Stationen

Sonntag, 19. Juni 2022

Mathias Döpfner

Was für ein würdeloser Mann, dieser Topmanager, der am Rockzipfel von Friede Springer Karriere gemacht hat. Eigentlich freute ich mich, dass er die Versöhnung mit den Linken anstrebte, Grass kontaktierte, einen einstigen Lektor von Wagenbach zum Welt-Redakteur machte! Na endlich, dachte ich, endlich lernt man in Deutschland, zivilisiert auch mit den politischen Gegnern des gegensätzlichsten Vereins umzugehen und einander zu respektieren, auch wenn man extrem unterschiedliche Positionen vertritt. Ich irrte mich. Damals begann der Anfang des Endes des zivilisierten Gedankenaustauschs. Es begann der Generationenwechsel von konservativ zu rotgrün in den Medien, und die neue Intoleranz war schlimmer als die alte. Döpfner hatte den Trend rechtzeitig erkannt und sich opportunistisch darauf eingestellt. Und hinzu kam mit der Zeit überbordende Charakterlosigkeit und Feigheit, wie sie dieser erbärmliche Topmanager beispielhaft verkörpert, der nicht mal zu seinen eigenen Worten stand, als sie letztes Jahr publik wurden und zurückruderte, statt in die Offensive zu gehen. Es dreht sich einem der Magen um. Hoch lebe Berlusconi, der jede niederträchtige Attacke mit einer brillanten Rede konterte, nie vor dem rotgrünwoken Schlamm zurückwich und Angreifer wie die, bei denen Döpfner sich anbiedert als "anthropologisch divers" etikettierte. Ich schäme mich sehr ungern meines Landes.

(und apropos Italien)


Offener Brief an Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner
von Judith Sevinç Basad
 
