Die Feuerteufel dürfen sich die Hände reiben. Ihre Rechnung ist aufgegangen. Nachdem sie das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos angesteckt hatten, ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Die Bilder des Infernos erschütterten Europa. Von unhaltbaren Zuständen war allenthalben die Rede. Zumal im Westen des Kontinents wollen sich Politiker und andere Hohepriester der Menschlichkeit schuldig fühlen. Danach, wer denn die Lunte legte, mögen sie lieber nicht fragen.
Zwar hatte Griechenland die Verdächtigen schnell im Blick. „Das Feuer“, sagte der Regierungssprecher Stelios Petsas bereits am vergangenen Donnerstag, „das Feuer wurde von Menschen gelegt, die Asyl beantragt haben – als Reaktion auf die wegen des Coronavirus verhängte Quarantäne“. Doch wurde dem hierzulande, fernab der Flammen, kaum Beachtung geschenkt, die Erkenntnis geradezu für nichtig angesehen. Auf die Frage des „stern“, ob womöglich die Insassen des Lagers den Brand gelegt haben, antwortete der Vertreter einer Hilfsorganisation vor Ort: „Das weiß ich nicht. Und es ist – um es einmal drastisch zu sagen – auch egal.“
Mehr schien da schon der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn zu wissen, als er erklärte: „Für mich heißt der Missetäter Sebastian Kurz. Er hat diese erbärmliche Situation als Allererster zu verantworten.“ Sollte heißen, weil er sich gegen den weiteren Zuzug gewaltbereiter „Flüchtlinge“ wehrt, habe Österreichs Regierungschef diese gezwungen, ihre Aufnahme in die Länder der EU mit Gewalt zu erzwingen. Mit Bildern des Grauens, vor denen sich die Europäer so fürchten, dass sie den Brandstiftern lieber Obdach bieten, als sie an den Grenzen abzuweisen.
Ein Irrglaube, der so neu nicht ist. Bereits 1958 hat der Schweizer Max Frisch diese „Tragikomödie“ bürgerlicher Feigheit auf die Bühne gebracht. In dem Stück „Biedermann und die Brandstifter“, einem seiner bekanntesten, geht es um einen Haarwasser-Fabrikanten, der zwei windigen Gestalten Unterschlupf gewährt. Obwohl er befürchtet, es könne sich um Brandstifter handeln, lässt er sie bei sich wohnen. Ergriffen von den rührseligen Geschichten, die sie ihm erzählen, von den Leiden und der Ungerechtigkeit, die ihnen bisher widerfahren seien, darf er sich als Retter in der Not erheben. Das Vergnügen, sich im Gefühl seiner Menschlichkeit zu sonnen, erstickt jeden Zweifel bis hin zur Katastrophe.
Als sich die Eindringlinge immer dreister und fordernder in seinem Haus ausbreiten, sogar das Benzin für die geplante Brandstiftung auf dem Dachboden lagern, kann er sich ihrer nicht mehr erwehren. Weil er nicht Manns genug ist, die Gefahr zu bannen, sie nicht sehen will, drückt er den Tätern am Ende noch die Streichhölzer in die Hand. Grinsend können sie ihrem Beschützer das Dach über dem Kopf abfackeln.
Die Frechheit gewöhnlicher Verbrecher triumphiert über die humanitäre Einbildung und den Hochmut eines sich besser dünkenden Bürgers. Indem er glaubt, die Bedrohung ignorieren zu können, wird der Biedermann zur lächerlichen Figur, die weiterer Brandstiftung Vorschub leistet. Als Hehler tritt der Dummkopf in die Dienste der Stehler.
Nun wissen wir nicht, ob der Sozialist und gelernte Gewerkschaftsfunktionär Jean Asselborn jemals eine Aufführung des Stückes von Max Frisch gesehen hat. Wenn ja, dann muss ihm das böse Ende entgangen sein. Andernfalls bliebe nur die Vermutung, dass er dem fiktiven nun seinerseits eine reales „Lehrstück“ folgen lassen will, diesmal unter dem Titel. Asselborn und die Brandstifter. Thomas Rietzschel
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