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Mittwoch, 27. April 2016

Bedächtige Bremsung

Staats- und Konzernmedien sind verunsichert: Die platte Empörungs-Rhetorik von einst weicht auffallend bedächtiger Kritik.

„Er hat es wieder getan“, stöhnt „Focus online“ über das Erscheinen des nunmehr vierten Buches von Thilo Sarrazin. In „Wunschdenken“ rechnet der Ex-Politiker und frühere Bundesbanker ebenso gnadenlos wie treffsicher mit der etablierten Politik ab.
Angela Merkels Asylpolitik verwirft er als „größte politische Torheit, die ein deutscher Regierungschef seit dem Zweiten Weltkrieg beging“. Die Kanzlerin habe vielleicht das Wohl der ganzen Welt im Blick, nicht aber das von Europa und schon gar nicht das von Deutschland. Diese „utopische Politik“, die ganze Welt retten zu wollen, gefährde Deutschlands Zukunft stärker, als er es 2010 im Buch „Deutschland schafft sich ab“ für möglich gehalten habe, so Sarrazin.

In dem neuen Buch hält er der etablierten Politik Versagen in etlichen Bereichen vor. Neben der Zuwanderung nennt er unter anderem die Euro-Politik, die Demografie und die Bildung. Dass Politiker so falsch liegen können, führt er darauf zurück, dass sie eine fatale „Tendenz zur Fremd- und Selbsttäuschung“ aufwiesen, die in der „Abschaffung der Wirklichkeit“ gipfele. Zudem seien Unwissenheit, Überschätzung, kurz-fristiges Denken, Egoismus und Selbstbetrug „wesentliche Merkmale der Politiker“.
Die meisten neuen Zuwanderer kämen aus Kulturkreisen mit weit geringerem Bildungsstand, sie würden Deutschland daher ärmer machen.

Die Reaktionen in den Medien auf das neue Sarrazin-Buch unterscheiden sich in aufschlussreicher Weise von den Empörungsstürmen gegen „Deutschland schafft sich ab“. Der Staatssender „Deutschlandradio“ warnt nun vor der „Dämonisierung“ des Autors Sarrazin, die „Süddeutsche Zeitung“ attestiert ihm gar „legitime Positionen“ und eine „Basis, auf der man streiten kann“.

Damit wird Sarrazin zum Seismografen dafür, wie sich das Meinungsklima in Deutschland seit 2010 verändert hat. Dieser Wandel rührt aus der Verunsicherung der mittelinken Tonangeber her.

Just in dem Moment, als sie vordergründig mehr Macht besitzten als je zuvor, spüren jene Tonangeber, wie ihre vermeintliche Allmacht zu erodieren beginnt. Der Aufstieg der AfD oder der Paukenschlag der österreichischen Präsidentenwahl waren nur jüngste Symptome dafür, dass die Herausforderung der Etablierten durch neue Kräfte stetig wächst. Auch auffällige Verschiebungen im Zeitungsmarkt (Kurzformel: „taz“ schrumpft, PAZ wächst) sprechen eine eindeutige Sprache.
Vor diesem Hintergrund scheint man zu erkennen, dass das Fuchteln mit Totschlag-Vokabeln aus der „Antifa“-Kiste nicht mehr fruchtet, und lässt sich notgedrungen auf die Debatte ein. Das ist ein gutes Zeichen: Es tut sich etwas, in Deutschland wie in ganz Europa. Sarrazin leistet abermals einen wichtigen Beitrag.    Hans Heckel

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