Stationen

Mittwoch, 9. März 2022

Fassen wir zusammen

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

Es ist nicht einfach in diesem Monat, die richtigen Worte für meine gewohnte Kolumne zu finden.

Zu sehr kreisen die aufgewühlten Gedanken und Gefühle um die schrecklichen Eindrücke und Bilder, die in den letzten Tagen auf uns eingeströmt sind.

Es bricht einem das Herz und ist kaum auszuhalten, dass Menschen von einem Tag auf den anderen aus ihren Wohnungen und aus ihrem Leben gebombt werden.

Nicht anzusehen ist es, dass sich Frauen und Kinder aus Angst um ihr Leben und das ihrer Jüngsten unter Zurücklassung des größten Teils ihres Hab und Guts in endlosen Trecks auf die Flucht in eine ungewisse Zukunft außerhalb ihres eigenen Landes begeben müssen, ausgeliefert einem ungewissen Schicksal und angewiesen auf das Wohlwollen und die Hilfe Fremder. Ganz und gar nicht zu ertragen sind die Bilder weinender Väter und Ehemänner, die ihre Familien allein lassen müssen, um in einen Kampf zu ziehen, von dem viele leider vielleicht nicht mehr zu ihren verwaisten Familien zurückkehren werden.

Es entsetzt und es lähmt uns – aber im Europa des 21. Jahrhunderts hat wieder der Krieg Einzug gehalten. Überkommen altmodisch und brutal, auch wenn ihn unsere westliche und vor allem die deutsche Politik in Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten für anachronistisch und undenkbar gehalten hat.

Und genau hier liegt ein wesentlicher Teil des Problems. Nichts kann und soll den Einmarsch, das blutige Kriegsgeschehen, die Zerstörung und die vielen Opfer in der Ukraine rechtfertigen. Darüber kann es keine zwei Meinungen geben.

Aber es ist unsere Schwäche und unsere westliche und vor allem seit Jahren fehlgeleitete deutsche Politik, die Putin den Angriff auf die Ukraine überhaupt erst ermöglicht haben.

„Si vis pacem para bellum – Wenn Du den Frieden willst dann rüste für den Krieg“ wussten schon die Römer. Mit anderen Worten nur die eigene militärische Stärke ist ein zuverlässiger Garant für die eigene Sicherheit. Oder besser noch statt aggressiver militärischer Gewalt sollten Verhandlungen zur Lösung von Konflikten führen. Aber der friedfertigere und verhandlungsbereite Teil sollte so unmissverständlich stark sein, dass die Ablehnung von Verhandlungen keinen Erfolg für seinen Gegner verspricht.

Genau das Gegenteil aber war bis vor zwei Tagen die Maxime vor allem unserer deutschen auch in vielerlei anderer Hinsicht von allen guten Geistern verlassenen Politik.

Der Westen, vor allem aber Deutschland hat jahrelang seine eigene Verteidigung demontiert. Die vermeintlich friedensbewegte Abrüstung sowie die besonders von links und grün betriebene geradezu feindselige Misshandlung der eigenen Bundeswehr, dazu die absolute politische Themenverfehlung durch dümmliche Atomkraftwerks-Abschaltung und die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen durch das irrwitzige linke Klima-Gaga, haben diese Kriegsoption für Putin überhaupt erst attraktiv gemacht.

Natürlich haben auch das grotesk hilflose Biden’sche und westeuropäische Afghanistan-Desaster und der schlimme lebensgefährliche Verrat an den sich auf den Westen verlassenden Lokalkräften und anderen Demokratie-orientierten, säkularen Afghanen das ihrige zu der Verachtung des Westens durch Putin beigetragen. Dazu kommt auch das jahrelange, besonders von links und grün sowie der Merkel-Regierung geförderte, Appeasement gegenüber einer Islamisierung und kulturellen Wesensveränderung Westeuropas, das nicht nur bei Putin sondern weltweit Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit des Westens aufkommen ließ und im Wesentlichen nichts anderes als eine Einladung zu jeder Art von Übergriffen darstellt.

 

Im Ernstfall ist auf westliche Demokratien eben kein wirklicher Verlass.

Diese leidvolle Erfahrung musste gerade auch Israel machen, dessen existentielle Verteidigung eine deutsche SPD-Regierung beispielsweise auch 1973 unter Kanzler Willy Brandt sabotiert und verweigert hat, als sie während des unprovozierten und völkerrechtswidrigen Yom Kippur Überfalls durch Israels arabische Nachbarn die Logistik für die US-Waffenhilfe auf deutschen Flughafen verbot.*

Kaum erforderlich zu sagen, dass es damals wie heute keine umfassende Solidarisierung mit dem vor knapp 50 Jahren überfallenen und heute nahezu täglich von Hamas-Terrorraketen bombardierten jüdischen Volk gab. Noch jetzt beschimpft und diffamiert die deutsche Politik, besonders im Falle Israels, militärische Stärke vermeintlich friedensbewegt als aggressives Übel. Dabei ist gerade diese persönliche und staatliche Stärke Lebensversicherung für Millionen von kriegerischen Angriffen bedrohten Menschen. Dies dürfte im Übrigen auch im privaten Bereich des Waffenrechts gelten, wo gerade der friedliebende daran gehindert wird , sich wirkungsvoll zu verteidigen, während der Angreifer stets, wenn auch illegale Wege findet, sich zu bewaffnen.

