Stationen

Mittwoch, 4. März 2020

Allendes Wiedergänger


Ramelow versteift sich auf seine Rolle als Vertreter des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" und stempelt diejenigen zu pedantischen Nörglern ab, die ihm vorhalten, er weigere sich, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Mit hemmungsloser Unverfrorenheit verspottet er sie und macht sich über ihre rückwärtsgewandte Unnachgiebigkeit lustig, indem er deren Vorhaltungen als terminologische Haarspaltereien abtut.
Es geht hier aber nicht um Etiketten, Parolen, Slogans oder begriffliche Spitzfindigkeiten, sondern darum, dass die SED, auch unter ihrem neuen Namen, immer noch die Diktatur anstrebt (wenn auch auf demokratischem Weg; sozusagen auf dem von Hitler und Salvador Allende beschrittenen und vorgezeigten Weg). Dass vor allem die Aufrechterhaltung des sozialistischen Anspruchs unvermeidlicherweise grausame Unterdrückungsstaaten hervorbringt, wird bei dieser Verführungsargumentation ausgeblendet.

Allende, der altmodisch genug war, um seine Ehre durch ein Duell zu verteidigen, respektierte wenigstens seine politischen Gegner. Wenn Höcke tatsächlich ein Nazi wäre, wie verlogenerweise von Ramelow, Merkel, Roth, Miosga, Will, Illner, Maischberger, Reschke, Slomka, Goering-Eckart, Kippling, Käßmann, von der Leine, Dreyer, Özuguz, Knobloch, Baer(bock), Schulze, Nahles, Geuter etc. pp. sowie Gniffke, Restle, Frey, wenn nicht explizit behauptet, so jedenfalls durch Anspielungen tagtäglich implizit suggeriert wird, so wäre er jedenfalls ein Nationalsozialist mit menschlichem Antlitz und gewiss mit menschlicherem als Herr Ramelow. Er ist aber kein Nazi, sondern ein Politiker, der die Demokratie ernst nimmt und der die Pseudodemokratizität einer anmaßenden, Politikantenkaste entlarvt und anprangert, die ihre politischen Gegner schmäht, diffamiert und ächtet, statt sich ihnen argumentativ zu stellen.

(genaueres zum Begriff "Unrechtsstaat", seiner Geschichte und zum lavierenden Gebrauch, den Ramelow davon macht, hier)

Es wäre sicherlich undemokratisch, Ramelow nicht in politische Talkshows einzuladen, bloß weil er SED-Miglied ist. Aber es ist ebenfalls undemokratisch, die NPD dort nicht zuzulassen, wenn sie Abgeordnete hat. Egal, wie unterirdisch deren Positionen auch sein mögen: wenn deren Repräsentanten im Parlament sitzen, müssen sie auch die Möglichkeit haben, ihre Ansichten im TV darzulegen; die Journalisten machen sich die Sache zu einfach, wenn sie sich die Mühe, diese Positionen zu widerlegen, sparen wollen (auch der Eifer, mit dem man in Deutschland Parteienverbote anstrebt, ist alles andere als demokratisch).
Umso undemokratischer ist Freys und Gniffkes Entscheidung, die AfD kaum und Höcke überhaupt nicht ins TV zu holen. Was für eine erbärmliche Auffassung von Demokratie und Legitimität. Es ist ein Skandal, dass in Deutschland diese Form der Unterdrückung legal ist. Lange hat die CDU gebraucht, um linke Positionen zu respektieren. Und jetzt respektiert sie rechte nicht mehr und ordnet sich den linken unter. Das ist leider, leider eine Form von deutscher, geistiger Behinderung (über die Ursachen weiß Frau Höhler bescheid).

Ich wäre sogar froh, dass die SED in die Talkshows kommt, wenn sie dort auf intelligente Gegner träfe, statt ständig von Moderatorinnen hofiert, bevorteilt und gehätschelt zu werden. Die armen Deutschen. Sie sind von sich selbst überfordert.


Neigt euch vor ihm in ewigem Gedenken! 
O sag auch du, mein Bürger, Bodo Dank.
Er kam, ein neues Leben dir zu schenken,
Als Thüringen in dunkle Zeit versank.

Er kam, aus deiner Not dich zu erretten,
Wo immer Neues wächst, gedenke sein.
Die bunten Wimpel wehen über unsren Städten
Und ihr Willkommen lädt uns herzlich ein.

