Stationen

Sonntag, 14. April 2019

Entartete Kunst

Michael Wolffsohn hat anlässlich der Nolde-Ausstellung, und weil Merkel im Kanzleramt die Nolde Bilder (die Helmut Schmidt einst in diese Umgebung holte) abhängen ließ, immerhin Tugendhysterie diagnostiziert und die "korrekte Einheitsmeinung" beklagt. Mein Vater liebte Mendelssohns Musik (weil er nicht wusste, dass Mendelssohn Jude war) und hasste Orff, den er als entartete Musik bezeichnete (weil er dachte, Orff sei Jude). 
Wolffsohn trägt aber nicht wenig zur von ihm beklagten korrekten Einheitsmeinung bei (z.B. indem er nicht laut Buh ruft, wenn Merkel die Ohel-Jakob-Medaille verliehen wird, während gerade Tausende von frischen, kräftigen, tatendurstigen Antisemiten ins Land strömen). Während er vor 25 Jahren mit der Absicht "fruchtbarer Verunsicherung" (Wolffsohn) großartige Dinge über die deutsche Befindlichkeit äußerte und diagnostizierte, der deutsche Schuldkult sei zu einer Art Droge geworden, hat man heute den Eindruck, er bezeichne einen Nazimaler als auf jeden Fall zeigbar nur deshalb, weil die Nazis denselben als entartet bezeichnet hatten. Wirklich politisch korrekt, jenseits des Phänomens der "political Correctness", ist aber - wie Bosbach zu Frau Hayali sagte - nur die Wahrheit. 





Z.B. die Tatsache, dass die Kunst - wobei Nolde keineswegs entartet ist - tatsächlich in sehr weiten Teilen entartet ist. So richtig entartete sie aber erst als Hitler lange tot war, in risikoloser Opposition zu ihm und zum von ihm geprägten Begriff, nicht ahnend, dass diese Opposition allmählich zu einem neuen Konformismus werden sollte. "Ein Narr selbst nichts zu sagen wagt, nur weil's ein Nazi schon gesagt." Die Musik ist ausgerechnet in Deutschland mausetot: die größeren Talente werden alle von der antikommerziellen, subventionierten Grauen Muse (der sogenannten Neuen Musik, die über 100 Jahre Experimentiertradition hat) aufgesogen (um mit Klängen gegen Kapital-, Kommerzial- und Hitlerismus zu kämpfen), der Rest produziert die schlechteste Schlagermusik der Welt. Dazwischen, der tote Udo Jürgens (in Österreich habt Ihrs besser, Ihr seid halt halb Preussen, halb Neapolitaner), ein paar halbtote Liedermacher, die Louisan, Jochen Distelmeyer, Anna Depenbusch, Sylvester Levays halbseidene Musicals (die immerhin international Erfolg haben) und ein bisserl Swing. Und ja kein Wort darüber, wie schön die NS-Ordensburg Vogelsang ist oder Peter Kreuders Klavierstücke. Eine Art dogmatischer Exorzismus verdichtet sich zu der einfältigen Formel, Nazismus und Schönheit seien als "ungebrochene" Einheit undenkbar und nur so unverbunden denkbar wie Wasser und Öl. Wenigstens den Missbrauch der Schönheit glaubt man gebannt zu haben! Da lob ich mir das illusionslose Italien, wo man weiß, dass Futurismus und Faschismus sehr wohl zusammengehen und meinen jüdischen Freund aus Palermo, der in den 70-er Jahren in Israel von einem Piratensender aus die Wesendonck-Lieder in den Äther sandte.




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