Zum ersten Mal las ich den Namen Ulrike Guérot vor 10 Jahren in der deutschen Ausgabe von Capital, wobei sie mir eine viel zu blauäugige Vertreterin des Euro-Optimismus zu sein schien, die einfältig darauf vertraute, es werde sich von alleine ein europäisches Nationalbewusstsein einstellen, wenn aus der EU eine Republik Europa entstanden sei. Besonders befremdlich daran fand ich, dass sie sich nicht einmal im entferntesten darüber bewusst war, dass ein europäisches Wir-Gefühl nur dadurch entstehen könnte, dass mehrere europäische Fernsehsender geschaffen werden, die jede Sendung in sämtlichen europäischen Sprachen senden (einschließlich russische, ukrainisch und hebräisch) und in denen eine politische Talkshow (simultanübersetzt) wöchentlich gesendet wird, die jeden Monat von einem anderen europäischen Topjournalisten moderiert würde.
Diese Experten sind völlig weltfremd, dachte ich damals.
Wirklich entsetzlich fand ich, als Oktober 2017 der Historiker Heinrich August Winkler im Spiegel darauf hinwies, dass drei Zitate des EU-Gründungsvaters Walter Hallstein, die Guerot und Robert Menasse in ihren Publikationen verwendet hatten, nicht nachweisbar sind. Obwohl der Verdacht der Fälschung im Raum stand, verwendete Guerot eines dieser Zitate in ihrem Beitrag zur Publikation „Europa jetzt“ auch noch im Jahr 2018. Sie wollte mit dem (Fake-)Zitat ihre These untermauern, bereits Hallstein habe von der Auflösung der Nationalstaaten geträumt. Das Zitat hat also keine nur illustrative, sondern eine tragende Funktion in ihrer Argumentation. Menasse räumte später ein, die besagten Zitate erfunden zu haben, rechtfertigte sich aber mit einer Schamlosigkeit, deren nur wenige Menschen fähig sind, Hallstein habe es doch so gemeint.
Leuten wie Menasse ist die Wahrheit scheißegal. Und Harbarth hat sich Leute wie Menasse zum Vorbild genommen.
Auch eine angebliche Rede von Hallstein in Auschwitz hatte Menasse frei erfunden. Guérots/Menasses politische Visionen von groß angelegten Siedlungsprojekten („Neu-Damaskus“ in Europa) bis hin zur Auflösung der Nationalstaaten sind bereits mehr als fragwürdig. Noch fragwürdiger ist deren Legitimierung mit erfundenen Zitaten historischer Personen.
Merkwürdigerweise fiel Guérot mir während der Panhysterie positiv auf. Mag sein, dass sie vor allem eine einfältige deutsche Kuh ist, die auf eine Gestalt wie wie ihr Freund Robert nicht nur hereinfallen, sondern auch noch gutgläubig zu ihm stehen konnte, als er bereits Verdacht weckte. Aber allein schon die Tatsache, dass sie glauben konnte, Hallstein habe Positionen wie die ihm von Menasse angedichteten vertreten können, disqualifiziert sie als Politikwissenschaftlerin, und wenn sie nicht mal den Zettelkasten in ihrem Hirn im Griff hat, dann darf sie nicht Professorin sein und hätte besser kochen gelernt und Kinder gekriegt.
Guérot im taz-Interview |
Auch zum Ukrainekonflikt äußert sich Guérot erstaunlicher Weise mit einiger Vernunft (zumindest im Vergleich zu allen anderen Stimmen, die in den deutschen Leitmedien zu hören sind). Thomas Fasbender sagt über die Sendung bei Lanz:
"Eigentlich war sie doch sehr aufschlussreich, die Lanz-Sendung vom 02.06.: Ulrike Guérot, mit analytischer Intelligenz bei der Sache, diagnostiziert korrekt die Konfliktursachen. Ihr Therapievorschlag (Waffenstillstand) geht zwar fehl – für den wird Putin nicht zu haben sein. Dennoch war sie die einzige, die den möglichen/wahrscheinlichen Kriegsausgang sachlich diskutieren wollte. Doch ihr realistischer Hinweis, dass am Ende eben nicht die Wiederherstellung der europäischen Friedensordnung stehen wird, löst bei Strack-Zimmermann und Pleitgen Cancel-Reflexe aus. Besonders Strack-Zimmermann ist peinlichst darauf bedacht, jede sachliche Diskussion des Krieges durch eine deutsche Talkrunde zu unterbinden. Sie hält das offensichtlich nicht für eine deutsche Aufgabe. Die deutschen Aufgaben sind: moralische Empörung, das Mantra von der Wiederherstellung der UN-Weltordnung und der territorialen Integrität sowie die Lieferung von Waffen.*
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