Stationen

Samstag, 5. September 2020

Wollen die das wirklich?




Der Text geht hinter der Bezahlschranke weiter, aber man weiß ja ohnehin, was dort steht, denn es handelt sich schließlich um ein Qualitätsmedium und einen anerkannten Historiker.
Sie wünschen sich eine andere Ordnung als die demokratische und liberale, hum hum, und das auf den Stufen eines Parlaments, an dessen Entmachtung und Marginalisierung die dort versammelten Abgeordneten der "Altparteien" (Claudia Roth) seit einigen Jahren konsequent, ja konzentriert arbeiten: durch die immer weiter gehende Abtretung von Kompetenzen und Souveränitätsrechten an die EU, die UNO und andere übernationale Gremien, sowie durch die Beseitigung der Grenzen und eine auf Dauer gestellte grundgesetzwidrige Migration, die jenen Souverän, der über dem Portal geschrieben steht, allmählich in eine "Bevölkerung" verwandeln soll, die kein Demos mehr sein will, sondern nur noch irgendein Territorium bevölkert, ihre jeweiligen Gruppeninteressen vertritt, entlang ethnisch-kultureller Bruchlinien Verteilungskämpfe austrägt und den Modus des Zusammenlebens täglich neu aushandelt. Deswegen vollzieht sich die Einwanderung auch vollkommen wahllos, sie könnte ja sonst Deutschland nützen.




Im Paradies der Progressisten, der Brave New One World, gibt es überall nur noch Bevölkerungen. "Eine Bevölkerung kann keine Demokratie schultern", statuiert der Historiker Egon Flaig. "Ein Volk ist ein historisches Subjekt. Unser Grundgesetz macht dieses historische Subjekt politisch handlungsfähig, nämlich als Souverän einer Demokratie – vermittels seiner verfassungsmäßigen Organe. Eine Bevölkerung dagegen ist eine ameisenhafte Agglomeration von Individuen, die miteinander nichts zu tun haben. Sie ist ein rein passives Objekt für Maßnahmen ökonomischer und politischer Steuerung."

Und das ist noch optimistisch gedacht.





Doch kommen wir zurück zum Spiegel-Interview und der bangen Frage, ob es tatsächlich Leute gibt, die Kaiser Wilhelm wiederhaben wollen, obwohl sie von Merkel regiert und von Steinmeier bzw. in den Kolonien von Heiko Maas repräsentiert werden.

Ich habe hier schon oft darüber räsonniert, dass sich "das beste Deutschland, das es je gab" vor allem vom zweiten Kaiserreich in die Schranken gefordert sieht und sub specie aeternitatis bei diesem Vergleich ungefähr so gut wegkäme wie der erwähnte Herr Maas gegenüber Otto von Bismarck bzw. Karl Lauterbach gegenüber Robert Koch. Oder Harald Lesch gegenüber Max Planck.

Das Kaiserreich war die Epoche, in der Deutschland eine wirtschaftliche, wissenschaftliche und auch eine späte kulturelle Blütezeit erlebte, neben der die heutige wirtschafts-, wissenschafts- und technikfeindliche, porentief grünversiffte BRD wie ein grotesker Gnom wirkt – man schaue allein auf die Galerie der Nobelpreisträger. Die deutsche Chemie-Industrie beispielsweise (Chemie = Gift! Ihre Grünen) war der restlichen Welt weiland so weit voraus, dass die Entente zu den im Krieg erbeuteten Chemie-Patenten die deutschen Ingenieure nachkaufen musste, um sie überhaupt zu verstehen. Die moderne Physik entstand zu wesentlichen Teilen im Kaiserreich. Fast alle großen und bis heute weltbekannten deutschen Unternehmen wurden im Kaiserreich gegründet. Jeder normale Gymnasiast wusste, wie man rechnet und schreibt, sprach Latein und Französisch und spielte ein Instrument.

