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Mittwoch, 3. April 2019

Natürlich ist unter anderm die Unvollkommenheit

Wir lesen immer wieder von Geschlechtsumwandlungen, aber nie ist die Rede davon, jemand habe sich weder zur Frau noch zum Mann, sondern zu einem der zahllosen anderen Geschlechter ummodeln lassen. Gerade diejenigen, die sich im falschen Körper wähnen, bezeugen also die schöne Geltung der Zweigeschlechtlichkeit; sie sind Märtyrer der Heteronormativität.

PS: Leser ***, "aktives AfD-Mitglied" merkt dazu an:

"Ich bin selbst transsexuell (Mann zu Frau), und ich habe (wie übrigens heute sehr viele Betroffene) genau das getan: mich zu 'einem der zahllosen anderen Geschlechter ummodeln lassen'. Konkret: ich habe mir – nach jahrelanger, nahezu ergebnisloser Östrogentherapie – schon vor 20 Jahren chirurgisch die Brust aufbauen lassen; den Unterleib habe ich gelassen, wie er war, und im öffentlichen Alltag lebe ich trotzdem nach wie vor als Mann. Als Ziel der 'Umwandlung' habe ich also tatsächlich eine Art Zwitterwesen gewählt – ein 'drittes Geschlecht'.

Gesellschaftspolitisch ist das deshalb von Bedeutung, weil ich mit diesem Behandlungsziel in den 90er Jahren noch eine große Ausnahme war. Mit der dazu nötigen Pionierarbeit trug ich damals nicht unerheblich dazu bei, den Begriff eines 'dritten Geschlechts' überhaupt erst in die Öffentlichkeit zu tragen.

Für ein tieferes Verständnis wichtig ist dabei aber, dass dieses 'dritte Geschlecht' KEIN eigenständiges Geschlechtsbild ist, sondern nur ein operativer Kompromiss zwischen den ZWEI natürlichen Geschlechtern. Man kann – leider – das Geschlecht nicht wirklich wechseln, sondern nur (mit mehr oder weniger Erfolg – meist weniger) die äußere Erscheinung.

Dass ich für mich diesen Zwischenweg gewählt habe (erfolgreich übrigens: seitdem hat sich mein Leben dauerhaft sehr zum Positiven entwickelt), ist der Begrenztheit medizinischer Möglichkeiten geschuldet; das Kosten/Nutzen-Verhältnis einer 'kompletten' Geschlechtsumwandlung wäre  für mich einfach zu schlecht, weil mich mehr als die Hälfte der Leute selbst dann immer noch spontan als Mann identifizieren würden. Um einen praktisch lebbaren Kompromiss zu ermöglichen und dabei der gesellschaftlichen  Kategorisierung als wahlweise 'pervers' oder 'mißgebildet' zu entgehen, haben wir damals das Konzept eines 'dritten Geschlechts' etabliert.

Wenn Sie schreiben: 'Gerade diejenigen, die sich im falschen Körper wähnen, bezeugen also die schöne Geltung der Zweigeschlechtlichkeit; sie sind Märtyrer der Heteronormativität', ist das im Grunde richtig – aber dann doch auf einen SEHR kurzen Nenner gebracht, mit der Gefahr von Missverständnissen.

Wiederum wichtig für das Verständnis ist hier, dass es nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychisches Geschlecht gibt. Die menschliche Psyche ist – im Wesentlichen auf emotionaler Ebene – großenteils geschlechtsspezifisch als Teil der sekundären, (Gehirn-)physiologischen Geschlechtsmerkmale. Das ist angeboren – also nix mit 'tabula rasa'. Erziehung kann daran nichts ändern.
Da aber die psychischen Geschlechtsunterschiede SEKUNDÄRE Geschlechtsmerkmale sind, sind sie NICHT streng dual: ihre Entstehung wird hormonell vermittelt und kann somit in einem Kontinuum zwischen den Polen 'männlich' und 'weiblich' beliebige Zwischenpositionen (als gehirnphysiologisch vorgegebene, durch Erziehung später nicht mehr änderbare Fixpunkte!) einnehmen – im Einzelfall sogar konträr zum sonstigen, körperlichen Phänotypus, wie es eben bei uns Transsexuellen der Fall ist.

Die Gender-Ideologie präsentiert uns Transsexuelle gerne als angeblichen Beweis für geschlechtliche Beliebigkeit. Genau das sind wir nicht, im Gegenteil: obwohl die Gesellschaft nun wirklich alles tut, um uns schon von klein auf auch psychisch heteronormativ zu formen, misslingt das bei Transsexuellen regelmäßig. Wir sind somit der lebende Beweis GEGEN die 'tabula rasa'.

Ich hoffe, damit ein wenig zum Verständnis beigetragen zu haben."   bei MK

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