Stationen

Mittwoch, 8. Dezember 2021

Neues Deutschland

 

Özdemir hat recht. Wir hassen dieses Deutschland.


In einer ARD-Doku spricht der zukünftige Vizekanzler Robert Habeck über seine Verwahrlosung durch die Politik. Das wirkt zunächst sympathisch menschlich. Doch wie will ein Mann das Weltklima retten, der nicht einmal für genug Milch im Kühlschrank sorgen kann? Jordan B. Peterson wüsste Rat.

Seine schwache Stimme säuselt durch die FFP2-Maske. Eine fürchterliche Lage. Er wird seine Familie lange nicht mehr sehen, so viel Ärger bekommen. Wer tut sich so etwas eigentlich an? „Ich weiß nicht, was ich morgen mache. Ich weiß nicht, was ich Freitag mache. Ich habe vor fünf Tagen mal Klamotten gewaschen, die stehen seit fünf Tagen im Flur rum, seit zehn Tagen habe ich nicht mehr abgewaschen, der Müll ist nicht rausgebracht, die Milch ist alle. Heute Morgen habe ich Müsli mit Wasser gegessen … ohne Scheiß. Ich hatte keine Milch mehr und auch keine Hafermilch … gar nichts mehr.“

Der neue Wirtschafts- und Klimaminister klagt in einer Dokumentation der ARD sein Leid. Selbsterkenntnis eigener Überforderung? Die Vorbereitung darauf, dass er vielleicht irgendwann zurücktreten könnte („Es nicht zu tun … dann muss man auch zurücktreten und sagen ‚Ich bin draußen‘.“)? Oder doch ein bewusstes Heischen um Mitleid, im Sinne einer Zurschaustellung eigener Schwäche, eigener Fehler, eigener Menschlichkeit? Wie man es auch nimmt: Wenn man die Worte seziert, dann spricht aus Habeck kein erwachsener Politiker, der bald eines der höchsten Ämter dieses Landes bekleidet – sondern ein zweifelnder, männlicher Teenager, der auf die Therapiebank von Jordan B. Peterson gehört.

Peterson hat wie kaum ein anderer dafür gesorgt, dass das Leid der Männer der jüngeren Generation nicht nur breite Öffentlichkeit erfährt, sondern hat es auch mit seinen Büchern im wahrsten Sinne behandelt. Ein Stichwort, das seine Arbeit prägt: Ordnung. Dafür wird er von seiner Fangemeinschaft verehrt. Seine Lebensregeln mögen trivial anmuten, aber gerade deren Einfachheit, Logik und Stringenz sind überzeugend. Kurzgefasst: Wie kann jemand für die Klimarettung protestieren, wenn er es nicht einmal hinbekommt, sein persönliches Leben zu ordnen? Das Weltklima ist eine hochkomplexe, nur von wenigen Wissenschaftlern verstandene Sache, und jedwedes messianisches Sendungsbewusstsein setzt messianische Fähigkeiten voraus. Petersons Rat: Bring das in Ordnung, was in der nächsten Nähe liegt. Räum erst einmal dein Zimmer auf, bevor du deine eigenen Fehler durch die Belehrung über LGBT-Rechte kompensierst.

Die Welt ist Chaos, ist Dunkelheit. In diesem Chaos seine eigenen Fehler in die Waagschale zu werfen und andere Menschen zu belasten, mehrt das Chaos. „Deine Familie ist in einem noch größeren Durcheinander, als sie sein müsste, weil du durcheinander bist“, sagt Peterson. Mit dem Übertritt von der Jugend ins Erwachsenenalter muss der Mensch reifen, Verantwortung übernehmen, ein positiver Teil im Kampf gegen das Chaos werden; nicht, indem er die großen Weltenrettungspläne anstrebt, sondern in seinem direkten Umfeld versucht, den Alltag besser zu machen. Jede Tat mindert Ungerechtigkeit, mindert Leid, ja, mindert sogar das Sterben und damit das Böse als solches. Peterson belebt damit den eigentlichen Gedanken der Nächstenliebe wieder, der durch die gegenwärtige Fernstenliebe pervertiert wird. Niemand ist eine Fußnote des Universums. Jeder kann in seinem persönlichen Umfeld wirken. Man lernt tausend Leute im Leben kennen, und man hat die Chance, Einfluss auf sie zu nehmen.