Die Liberalität der damaligen Zeit kann man sich in der verhetzten Zensurstimmung der heutigen Baumschulen-BRD kaum mehr vorstellen. Jedes Milieu hatte seine eigenen Zeitungen, Lokale, Versammlungsorte, es herrschte tatsächlich Meinungsvielfalt. Im Kaiserreich konnten Anton von Werner und Max Liebermann traulich nebeneinander malen und ausstellen, auch wenn S.M. denjenigen der beiden deutlich bevorzugte, der besser malen konnte, während das Schickeria-Publikum wie zu allen Zeiten den Angesagteren präferierte. Im Berlin Wilhelms durfte, anders als in Wien oder New York, die "Salome" von Richard Strauss unbeanstandet aufgeführt werden (Majestät wünschten lediglich, dass am Ende über der perversen Szenerie der Stern von Bethlehem aufgehen möge), obwohl diese blasphemischste der Opern gegen alles verstieß, was im Reich offiziell als sittlich und moralisch geboten galt.
Thomas Mann hielt in seinen "Betrachtungen eines Unpolitischen" fest (wir befinden uns im Jahr 1914): "Ich bin vierzig Jahre alt geworden in Deutschland, ohne zu wissen, ohne es zu merken, daß ich ein Knecht war unter der Faust von ‚Herren’. Freilich, ich lebte in einem Lande, wo unverfolgt, unbeanstandet ein Buch erscheinen konnte, das mit den Worten schließt: 'Ich heiße das Christentum den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit.' Ein solches Land schien mir frei..."
Wohlgemerkt, das Kaiserreich war christlich. Heute wäre dieser Fluch ausschließlich gegen die christliche Religion aussprechbar, aber wehe gegen eine andere oder gegen eines der zivilreligösen Ersatzbekenntnisse! Kein Mainstreamverlag würde dergleichen drucken. (Übrigens empfand sich der Kaiser als Schutzherr der Muslime, allerdings der Muslime im Orient, nicht hinter den eigenen eingerissenen Grenzen.)
Es wäre im Kaiserreich schwer vorstellbar gewesen, dass an den Universitäten ein studentischer Mob Dozenten an ihrer Arbeit hindert. Oder dass jemand wegen gewagter historischer Thesen von den akademischen Debatten ausgeschlossen wird, bei Strafe der Mithaftung für jeden, der weiterhin mit ihm verkehrt, oder dass Verlage sich aus Angst vor der Zensur umstrittener Autoren entledigen. Es gab während der Sozialistengesetze zwar Spitzel, die SPD-Veranstaltungen denunzierten, und eine Polizei, die sie auflöste, aber keine Antifa, die Sozialdemokraten oder deren Familienangehörige attackierte, ihre Häuser beschmierte, Scheiben einschmiss und Automobile ansteckte. In ihrer August-Bebel-Biographie schreibt Brigitte Seebacher-Brandt: "Bebel war von 1881 bis 1890 Mitglied der 2. Kammer des sächsischen Landtags. Während der ganzen Zeit war das Sozialistengesetz in Kraft. Trotzdem kam es vor, das Anträge, die Bebel stellte, von der bürgerlichen Kammermehrheit angenommen wurden" (S. 199).
Das Kaiserreich war nicht nur eine Epoche wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Prosperität, sondern auch eine des Friedens. Bismarck hatte nach den Einigungskriegen die Devise ausgegeben, dass das Reich saturiert sei. Emanuel Nobel, der Neffe Alfred Nobels und einer der Gründer der von seinem Onkel gewünschten Nobel-Stiftung, wollte Kaiser Wilhelm 1912 den Friedensnobelpreis zusprechen.
Das Kaiserreich war unter den Beteiligten des Ersten Weltkriegs das einzige Land ohne Kriegsziele; sie mussten erst nachträglich formuliert werden. Frankreich wollte Elsass-Lohtringen zurück und die Schmach von 1871 rächen, Russland sah sich als panslawistische Schutzmacht unter anderem Serbiens, England spielte sein ewiges politisches Spiel: Keine Vormacht auf dem Festland dulden, und außerhalb Europas herrscht das Empire, deshalb musste der plötzlich aufgetauchte und mit Überlegenheit drohende deutsche Konkurrent so weit wie möglich gestutzt werden. Willfährige Historiker – hegte ich nicht Achtung vor dem noblen Berufsstand der Huren, ich würde sie so bezeichnen –, allen voran der Nazi Fritz Fischer, haben diese Wahrheit jahrzehntelang bekämpft und verdreht, um dem Kaiserreich die Kriegsschuld in die Stiefel zu schieben. Auch hier ist der Lügenäther zum Schneiden dicht, zumindest bis Deutschland sich abgeschafft hat, dann wird man die Wahrheit unbehelligt verkünden dürfen.
Natürlich, das Kaiserreich war bisweilen autoritär, chauvinistisch, verklemmt, militaristisch, großmäulig, es herrschte Geschlechtertrennung (aber nicht so sehr wie in Arabien), doch Heinrich Manns Untertan war nur eine Karikatur, die Erfindung eines Linken; die große Zeit des Typus Diederich Heßling brach erst in der Bundesrepublik der 2000er Jahre an, und seither vermehrt er sich wundersam ganz ohne direkte Fortpflanzung; klicken Sie nur die Autoren in den Wahrheits- und Qualitätsmedien an und versuchen Sie, Unterschiede zwischen ihnen zu entdecken (früher gab es in Zeitungen Suchbilder, zwischen denen man fünf versteckte Unterschiede herausfinden musste, heute gibt es dafür Autorenporträts).    MK


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