „Opfer“ beim Tippen
von Nachrichten dirigierte und dafür sorgte, dass sie proaktiv seine
Nähe suchten, als er mittels schwarzer Magie bei ihnen jenes
Stockholm-Syndrom (die emotionale Bindung der Geisel an den
Geiselnehmer) auslöste und aufrechterhielt, das Mimi Haleyi, für deren
Aussage Weinstein 2 Jahrzehnte Gefängnis drohen, erst 9 Jahre nach dem
Beziehungsende und dank MeToo überwinden konnte…
Was sind das für Zeiten, in denen eine solche Fiktion als über jeden Zweifel erhaben gilt.
Die surreale Prozessführung gegen Weinstein samt dessen Verurteilung
wird in Deutschland ignoriert, durchgewunken oder gar als Triumph der
Frauen(bewegung) beziehungsweise der Opfer sexuellen Missbrauchs
gefeiert. Wer es dennoch – recht vereinzelt – wagte und wagt, Weinsteins
Recht auf einen fairen Prozess zu verteidigen, wer sich weigerte und
weigert, 30jährige Frauen der 1990er und 2000er wie unmündige Kinder zu
behandeln, gilt gleichsam als Sympathisant eines Serienvergewaltigers
und/oder Frauenhasser.
Nicht einer der hierzulande zahlreichen Antisemitismusbeauftragten
oder Antisemitismusforscher findet es wenigstens irgendwie seltsam, wenn
ein Jude erst weltweit zum Sündenbock für alles, was im Verhältnis der
Geschlechter schief läuft, gemacht und dann in Folge einer medialen
Hexenjagd auch noch juristisch verurteilt wird.
Auch zur Frage, was nicht erst die Verurteilung, sondern schon die
Anklageerhebung (bei dieser dürftigen Beweislage) – die sich
durchsetzende MeToo-Bewegung insgesamt – für die (Selbst-)Wahrnehmung
von Frauen und auch die heterosexuelle Liebe bedeutet, nehmen kritische
Stellungnahmen in der deutschsprachigen Öffentlichkeit seit 2018
sukzessive ab.
Nochmal: Mann hat mit Frau vor 9 Jahren eine lockere 2jährige
Beziehung geführt, die sich in zahlreichen von der Dame
verschriftlichten Zuneigungsbekundungen bei gleichzeitiger Abwesenheit
von Beschwerden über auch nur ein Fehlverhalten dokumentiert – und hat
dennoch keine Chance, sich gegen den Vorwurf zu wehren, diese Beziehung
mit einem Sexualverbrechen initialisiert [sic] zu haben. Wenn das Schule
macht, wäre jedem Mann aufgegeben, jeden Sexualakt mit einer Frau mit
versteckter Kamera zu filmen, wobei ihm im Fall, dass er älter,
hässlicher oder wohlhabender ist als die Frau, immer noch nachgewiesen
werden kann, dass die sichtbare Einwilligung der Frau bloß Resultat von
Verhexung ist.
Als – wie zu befürchten steht – einen der letzten Einsprüche gegen
die offenkundigen gesellschaftlichen Rückschritte empfehle ich diesen von Sarah Pines fürs Archiv.
Inhaltlich ändert die Verurteilung Weinsteins an meiner auf Achgut.com am 11.02. publizierten Halbzeitanalyse des Prozesses nichts (ich habe ihr auf meiner Website lediglich ein paar Updates in Detailfragen hinzugefügt). Auch das Fazit kann stehen bleiben:
Solange das Rechtsprinzip: „Im Zweifel für den Angeklagten“ noch
gilt, ist nichts anderes denkbar als ein Freispruch in allen fünf
Anklagepunkten […]. In Zeiten von Selbstviktimisierung und des
Gesinnungsimperativs „Believe all victims“ kann allerdings auch nicht
ausgeschlossen werden, dass die Geschworenen einen Hexer hinter Gittern
sehen wollen…
Einzig meine Prognose „Von der sich abzeichnenden Blamage – dem, wenn
alles mit rechten Dingen zugeht, Freispruch Weinsteins – liest man in
deutschen Mainstreammedien indes so wenig wie davon, dass es eine
Blamage mit Ansage gewesen sein wird. […] Das Realitätsprinzip könnte
die Journaille also zeitnah eiskalt erwischen“ scheint sich nun
ihrerseits an der (scheinbar selben) Realität blamiert zu haben, die
mich kalt erwischt.
In dem Fall sind Wahrscheinlichkeit und Wirklichkeitsbezug allerdings
eine Frage des Standortes. Während ich in Deutschland mit meiner
„Medienschelte“ dumm dastehe, kam die Verurteilung im pluralistischen
Amerika für viele Beobachter durchaus überraschend.
Beispielsweise erschien noch am 20. Februar in der progressiv-linksliberalen (!) Wochenzeitschrift The Nation ein Artikel der
Autorin JoAnn Wypijewski, der die Stimmung unter den Zuschauern nach
der Verhandlung reflektierte und einen Freispruch (oder eine „hung
jury“, die den Prozess zum Platzen gebracht hätte) nicht nur für sehr
wahrscheinlich, sondern – gemessen an dem, was vor Gericht präsentiert
wurde – auch für vernünftig hielt.
Dass das Jury-Urteil in keinem rationalen, nüchternen, realistischen
Bezug zu den „evidences“ steht, davon könnten sich Interessierte selbst
ein Bild machen. Zu jedem Prozesstag hat der Podcast The Harvey Weinstein Trial Unfiltered eine ausführliche Sendung veröffentlicht.
Ich danke Sandra Taubert für wichtige Hinweise. Thomas Maul
Entscheidend ist das Wörtlein "überzeugend", wenn befangene Richterinnen unterwegs sind.
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