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Dienstag, 1. März 2022

Ajuga reptans


Kriechender Günsel (Ajuga reptans)
Der Günsel gehört zu den alten Pflanzenschätzen, die heute fast in Vergessenheit geraten sind. Überliefertem Wissen zufolge wurde der Günsel sehr vielseitig eingesetzt. Während die einen ihn bei Schlaflosigkeit und Albträumen einsetzten, so rührten die anderen eine Salbe aus Günsel und Sanikel, die dann nach Knochenbrüchen und bei der Wundheilung helfen sollte. Hieronymus Brunschwig destillierte das ganze Kraut und verwendete das „Gunselwasser“ bei Schmerzen der Eingeweide. Leonhart Fuchs schreibt 1543 in seinem „New Kreüterbuch“: „Wann einer den wolff geritten hat/sol er das pulver von gulden Gunzel darinn strewen/so heylet es denselben von stundan.“ Gemeint ist hier wohl die durch Wundreiben entstehende schmerzhafte Hautreizung.

Der kriechende Günsel besitzt eine lange Tradition als Wundheilpflanze. Er galt außerdem als leberreinigendes Heilmittel und leichtes Abführmittel. Traditionell wurde er als Adstringens (zusammenziehend, austrocknend und blutstillend) bei Mund- und Rachenbeschwerden eingesetzt. Dies ist wohl heute noch die bekannteste volkskundliche Verwendung als Heilpflanze.
Der Günsel galt auch als beliebtes Hausmittel bei einem „Kater“. Seine Verwandten im Mittelmeerraum und in Asien werden ebenfalls in der traditionellen Heilkunde verwendet.
Wenn ich sage, dieser Pflanzenschatz ist fast in Vergessenheit geraten, so bedeutet es, dass zum Günsel bisher keine Monographie durch die Expertenkommission erstellt wurde. Dennoch gibt es aber inzwischen interessante Neuigkeiten aus der Forschung:
So soll der hohe Gehalt an Phytoecdysteroiden (Steroidhormone, die auch in etwas geringerer Konzentration, in Spinat vorkommen) Körperfett bei Frauen und Männern reduzieren und gleichzeitig die Zunahme von Muskelmasse fördern. Warum muss ich jetzt an Popeye und seine ungeahnten Kräfte denken, die er nach einer Büchse Spinat erlangte, um seine geliebte Olive Oyl vor dem Schurken Bluto zu verteidigen? Ganz einfach – weil ihr wohl sehr, sehr viel Günsel benötigen würdet, um eine sichtbare Wirkung zu erreichen - quasi büchsenweise. Also doch kein „Wundermittel“ gegen Hüftgold, dafür aber ein Mittel mit einem gewissen Potential anderer Anwendungen.
Denn einige aktuelle Untersuchungen sind sehr vielversprechend und haben ergeben, dass es sich lohnt, dem Günsel wieder mehr Beachtung zu schenken. So sollen die Inhaltsstoffe antioxidativ, antibakteriell, antimykotisch, entzündungshemmend und wundheilend wirken. Des Weiteren wird ihnen eine adaptogene, antidiabetische, immunschützende Aktivität zugeschrieben. Adaptogene sind Inhaltsstoffe bestimmter Pflanzen, welche den menschlichen Organismus dabei unterstützen, sich an körperliche und geistige (Über-) Belastungen anzupassen und ihn so widerstandsfähiger gegen Stress machen. Also genau das Richtige in unserer oft so hektischen und schnelllebigen Zeit.
Die meist rötlich überzogenen Blattrosetten können bald schon, Anfang März gesammelt werden. Wenn dann ab April die wunderschönen Blüten hinzukommen, ist der kriechende Günsel nicht nur eine zartbittere Beigabe im Salat sondern auch noch ein zusätzlicher Augenschmaus. 
 
Text und Foto: Lilian Franz
Quellen: Heilpflanzen Praxis heute, S. Bäumler; Pflanzenschätze der Ahnen, E. Huber; pubmed; DeWiki

 

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