Stationen

Mittwoch, 1. Juni 2022

Was bei Marx zur Verklärung wird, wird bei Wagner zur Verteufelung

Am Wochenende habe ich mich von einem jüdischen Freund überreden lassen, die Richard-Wagner-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum anzuschauen, obwohl mir klar war, dass ich dort außer bestätigten Vorurteilen über den Geisteszustand derer, denen hierzulande noch erlaubt ist, eine Ausstellung zu kuratieren, nichts finden und erst recht nichts dazulernen würde. Letztlich ging es wieder nur um den Antisemiten Wagner, – er hat bekanntlich versäumt, im Drachenblut des islamischen Glaubensbekenntnisses zu baden, um sich eine gewisse Unverwundbarkeit zu verschaffen –, und sein Pamphlet über das Judentum in der Musik ist ja weiß Gott eine widerliche Schrift (zumal er Mendelssohn eigentlich verehrt und gelegentlich geplündert hat). Aber unsere Zielfahnder müssen so zwanghaft wie billig Judenkarikaturen in Wagners Bühnenpersonal ausfindig machen – die Arierkarikaturen interessieren sie nicht –, nach der Devise, dass einer, der im Leben Antisemit war, es unvermeidlich auch in seinem Werk sein müsse. Es kommen die üblichen Kandidaten zur Sprache, unter anderem Beckmesser, der als ein erzkonservativer Spießer und ästhetischer Erbsenzähler agiert – wenn jemand in den „Meistersingern” als „Jude” in Frage käme, dann Stolzing –, und nach seiner Blamage keineswegs aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird, sondern, wie es im Textbuch heißt, wütend den Platz des Preissingens verlässt und „sich unter dem Volke verliert”. Wie auch anders, er hat sich ja bloß lächerlich genacht und niemandem etwas zuleide getan. Die „Meistersinger” sind ein Hohelied der Inklusion, nicht der Exklusion, das „singende Lust- und Festspiel der Demokratie”, wie der Musik- und Theaterkritiker Bernhard Diebold, ein linksliberaler Jude, 1928 schrieb. Und selbstverständlich lässt sich aus dem „zerging im Dunst/ das Heil’ge Röm’sche Reich/ uns bliebe gleich/ die heil’ge deutsche Kunst” auch bei heftigster Gesinnungsverkündigungsnotdurft kein Wehrmachtsstiefelgetrappel herleiten.


Am Wochenende habe ich mich von einem jüdischen Freund überreden lassen, die Richard-Wagner-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum anzuschauen, obwohl mir klar war, dass ich dort außer bestätigten Vorurteilen über den Geisteszustand derer, denen hierzulande noch erlaubt ist, eine Ausstellung zu kuratieren, nichts finden und erst recht nichts dazulernen würde. Letztlich ging es wieder nur um den Antisemiten Wagner, – er hat bekanntlich versäumt, im Drachenblut des islamischen Glaubensbekenntnisses zu baden, um sich eine gewisse Unverwundbarkeit zu verschaffen –, und sein Pamphlet über das Judentum in der Musik ist ja weiß Gott eine widerliche Schrift (zumal er Mendelssohn eigentlich verehrt und gelegentlich geplündert hat). Aber unsere Zielfahnder müssen so zwanghaft wie billig Judenkarikaturen in Wagners Bühnenpersonal ausfindig machen – die Arierkarikaturen interessieren sie nicht –, nach der Devise, dass einer, der im Leben Antisemit war, es unvermeidlich auch in seinem Werk sein müsse. Es kommen die üblichen Kandidaten zur Sprache, unter anderem Beckmesser, der als ein erzkonservativer Spießer und ästhetischer Erbsenzähler agiert – wenn jemand in den „Meistersingern” als „Jude” in Frage käme, dann Stolzing –, und nach seiner Blamage keineswegs aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird, sondern, wie es im Textbuch heißt, wütend den Platz des Preissingens verlässt und „sich unter dem Volke verliert”. Wie auch anders, er hat sich ja bloß lächerlich genacht und niemandem etwas zuleide getan. Die „Meistersinger” sind ein Hohelied der Inklusion, nicht der Exklusion, das „singende Lust- und Festspiel der Demokratie”, wie der Musik- und Theaterkritiker Bernhard Diebold, ein linksliberaler Jude, 1928 schrieb. Und selbstverständlich lässt sich aus dem „zerging im Dunst/ das Heil’ge Röm’sche Reich/ uns bliebe gleich/ die heil’ge deutsche Kunst” auch bei heftigster Gesinnungsverkündigungsnotdurft kein Wehrmachtsstiefelgetrappel herleiten.
 War Fafner „Jude”? Dafür – „Ich lieg und besitz: lasst mich schlafen” – ist er zu träge. Alberich? Kundry? Hagen gar? Eckhard Henscheid hat mit einer Frage die gesamte Debatte erledigt, nämlich wie Wagner diese Figuren dramatisch anders hätte gestalten sollen, um sie „unjüdisch” wirken zu lassen. 

Im Übrigen unterscheidet sich die Judenfeindschaft Wagners kaum von jener des Karl Marx und der heutigen Grünen bzw. Linken – Wagner war ja ein Linker durch und durch (mehr, ja im Grunde alles dazu hier) –, es ist kein auf Vernichtung, sondern auf Emanzipation drängender Antisemitismus. „Gemeinschaftlich mit uns Mensch zu werden, heißt für den Juden aber zu allernächst so viel als: aufhören, Jude zu sein”, schrieb er. Bei Marx heißt es: „Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum. (…) Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum(alle in Kursiv gesetzten Hervorhebungen vom Rauschebart selbst). Die linke Israelfeindschaft von heute ist lediglich die Fortsetzung dieses Ressentiments, unsere Woken können den Israelis nicht verzeihen, dass sie ein wehrhaftes und auf eine gewisse Exklusivität erpichtes Volk sind.

Wagner wollte nicht die Juden als Individuen abschaffen, sondern das Judentum als solches, in dem er ein über viele Jahrhunderte erprobtes Instrument der Exklusion und des Egoismus sah. Ihn stieß am Judentum ab, dass in seinem Zentrum nicht das universelle Mitleid, sondern das Wohl einer Gruppe stand. Er wünschte, die Juden mögen christusgläubige, selbstlose, antikapitalistische Wagnerianer werden.

Sela, Psalmenende.

Bei dieser Gelegenheit ein Witz. Ein Israeli ist in Berlin gelandet und fragt am Ausgang des Flughafens einen Mann: „Was halten Sie eigentlich von Juden?” Der legt sofort seine Stirn in Falten und beteuert: „Es war schrecklich, was wir ihnen angetan haben, wir stehen ewig in ihrer Schuld.” Der Israeli lässt ihn stehen und fragt den nächsten: „Was halten Sie von den Juden?” Der antwortet: „Wir müssen immer solidarisch mit Israel sein, das ist die Lehre aus unserer Geschichte.” Der Israeli zuckt mit den Schultern und geht zum nächsten: „Wie denken Sie über die Juden?” Der Gefragte runzelt die Stirn und erklärt: „Sie machen sich überall wichtig, sie drängeln sich überall vor, sie haben kein anderes Thema als sich selbst, ich mag sie nicht.”
Der Israeli atmet auf und sagt: „Sie scheinen ein ehrlicher Mann zu sein. Könnten Sie bitte kurz auf mein Gepäck aufpassen, ich muss dringend zur Toilette.”  MK

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