 

Peterson arbeitet mit Archetypen. Literatur, Musik, Malerei, Religion: Unser kulturelles Erbe hat die Kämpfe längst aufgezeichnet, die vergangene Generationen gefochten haben. Eine ganze Reihe von Mythen, etwa die im alten Griechenland, zeigen die Reifung des jungen Mannes zum Helden. Dafür muss er sich Prüfungen stellen, nach deren Bestehen er seinen rechtmäßigen Platz einnehmen kann. Herakles muss zwölf Taten meistern, Theseus den Minotaurus bezwingen, Iason das Goldene Vlies in die Heimat bringen. Alle diese Charaktere starten als Jugendliche und kehren als Männer zurück. Die Gegenwart hat den Helden getötet, weil sie das Heldentum verachtet. Es ist kein Zufall, dass junge, vermeintlich naive, unschuldige Charaktere heute in der Öffentlichkeit bevorzugt werden – ob sie Thunberg, Baerbock oder eben Habeck heißen. Bewährung und Reife als Lebensstationen, Disziplin als durch Lebenserfahrung errungene Tugend sind out. Wer weiß noch, dass die römische „virtus“ – ungenau mit Tugend übersetzt – die guten Eigenschaften eines Mannes umfassten? Männlichkeit, das hieß Tüchtigkeit, Tapferkeit, Frömmigkeit.

Altbackene, verstaubte Gedanken? Folgt man Peterson, so ist das genaue Gegenteil der Fall. Nicht nur die jüngste Generation leidet unter dem Mangel an Vorbildern, an Ordnung und an der Verinnerlichung solcher Überzeugungen. Der Kanon der Vorväter stabilisierte die Gesellschaft. Bis ins 20. Jahrhundert lebt in Romanen und Filmen der Topos des Bildungsromans fort: Der Held muss sich bewähren, muss nach einer Reise seinen Platz in der Gesellschaft finden. Peterson spricht vom Archetyp der Rettung des eigenen Vaters aus dem Walbauch: Der junge Mann soll nicht nur dazu reifen, wie sein Vater zu werden, sondern ihn auch teils übertreffen, um ihn zu beerben. Peterson erteilt einen Missionsauftrag: „Ihr seid nicht nur ein biologisch-gewachsenes Wesen, sondern auch eines, das in der kulturellen Sphäre aufwuchs – und es ist eure Aufgabe, euren toten Vater aus dem Bauch des Monsters zu retten, aus der Höhle des Drachen.“ Peterson rekurriert auf Carlo Collodi, dessen Pinocchio sich nach den Vergnügungen im Spielzeugland auf die Suche nach seinem Vater Gepetto macht, der im Bauch eines Wals gefangen ist. Nur so wird er ein richtiger Mensch.

Stattdessen erleben wir einen Typus, der nicht nur in der Politik Spitzenplätze eingenommen hat. Es sind Männer, die auf der Reise bei einer Station versackt sind. Einige verbleiben in der Infantilität, andere im Studenten-Dasein. Habecks kaputte Socken, der auf dem Flur vollzogene Bügelakt, das Müsli mit Wasser („ohne Scheiß!“) und die ungewaschenen Klamotten sind Sinnbild eines nie zu Ende gegangenen Spielzeuglandaufenthalts. Peterson rät dazu, sein eigenes Leben kritisch zu hinterfragen: Was hast du in den nächsten fünf Jahren vor? Habeck weiß nicht einmal, was er die nächsten fünf Tage macht. Er lebt in den Tag hinein. Was würde der große kanadische Psychiater dazu sagen?


Los, Robert! Räum dein Zimmer auf! Mach einen Plan für die nächsten fünf – oder auch: vier – Jahre. Steck dir mal ein Ziel. Wie willst du deinen Vater aus dem Bauch des Wales retten, wenn du nicht einmal den Abwasch hinbekommst? Du kannst dich dem Leid der Welt nicht entziehen. Niemand hat Telemach zum König von Ithaka gemacht, weil er in Selbstmitleid versunken ist; sondern weil er zusammen mit seinem geretteten Vater Odysseus die Freier allesamt mit Pfeil und Bogen erledigt hat. Das klingt alles ziemlich hart. Aber das ist der Unterschied zwischen Männern und Jungs. Habeck bleibt in Petersons Lesart eine Pinocchio-Figur: ein erwachsenes Kleinkind. Im Original bei Collodi verwandeln sich die Jungs, die im Spielzeugland bleiben, in einer geradezu natürlichen Konsequenz in Esel.   Marco Gallina

 


Über die Intelligenz derer, die Kühnert seit einem Jahr in Stellung bringen, hat Thorsten Hinz alles gesagt, was zu sagen ist. Seinen Artikel sollte man sich ab und zu immer wieder mal durchlesen.

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