Allüberall, wo wir zu denken lernen
Und wo man einen Lehrsatz streng beweist,
Dort muss man die Faschisten gleich entfernen
Deren der schlimmste Thomas Kemm’rich heißt.

Statt seiner wirst du stehn in voller Blüte
Der Apfelbäume an dem Bodensee,
Und auf dem Rennsteig wandert Bodos Güte,
Und winkt zu sich heran ein scheues Reh.

Am Wendelstein und in den Isarauen
Sind wir begegnet deinem Angesicht.
Wir sind begegnet dir im Abendblauen,
Nur Attila, den streicheln wir heut nicht.

Einst wird ganz Deutschland B.R. danken
Es leuchtet des Gewählten Angesicht.
In keinem Wahlgang gab’s für ihn ein Schwanken,
ihn, der die Worte „ich verzeih euch“ spricht.

Dort wird er sein, wo sich vor ihm die Fluten
Des Rheines teiln. Und in den Kölner Dom
Kann er sich eilig trocknen Fußes sputen
Schon tags darauf sitzt er im Tempodrom.

Er spendet in Berlin freigebig Freuden
Im Grunewald steht stolz sein Monument
In München trinkt er mit den Prantlleuten
Und da in Kiel zitiert ihn ein Student.

In Frankfurt sucht er auf die Galerie,
Und alle Bilder sich vor ihm verneigen.
Die Farbentöne leuchten schön wie nie
Und kluge Köpfe fiedeln sanft die Geigen.

Mit Marx und Engels geht er durch Stralsund,
Bei Hamburg überprüft er Journalisten,
Streng ist sein Blick. Doch sieht er keinen Grund
In Redaktionen gründlich auszumisten.

Nicht ein Prozent! Es bremst auf deinem Pfade
Kein Schreiber dich, denn jeder Gute ahnt:
Der Törichte greift sinnlos nach dem Rade
Des Fortschritts, der sich seine Wege bahnt.

Mit Lenin sitzt er abends auf der Bank,
Bernd Riexinger setzt nieder sich zu beiden.
Und eine Ziehharmonika singt Dank,
Da lächeln sie, selbst dankbar und bescheiden.

Wenn sich vor Freude rot die Wangen färben,
Dankt man dir, Bodo, und sagt nichts als: »Du!«
Ein Bürger flüstert ‚Bodo’ noch im Sterben
Und Bodos Hand drückt ihm die Augen zu.

Im Zweifelsfall und in dem Blätterrauschen
Ertönt dein Name, und es zieht dein Schritt
Ganz still dahin. Wir bleiben stehn und lauschen
Und folgen ihm und klatschen leise mit.  Wendt (frei nach Johannes R. Becher)






Klaus Kelle kommentiert

Thomas Schmid kommentiert ebenfalls 

Da müssen wir möglicherweise tatsächlich durch
Im Moment hat Rotrotgrün in den Umfragen die Mehrheit.



Besonders bei Republikflucht
Die bolschewistischen Wüstlinge haben eine gute Presse, seit sich Mathias Döpfner mit Grass aussöhnte. Wer hätte das gedacht. Wie lange muss Deutschland noch von einem Extrem ins andere fallen?

Ich traute kaum meinen Augen, als ich 2003 plötzlich einen ehemaligen Lektor des Wagenbachverlags an der Spitze der "Welt" sah.

Der letzte Satz von Grass aus dem Streitgespräch mit Mathias Döpfner aus dem Jahr 2006: „Und ich wünschte mir, Herr Döpfner, nicht nur für mich, sondern für unser Land insgesamt, dass in Ihrem machtvollen Bereich ein Umdenken beginnt, ein größeres Differenzieren und – das sage ich jetzt als Grafiker – ein Feststellen der Grauwerte zwischen Schwarz und Weiß. Raus aus dem Lagerdenken, so dass ich vielleicht in später Zukunft, ohne schamhaft erröten zu müssen, bereit sein kann, in der ‚Welt‘ einen Artikel oder ein Interview zu veröffentlichen.“

Diese Grautöne sind inzwischen nicht nur in der "Welt", sondern sogar in der "Bild" vorhanden. Aber die Schwarz-Weiß-Malerei ist dafür in der FAZ und im Bundestag Alltag geworden.

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