Aber jetzt, nachdem eine geeignete Prävention des Angriffs auf die Ukraine durch die Unfähigkeit des Westens gescheitert ist, geben sich die gleichen Linken und Grünen plötzlich kriegerisch und mutig.

Dabei tun sie das genau auf dem Rücken und auf Kosten der Leben ukrainischer Frauen, Kinder und Männer, statt jetzt, wo es tatsächlich geboten ist, wirklich zu deeskalieren, um weiteres sinnlose Blutvergießen zu verhindern. Jetzt heizt ausgerechnet die für dieses schreckliche Unglück der Menschen in der Ukraine erheblich mitverantwortliche linksdurchseuchte vermeintliche Friedensbewegung, statt nach einer Menschenleben schonenden Lösung zu suchen.

Dieser „Gratismut“ deutscher Schreibtisch-Politiker und ihrer plötzlich von Shaul zu Paul gewandelten Friedensbewegung mag bei der Weltmeisterschaft im „Haltung zeigen“ Punkte einbringen, einen entschlossenen Putin mit Finger am Atomknopf beeindruckt man damit aber nicht.

Das Erwachen aus dem linken pseudo-pazifistischen Traumland kommt leider reichlich spät. Die plötzliche Kehrtwende, die 100-Millarden-Booster-Finanzierung für die marode und vernachlässigte deutsche Bundeswehr und die lebensgefährlichen Durchhalteappelle an die Ukrainer werden die russischen Panzer leider nicht aufhalten und retten kein einziges Kinderleben.

Leider trifft die schwerste und bedrohlichste Krise, der Europa seit dem Ende des 2. Weltkriegs ausgesetzt ist, auf die unfähigsten Regierungen, die Deutschland -aber mit Präsident Biden auch die USA - seit dieser Zeit hatten.

Dabei ist gerade jetzt eine richtige und umsichtige Politik gefragt. Wirklich schnellste humanitäre Hilfe und effektive Deeskalation sind das Gebot der Stunde. Das Setzen unserer Politik auf eine militärische Option ist heute eine unverantwortliche, für die Menschen in der Ukraine suizidale politische Irrfahrt, kostet stündlich weitere unschuldige Leben und bringt die Welt gefährlich nah an eine für alle grauenvolle und vernichtende atomare Option und einen 3. Weltkrieg, aus dessen umfassenden schrecklichen Weiterungen sich niemand wird befreien können.

Auch wenn noch vieles zu sagen wäre, will ich an dieser Stelle den Kommentar abbrechen.

Allen Menschen, vor allem den von schwersten Kriegsleid getroffenen Müttern und Kindern aber natürlich auch allen anderen wünschen die Jüdische Rundschau und ich ein schnelles und friedliches Ende dieses grauenvollen Krieges und eine baldmögliche Rückkehr in ein sicheres und friedvolles Leben mit ihren Familien und in ihrem Land.

Dem Staat Israel, unseren Lesern, dem jüdischen Volk und der gesamten Menschheit wünschen wir in der anstehenden Purim-Zeit vor allem Gesundheit, Frieden und Sicherheit im Kreise ihrer Lieben.

 

Ihr Dr. Rafael Korenzecher

 

 *Dieser Punkt ist umso schlimmer als Brandts Regierung damals den Amerikanern nicht verwehrte, dass die Bombardierungen Vietnams durch die US-Streitkräfte (die Russen bombardierten ja nicht, sondern stellten den Nordvietnamesen mobile Raketenbasen zur Abwehr der amerikanischen Fluggeschwader zur Verfügung) von einem Computer in Heidelberg vorberechnet wurden, gegen den dann die RAF einen Anschlag verübte. Dass Steinmeier jetzt Gudrun Ensslins Aktivitäten ausdrücklich würdigen wollte, ist mehr als peinlich, aber wir wollen bei der Wahrheit bleiben und Ensslin die Anerkennung zollen, die ihr tatsächlich zusteht: Gudrun Ensslin geriet ja erst deshalb auf die schiefe Bahn, weil sie nicht tatenlos zusehen wollte, wie die Amerikaner in Vietnam Kriegsverbrechen begingen, ohne dass sich dem die deutsche Politik auch nur andeutungsweise widersetzte. Die RAF war damals tatsächlich die einzige deutsche Initiative, die diesem Treiben etwas entgegensetzte. So irrsinnig deren Weltbild (das einige Punkte mit dem von Merkel gemeinsam hat) auch war.




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