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Mittwoch, 9. März 2022

Die AfD als "Verdachtsfall"



 

Auch Kanada hat mit der ökonomisch anfänglich willkommenen Einwanderung gut situierter Chinesen mittlerweile ähnliche Erfahrungen gemacht*. Zunächst waren es – besonders an der Westküste – nur Kapitalzuflüsse in Zweitimmobilien, die Gewinner des chinesischen Wirtschaftsaufschwunges trauten ihrem Staat dann doch fast alles zu. Ein Wohnsitz im nahen und liberalen Kanada war ein vergleichsweise gewinnbringender Rettungsanker, eine Möglichkeit für den Fall, dass es einmal anders kommt als man denkt. Mittlerweile ist die zweite und dritte Generation in Kanada ansässig, mit Pass und allen Rechten. Und es ist anders herumgekommen, sogar ganz anders: Der chinesische Staat nimmt über seine Immer-Noch-Bürger zunehmend Einfluss auf die Politik Kanadas. Unzählige Chinesen (mit kanadischem Pass) sitzen bereits in den dortigen Parlamenten, Verwaltungen und Gremien. Sie biegen das liberale Kanada in eine völlig andere Richtung. Irreversibel!
 
Von Brecht gibt es das berühmte Gleichnis: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“ Ich habe zu den beiden vergangenen linken Gesellschaftsexperimenten des 20. Jahrhunderts schon oft geschrieben. Wir bewegen uns augenfällig gerade im dritten und es darf bezweifelt werden, dass es dieses Mal der Stärkung unseres nationalen deutschen Staates dienen wird. 
 
Wer im Garten des als Deutscher Bundestag genutzten Reichstages nach unten blickt, entdeckt einen in diesem Sinne geradezu prophetischen Schriftzug. Er setzt sich nicht nur von dem am klassizistischen Fries des großen Säulenportals ab, er widersetzt sich geradezu: „Der deutschen Bevölkerung“ steht da und illustriert ungewollt die Warnung von Donald Trump: „We are a nation, not a settlement area!“ Hier wollen ganz gezielt Akteure Hand an die Grundfesten unseres Staates und damit unseres Landes legen. Subtil aber umso nachhaltiger.
 
In den USA durfte ich einmal einer besonderen Zeremonie beiwohnen, die mich sehr bewegt hat. Nach Sprachtest und Geschichtsabfrage zur Kulturgeschichte des zukünftigen Heimatlandes wurde den Neubürgern nach Ableistung des Eides auf die amerikanische Verfassung der begehrte Pass der Vereinigten Staaten von Amerika übergeben. Eine symbolische Identitätsstiftung von Staatswegen an die Adresse all derer die meinen, das Bekenntnis zum Grundgesetz allein reiche aus. Nicht mal die Ableistung des Eides ist hierzulande gewollt – denn es ist die deutsche Verfassung, es wäre der Schwur auf ein von seinen Repräsentanten zutiefst ungeliebtes, weil schuldbeladenes Land. Das ist das Problem!
 
Zurück zur Erklärung der AfD: Sie sanktioniert jenseits der eigenen Programmatik das Faktische. Jetzt und auch zukünftig. Sollte es also einem zukünftigen Kanzler Robert Habeck (wovon der allmächtige Gott dieses Land und uns bewahren möge!) einfallen, alle Migranten auf den griechischen Inseln mit deutschen Pässen auszustatten, müsste auch unsere Partei in diesen Neubürgern Deutsche sehen, ohne Wenn und Aber. 
 
Eine völlig irre Vorstellung.
Japan und China entledigen sich der aufgeworfenen Frage übrigens auf ihre eigene Weise. Es ist fast unmöglich, durch Einwanderung Japaner oder Chinese zu werden. Während in China immerhin ca. 100 (!!) Einbürgerungen meist ehrenhalber pro Jahr vergeben werden, ist Japan da noch restriktiver. Aussage eines hohen japanischen Verfassungsrichters mir gegenüber: „Wir haben schon genug Probleme mit gebürtigen Japanern, warum sollen wir uns weitere durch Einbürgerung dazuholen?“
Es bleibt also die Aufgabe einer selbstbestimmten Definition zum Thema Staatsvolk: Zukünftig tragfähig und verfassungskonform, fern jeder Nationalromantik und nicht als bloße Illustration von Verfassungspatriotismus.  Matthias Moosdorf (gekürzt)

*Wie Frankreich mit der großzügigen Vergabe von Pässen an Zuwanderer und Israel mit Zugeständnissen an Palästinenser. 

JF über das Gerichtsurteil am Kölner Verwaltungsgericht

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