„Wenn der Nationalsozialismus nichts anderes als den vorzeitigen Tod Friedells auf dem Kerbholz hätte, würde das allein schon ausreichen, um ihn auf ewig zu verdammen.”
Martin Lichtmesz, 2013
1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe, a b e r d e r W a h r h e i t nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Heute ist der Dantetag. Vom italienischen Staat wurde der 25. März dafür gewählt. Nach Ansicht eines Teils der Danteforscher begann Dantes einwöchige Jenseitsreise durch Hölle, Läuterungsberg und Paradies am 25. März. Dieser Tag galt in Florenz zur Zeit Dantes als Tag der Zeugung (Incarnatio) Jesu (oder auch Conceptio Christi) und auch als sein Todestag, unabhängig vom Karfreitag, der dem Stand des Mondes entsprechend jedes Jahr ein anderes Datum hat, aber ebenfalls gefeiert wurde. Der Tag der Incarnatio (der Verkündigung, wie man bei uns sagt) und des Todes Jesu wurde jedes Jahr in Florenz also am 25. März begangen (und in der Malerei oft dargestellt). Wenn die Reise Dantes und Vergils an einem 25. begann, dann waren sie am 27. am Fuß des Läuterungsberges angelangt, wo die zweite Cantica beginnt.
Andere Danteforscher meinen, die Reise beginne am Karfreitag, der 1300 auf den 8. April fiel, wieder andere haben errechnet, sie müsse am 5. April begonnen haben, auf Grund von Angaben, die Dante in der Göttlichen Komödie über die Mondphasen machte; aber die astronomischen Angaben Dantes sind ohnehin nicht immer korrekt, sei es, weil er bestimmte Angaben aus dem Almanach von Prophatius Judaeus fehlerhaft kopierte, sei es, weil er sich bestimmte Freiheiten nahm, wenn es besser in sein poetisches Konzept passte. Sei es, wie es sei: In mein persönliches poetisches Konzept passt der 25. März am besten, weil das Purgatorio meine Lieblingscantica ist und mir der Gedanke, dass sie am 27. März beginnt, behagt. Außerdem finde ich grandios, dass nach dieser symbolistischen Erzählung Jesus am gleichen Tag die Erde (die in Dantes Comedía, anders als in den Hörsälen deutscher Mittelalterhistoriker, eine Kugel war und keine Scheibe: Dante beschreibt sogar die Umkehrung der Erdanziehungskraft, als er mit Vergil den Erdmittelpunkt überschreitet) betritt und wieder verlässt. Bedauerlich ist das heillose, schlampige Durcheinander, das Kurt Flasch anbietet: Der geht in seinen Kommentaren nämlich mal davon aus, die Reise habe am 25. März begonnen und mal am 8. April. Und er behandelt die Sache derart schludrig, dass man den Eindruck bekommt, er merke es selber nicht. Sehr merkwürdig, denn ansonsten ist sein Kommentar so gut wie seine Übersetzung.
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