Stationen

Mittwoch, 9. September 2020

Rossini



Stabat mater

Als Richard Wagner ihn besuchte, soll Rossini während des Gesprächs immer wieder aufgestanden sein, um sich kurz zu entfernen. Gefragt, weshalb er denn ständig verschwinde, soll er geantwortet haben, er habe einen Rehrücken im Ofen, der ab und zu begossen werden müsse. An dieser Anekdote ist vermutlich nur das wahr, was sie zum Ausdruck bringt.

Verbürgt ist, dass die beiden einander nicht besonders schätzten, auch wenn das alberne Tamtam um das geistreiche Gepräch, das angeblich wortgetreu aufgezeichnet wurde, versucht, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Wagner sagte über Rossini, er sei voll: nicht voller Musik, sondern voller Braten. Rossini sagte über Wagners Musik: "Wundervolle Minuten, die durch endlose Viertelstunden unterbrochen werden". Und es fehle darin jegliche Melodie. Musik ohne Melodie aber sei wie ein Braten ohne Soße.

Da hat er nicht unrecht. Es gibt außer der wundervollen Tannhäusermelodie, dem herrlichen Meistersingermotiv und dem Matrosengesang im Holländer kaum Melodien, die man gerne singt in Wagners Opern. Stendhal wusste noch, dass Melodien das eigentlich Wesentliche in der Musik sind. Aber Bach hat sozusagen bewiesen, dass es auch ohne geht. Im Vergleich zu Bach ist Wagner ja richtig melodiös. Heute aber werden Melodien in Deutschland mit hochgezogener Braue und Nasenspitze geradezu mit Ächtung und Verachtung behandelt, während in Italien immer wieder mal herrliche Ohrwürmer entstehen. Wird sich die deutsche Musik jemals wieder von den stupiden Schlagern und den experimentellen Exzessen erholen? Das Lebendigste ist da noch der Jazz. Aber der einzige deutsche Jazzmusiker, der auch ein paar (schlechte) Melodien zustande brachte, war Paul Kuhn. Ergreifend singen können in Deutschland nur noch die frommen Kellys. Wenn wir nicht die Österreicher hätten, wäre es völlig duster.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.