Jeder auch nur angelernte Rechte, jeder Konservative, der zumindest ein bisschen etwas auf die theoretische Unterfütterung seiner vor allem dem Leben abgelauschten Weltanschauung gibt, verbindet dieses Thema sofort mit Arnold Gehlens anthropologischem Grundlagenwerk "Der Mensch", das 1940 erschien und ab der 4. überarbeiteten Auflage von 1950 bis heute fast unverändert erscheint.
Dieser Mensch, also wir alle, ist das “nicht festgelegte Wesen”, sein Grundzug ist nicht die Einpassung in eine ökologische Nische, nicht die Instinktsicherheit des Tiers, nicht ein natürlich So-sein-müssen und nicht anders können. Vielmehr ist der Mensch ein ganz eigener, neuer Entwurf, eine in eine völlig andere Freiheit entlassene Schöpfung, ein instinktunsicherer Weltaneigner, ein jenseits aller Nischen Unbehauster, ein Homo Faber eben, der das, was ihn schützen und in Ruhe wiegen soll, immer erst herstellen muss.
Der Mensch ist schlimmer als jedes Tier, wenn er sich entblößt. Er ist ein Mängelwesen und ist durch seinen Mangel sich selbst unausgesetzt ein Rätsel und eine Aufgabe. Er muss seine Blöße bedecken, muss hausen. Seine Natur ist die Kultur, das muss er begreifen, das muss jeder Generation aufs Neue eingebläut werden. Seine Boshaftigkeit und Billigkeit muss unterdrückt und zurückgestopft werden, vor allem, wenn er tun möchte, was ihn die Urhorde lehrte: einander aufzuwiegeln, den Sündenbock zu küren, über ihn herzufallen und dabei ein stumpfes Wir zu bilden.
Es gibt das Ich und das Wir und auf beiden Ebenen eine Identität. Es gibt im Bereich anthropologischer Konstanten keinen Fortschritt, keinen neuen Menschen, keine historische Läuterung, keinen Lernerfolg. Es gibt nur den zeitlich und räumlich begrenzten Sieg des Großhirns über das Kleinhirn, die Bändigung innerhalb einer Hierarchie, die uns über ist: Gott, Ächtung, Scham.
Der Mensch – gelingt die Bändigung, die Herauslösung, befreit sich der Mensch, schafft er Unfassbares. Dann entsteht unter seinen Händen das Schöne, dann leistet und erträgt er, was kein Tier ertragen kann, dann bildet er die Wohlordnung der Welt nach.
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Unser Institut lädt 120 junge Männer und Frauen für drei Tage nach Schnellroda ein, damit wir Fragestellungen, Schlüsselwerke, Probleme rund um das Thema “Der Mensch” bearbeiten und besprechen können. Wir kooperieren dabei erstmals mit den jungen Projekten Konflikt-Magazin und GegenUni.
Wir tagen von Freitag, den 8. April, 14 Uhr, bis Sonntag, den 10. April, 14 Uhr. Teilnehmen kann, wer nicht älter als 35 Jahre ist.
Die Vorträge am Freitag und am Samstag werden folgende Themen haben: “Die große anthropologische Kontroverse”, “Masse Mensch”, “Biopolitik”, “Medientheorie und mündiger Mensch”, “Depressive Hedonie” und (als aktuelle Stunde): “Krieg in der Ukraine”.
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Unser Institut wird fünf Vorträge aufzeichnen und veröffentlichen. Dazu wird das Literaturgespräch zählen, das Dr. Lehnert und ich am Samstagabend Rahmen der Akademie über Arnold Gehlen führen werden. Zur Vorbereitung auf dieses Format und auf die Akademie im allgemeinen empfehlen wir folgende Bücher:
von Arnold Gehlen:
Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt.
Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen.
Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik.
Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft.
von Helmuth Plessner:
Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des Sozialen Radikalismus.
von Konrad Lorenz:
Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit.
von Rolf Peter Sieferle:
Die Krise der menschlichen Natur/ Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt.
Fortschrittsfeinde? (Mit einem Nachwort von Erik Lehnert.)
Zeitschriften:
Sezession 96, Thema: Verhaltenslehren, darin enthalten: Autorenporträt Gehlen sowie Aufsätze zur Zivilisationskritik.
Die Kehre 08, Thema “Massengesellschaft”. Kubitschek
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