Lieber Mathias Döpfner,
mit großem Bedauern habe ich meine Kündigung bei BILD eingereicht.
Als ich vor einem Jahr im Politikressort der BILD anfing, war ich begeistert. Ich war stolz, Teil einer Redaktion zu sein, die mit so großer Entschlossenheit freiheitsfeindliche Ideologen klar und furchtlos analysiert, benennt und beschreibt.
Großartige Reporter wie Paul Ronzheimer riskierten nicht nur ihr Leben, um über die Kriegsverbrechen der Russen im Ukraine-Krieg oder die der Taliban in Afghanistan zu berichten. Sie gingen auch mit den grausamsten Diktatoren der Welt ins Gericht, sprachen sie direkt auf ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Ex-Bild-Chef Julian Reichelt schrieb während des Syrien-Krieges im Jahr 2016 einen offenen Brief an Vladimir Putin, fragte den Diktator: „Wie können Sie es wagen, so barbarisch im Namen aller Russen zu handeln?“
Paul Ronzheimer reiste im Jahr 2019 zusammen mit Heiko Maas in den Iran und stellte dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif die Frage, für die dem deutschen Außenminister der Mut fehlte: „Wieso werden Homosexuelle im Iran hingerichtet?“ Nicht nur die Antwort, mit der Sarif die grausamen Hinrichtungen rechtfertigte, ging um die Welt und offenbarte die Barbarei eines menschenverachtenden Regimes. Auch der unfassbare Mut von Paul, der im Iran als schwuler Mann auch leicht selbst Opfer einer solchen Hinrichtung hätte werden können, war einzigartig und wurde von der internationalen Presse zu Recht gefeiert.
Egal, ob es um die Gräueltaten von mächtigen Diktatoren, die widersprüchliche Corona-Politik der Bundesregierung oder um gesellschaftliche Trends wie das Gendern der Sprache ging – BILD ließ sich von keiner Autorität der Welt, von keiner noch so trendigen Konvention einschüchtern, sondern kämpfte wie ein altes Schlachtschiff für die eigenen Werte: Demokratie, Meinungsfreiheit und das Existenzrecht Israels.
Nochmal: Ich bin unfassbar stolz, dass ich Teil dieser wunderbaren und mutigen Redaktion sein durfte. Die Zeit bei BILD gehört definitiv zu den großartigsten und lehrreichsten Abschnitten in meinem Leben, die ich nie vergessen werde. Dafür möchte ich meinen tiefsten Dank aussprechen.
Der Grund für meine Kündigung ist am Ende der Umgang von Axel Springer, also auch Ihr Umgang, mit der woken Bewegung. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr über die Gefahren berichten kann, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung ausgehen. Und ich habe das Gefühl, das der gesamte Verlag in dieser Sache nicht mehr hinter mir steht.
Keine Thematik hat mich als Journalistin so sehr um den Verstand gebracht, wie der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt.
Über Jahre hinweg habe ich beobachtet, wie selbst riesige Konzerne vor den totalitären Forderungen der woken Aktivisten eingeknickt sind. Ich habe verfolgt, wie die einzige Frau im Vorstand von Adidas gefeuert wurde, weil sie sagte, dass Rassismus in ihrem Konzern kein großes Problem ist. Ich habe beobachtet, wie Dozenten an einer Medizin-Uni in den USA nicht mehr von „Vater“ und „Mutter“ und „männlich“ und „weiblich“ reden, weil sie sonst von radikalen Aktivisten als „transphob“ beschimpft werden. Und ich habe darüber berichtet, wie Antirassismus-Aktivisten an deutschen Schulen weiße Kinder demütigen, um ihnen ihre „weißen Privilegien“ auszutreiben.
Diese Themen sind ein heißes Eisen. Wer über sie schreibt, muss mit harten Anfeindungen rechnen, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen: Äußerungen werden absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt, um kritische Stimmen als „rechts“ zu diffamieren und sie somit aus dem Diskurs zu werfen.
Besonders aggressiv gehen dabei Trans-Aktivisten vor, die eine der krudesten Behauptung vertreten, die das 21. Jahrhundert hervorgebracht hat: Dass das biologische Geschlecht nicht existiert.
J.K. Rowling, der Erfinderin von Harry Potter, wird bis heute von Aktivisten der Tod gewünscht – im Netz kursieren Videos, in denen Harry-Potter-Bücher verbannt werden. Die Professorin Kathleen Stock kündigte neulich ihre Professur an der Uni Sussex auf, weil sie die permanenten Attacken der Aktivisten nicht mehr aushielt und sich um das Wohl ihrer Familie sorgte. Beide Frauen haben lediglich den Fakt verteidigt, dass biologische Frauen keine biologischen Männer sein können und umgekehrt. Nicht mehr, nicht weniger.
Genau diesen Aktivismus stellten 120 deutsche Wissenschaftler in einem 50-seitigen Dossier an den Pranger. In einem Welt-Artikel erklärten fünf dieser Wissenschaftler, wie die kruden Thesen eines fragwürdigen Aktivismus auch in Deutschland Einzug in junge Formate des ÖRR erhalten. Es wird kritisiert, dass schon Kindern vermittelt wird, dass eine Transition die beste Option für sie sei – ohne auf die Nebenwirkungen von lebenslangen Hormontherapien, Pubertätsblockern und irreversiblen Operationen einzugehen.
Genau darüber wollte ich bei BILD in einem Artikel berichten, kurz nachdem der Welt-Kommentar veröffentlicht wurde. In dem Artikel äußerte sich der Kinderpsychiater Prof. Dr. med. Alexander Korte, einer der 5 Autoren des Welt-Kommentars, mit folgenden Worten:
