Am vorigen Donnerstag, dem 10. März, drang eine unbemannte, mit Sprengstoff beladene Tupolev TU-141 von der Ukraine aus in den Luftraum der Nato ein. Sie überquerte kurz rumänisches Territorium und setzte den Flug 40 Minuten lang über Ungarn fort, bis sie Kroatien erreichte, wo sie nach weiteren sieben Minuten um 23:01 in einem Park in Zagreb einschlug, nur 50 Meter entfernt von einem Wohnheim für 400 Studenten. Beim Einschlag wurden 40 Autos beschädigt. Ein Mann stürzte vom Fahrrad. Sonst kam niemand zu Schaden. Die Muttergottes vom Steinernen Tor hatte die Bürger ihrer Stadt beschützt.
Die Tupolev TU-141 ist 14,3 Meter lang, mehr als sechs Tonnen schwer und hat eine Reichweite von 1000 Kilometern. Sie wurde in den 1970er Jahren in der Sowjetunion als Aufklärungsflugzeug gebaut. Bisher ist nicht bekannt, von wem sie wo gestartet wurde. Wahrscheinlich hatte sie eine Fehlprogrammierung nach Zagreb gelenkt. Von wirksamer Abschreckung kann keine Rede mehr sein.
In der Debatte über eine neue Weltordnung, die auf die Auflösung der Sowjetunion folgte, hatte der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama die Rolle des Watschenmanns. Kein Hinterbänkler, kein Geisteszwerg der schwadronierenden Klassen widerstand der Versuchung, sich über sein Buch über „Das Ende der Geschichte“ (1992) abfällig zu äußern. Unzählige Male wurde mit tiefernster Miene die Binsenweisheit verkündet, dass die Geschichte weiter geht, solange es Menschen gibt.
Dabei hatte Fukuyama den Zeitgeist der 1990er gut erkannt und präzis abgebildet. Der Westen hatte im Wettbewerb der Systeme triumphiert; die USA waren die einzige Supermacht; Russland war auf dem Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft; in China ließ die enorme kapitalistische Dynamik politischen Wandel durch Handel erwarten. In einer Pax americana würden Globalisierung, Modernisierung und mutilaterale Verschränkung die Nationalstaaten endlich überwinden und dem Nationalismus den Boden entziehen. Der Beitritt zu EU und Nato wurde als ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Weltrepublik verstanden, mit welcher der Ewige Frieden einkehren würde. Als neue Bedrohungen der Menschheit wurden das Ozonloch, die Feinstaubbelastung und der Klimawandel identifiziert. Wozu also noch in Verteidigung investieren?
Wie aber konnte jetzt eine sowjetische Paläo-Drohne fast eine Stunde lang Nato-Territorium überfliegen, ohne zerstört zu werden? Welchen Sinn hat es, von der Nato die Verhängung eines Flugverbotes über die Ukraine zu fordern, wenn sie nicht einmal mehr in der Lage ist, den eigenen Luftraum zu schützen?
Solche Fragen führen uns zurück zu Fukuyama und zu den Illusionen einer weltumspannenden liberalen Demokratie. Es ist nämlich schon was dran an dem Vorwurf, die Nato sei mitschuldig an der russischen Invasion der Ukraine – aber halt nicht, weil sie Russland eingekreist und bedroht hätte, sondern weil ihre Abschreckung versagt. Im Vertrauen auf den Ewigen Frieden haben die Nato-Länder ihr militärisches Potential abgebaut. Donald Trumps Forderung, wenigstens zwei Prozent des BIP in die Rüstung zu investieren, wurde als Spinnerei abgetan. Im Vertrauen darauf, dass die USA eine Supermacht im Niedergang sind, und dass Europa ohne sie nicht verteidigt werden kann, hat Putin 2008 in Georgien und 2014 auf der Krim und in der Ostukraine getestet, wie weit er gehen kann. Der Krieg, der jetzt vor unseren Augen stattfindet, ist der bisher größte, aber vielleicht nicht der letzte Test dieser Art. Karl-Peter Schwarz
Es war eine wundervolle Aufbruchstimmung in den 90-ern, die uns damals beschwingte. Sie machte uns glücklich! So glücklich, wie wir nur zur Zeit Ludwig Ehrhardts gewesen waren, in den wundervollen 60-er Jahren vor 68. Aber dass Sie in dieser wundervollen Zeit der 90-er nicht die Kehrseite dieser Aufbruchsstimmung gespürt und gefühlt (und teils auch gedacht) haben, lieber Herr Schwarz, das nehme ich Ihnen nicht ab. Und dass Sie in Fukuyama den Sänger dieser Aufbruchsstimmung sehen, nehme ich Ihnen erst recht nicht ab. Sie haben diesen Artikel ja auch gar nicht geschrieben. Sie haben ihn nur liebenswerterweise unter ihrem Namen veröffentlicht, weil Ihr Freund, der Bastian Contrario sich nicht traute. Fukuyama war und ist der Troubadix der 90-er Jahre, der Sänger der Aufbruchsverstimmung, dessen schräge Töne bestenfalls bewirkten, dass uns die eigene Begeisterung nicht ganz geheuer war. Kluge Männer, die Probleme am Horizont sahen und wenigstens über Lösungen für diese heraufkommenden nachdachten, gab es wenige, sehr, sehr wenige. Und bis heute steht eine seriöse, fleißige, organisierte, hochmotivierte, befeuernde Suche nach Lösungen schon viel zu lange aus. Das Beste in dieser Hinsicht ist Zingales` Buch https://www.amazon.de/dp/B000FBFMX4/ref=dp-kindle-redirect?_encoding=UTF8&btkr=1 Überraschung: auch Romano Prodis "Il capitalismo ben temperato" lohnt es zu lesen. Joachim Fests Buch "Die schwierige Freiheit" enthielt in den 90-ern die klügsten Gedanken zu der neuen Situation und ist hochaktuell. Woytila war einer der wenigen, die einen klaren Kopf behielten. Seit Fukushima geriet Fukuyama in Vergessenheit, und mit ihm der endlos lange Schwanz von Problemen, die Fest, Prodi und vor allem Zingales in amöboiden Suchbewegungen begonnen hatten aufzuwerfen.
Kants Schrift Zum ewigen Frieden ist die schlechteste, weil weltfremdeste, die er in seinem Leben verfasste. Schade, dass ein so gebildeter, kluger Mann wie Schwarz sich nicht nur auf ausgerechnet diese Schrift beruft, sondern auch noch um die Ehre des unmöglich simplizistischen Fukuyama zu ehren, der schließlich Teil und erster Wortführer der einfältigen Illusionen war, die in die jetzige Situation führten. Allein der Gedanke, dass es eine Welt ohne Krieg geben könnte (und dann noch in einer Weltrepublik) ist so irrsinnig wie der Gedanke, dass es eine Welt ohne Mord und Totschlag geben könnte und die Polizei überflüssig sein könnte.
Wir müssen zur friedlichen Koexistenz mit Russland zurückfinden. Und zwar gut bewaffnet!! Schlecht bewaffnet, schlecht ausgebildet und schlecht trainiert wie wir im Moment sind, erst recht!!!
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