„Der Aufruf ist nicht dafür gedacht, transsexuelle Menschen – deren Existenz wir akzeptieren und vor deren Leidensdruck wir den allergrößten Respekt haben – zu diskreditieren. Es geht auch nicht darum, dass Kinder nicht frühzeitig über ihre Sexualität aufgeklärt werden sollen. In dem Aufruf geht es darum, vor gefährlichen Falschinformationen – wie Leugnung biologischer Tatsachen und die Mär der Vielgeschlechtlichkeit, kurz: der Verbreitung unwissenschaftlichen Tatsachen – zu warnen“.
Der Artikel wurde verhindert. Mir wurde gesagt, dass ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen. De facto wurde von mir verlangt, dass ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen.
Allein das hat mich psychisch zermürbt. Die Situation spitzte sich zu, als Sie, Herr Döpfner, einen Tag später einen offenen Brief an alle Mitarbeiter von Axel Springer schickten.
Denn mit diesem Brief ist der Konzern vor der unerträglichen Tyrannei der woken Aktivisten eingeknickt. Der Verlag, der mir eine journalistische Heimat gegeben hat und von dem ich immer dachte, dass er sich mit einer klaren Haltung gegen Ideologien wehrt – ausgerechnet dieser Verlag übernahm mit diesem Brief genau die inhaltslose Rhetorik, mit der nicht nur ich, sondern jeder Mensch, der eine differenzierte Kritik der woken Bewegung betreibt, immer wieder als Menschenfeind diffamiert wird.
Das fängt damit an, dass Sie in dem Brief Dinge behaupten, die nicht wahr sind: Weder in dem Welt-Kommentar noch in dem 50-seitigen Dossier wird Hetze gegen Homosexuelle oder Transsexuelle betrieben, wie man es dort liest. Auch geht es den Wissenschaftlern nicht darum, Menschen daran zu hindern, ihre „fluide Geschlechtsidentität“ frei auszuwählen, also etwa einer Frau zu verbieten als Mann zu leben (und umgekehrt) oder sich als „nicht-binäre“ Person zu identifizieren.
Nochmal: Die gesamte Kritik des Dossiers und des Welt-Kommentars bezieht sich auf eine unwissenschaftliche Ideologie, die zunehmend den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beeinflusst: Der Behauptung, dass man das biologische Geschlecht durch einen einfachen Sprechakt wechseln kann.
Dass Sie als Axel-Springer-Chef diesen Fakt falsch darstellen, dass Sie damit tatsächlich leugnen, dass es zwei biologische Geschlechter gibt (im selben Atemzug aber den Autoren „Pseudowissenschaft“ vorwerfen) –, dass Sie die Autoren des Gastkommentars und deren gesamte Kritik als Hetze gegen Minderheiten, ja sogar als homophob diffamieren, und deren kritische Stimme in bester Manier der Cancel Culture mundtot machen – das hat mich zutiefst erschüttert und erschüttert mich noch jetzt.
Es hat mich schockiert, dass der Koloss Axel Springer, der regelmäßig gegen die übelsten Diktatoren der Welt schießt, sich plötzlich von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen lässt und dabei auch noch die eigenen Journalisten als Menschenfeinde verhöhnt, die bei diesem bizarren Schauspiel nicht mitmachen wollen.
Eine andere Sache, die mich nachhaltig irritiert, ist die Bigotterie, mit der Sie gleichzeitig versuchten, sich aus der Affäre herauszureden. Auf der einen Seite sagten Sie, dass der offene Brief nur die Meinung des Konzern-Chefs abbilde und, dass man BILD keine politische Richtung aufzwänge. Auf der anderen Seite steht in dem Brief, dass der Gastkommentar „erst recht nicht die Meinung des ganzen Hauses“ widerspiegle, sondern Axel Springer – ganz im Gegenteil – für „Vielfalt und Freiheit“ stehe.
Aber was bedeuten hier „Vielfalt und Freiheit“, Herr Döpfner? Wenn „Vielfalt und Freiheit“ daraus bestehen, einen Gastkommentar kontextlos in die rechte Ecke zu stellen, dann frage ich mich, ob es vor allem darum geht, die woken US-Redaktionen des Unternehmens Axel Springer nicht zu verärgern. Das hat nichts mit „Vielfalt und Freiheit“ zu tun, sondern mit Gleichschaltung und Unterwerfung.
Einige Tage nach Ihrem Brief führten Sie mit uns eine emotionale Debatte, die inzwischen auch öffentlich geführt wurde, und deswegen auch die Redaktionen erreicht hatte.
Dort verteidigten Sie nochmals die Inhalte Ihres Briefes, wiederholten mit Nachdruck Ihre Kritik an dem Kommentar. In diesem Zusammenhang sprachen Sie über die moralische Pflicht einer Redaktion, nicht jede Behauptung in einer Zeitung abzubilden, nur weil sie den Eindruck von Wissenschaftlichkeit erweckt. Als Beispiel nannten Sie Studien von Holocaustleugnern.
Ich weiß nicht genau, in welche Richtung Axel Springer gerade steuert, welche neuen Ideale von „Vielfalt und Freiheit“ in der Unternehmenskultur zukünftig etabliert werden sollen. Wer aber solche Vergleiche zu Holocaustleugnern zieht, ist nicht weit davon entfernt, den Holocaust selbst zu relativieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das tatsächliche Ihre Interpretation einer vielfältigen und freiheitlichen Firmenkultur sein soll.
Herzlich,
Judith Sevinç Basad

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