Stationen

Montag, 18. April 2016

Optische Täuschung

Es gibt schlichte Fragen, mit denen Sie jede gepflegte Talkshow in einen tosenden Orkan verwandeln können. Mit einer solchen konfrontierte mich neulich ein Bekannter, der wissen wollte: Wieso erleiden nur die Länder, die den Moslems freundlich ihre Tore geöffnet haben, islamischen Terror, während die anderen, welche ihre Grenzen für muslimische Einwanderung verschlossen halten, in Frieden leben dürfen?
Eine wirklich bösartige Frage, die wir hier deshalb nicht weiter verfolgen wollen. Wo kämen wir denn da hin? Selbstverständlich hat man in der Brüsseler U-Bahn Angst vor Anschlägen, während man im Budapest – wo Orbán der Schreckliche regiert, der die Grenzen gegen muslimische Einwanderer verrammelt hat – völlig gelassen unterwegs sein kann. Da Terror aber immer nur soziale Ursachen haben darf und niemals religiöse, kann das nur daran liegen, dass die Ungarn so märchenhaft reich sind, während in Belgien Not und Elend herrschen.

Diesen schrägen Vergleich hauen uns die politisch korrekten „Migrations-Experten“ natürlich um die Ohren. Die jungen Orientalen gleiten nämlich in den Terror ab, weil sie als Minderheit diskriminiert werden, nicht weil das Wirtsland arm ist.
Minderheit? Na ja, ein junger Orientale, der in Berlin-Neukölln, Hamburg-Billstedt, Duisburg-Marxloh, in Brüssel-Molenbeek oder den Pariser Banlieues lebt, der muss schon eine ganz schöne Strecke zurücklegen, um eine diskriminierende Minderheiten-Erfahrung zu erhaschen. Denn da, wo er wohnt, bildet Seinesgleichen in weitem Umkreis die satte Mehrheit. Ob auf der Straße, im Kindergarten, in der Schule oder sonst wo hat er Deutsche, Flamen, Wallonen oder „Bio-Franzosen“ nur als exotisches Rest-Völkchen erlebt. Und welche „Diskriminierungs-Erfahrungen“ haben eigentlich die deutschen Konvertiten erlitten, die, wie der Anführer der „Sauerland-Gruppe“, in den islamischen Terrorismus abgetaucht sind? Ich sehe schon, wir kommen hier nicht weiter.

Die Europäische Union übrigens auch nicht. Daher hat sich die Zuwanderungsfrage zum Spaltpilz entwickelt, der die taumelnde Union sprengen könnte. Polen, Ungarn oder Tschechen wollen ums Verrecken nicht einsehen, dass ihre Großstädte mit einem eigenen Neukölln oder Molenbeek viel lebenswerter würden, vor allem nachts. Auf EU-Ebene wurde laut darüber nachgedacht, ob und wie man die uneinsichtigen Mittelosteuropäer zum Einlenken zwingen kann – etwa durch die Kürzung von Subventionen.

Diese Überlegungen kamen unten bei den Völkern leider nicht so gut an wie erhofft. Dort komplettierten sie nur das Bild einer herrischen EU-Führungsgarde, die meint, Europa sei ihr Besitz, den sie nach Belieben umkrempeln darf wie ein Barockfürst sein Reich.

Am Ende sollte sich erweisen, dass der Graben durch die EU gar nicht zwischen West und Ost verläuft, sondern zwischen oben und unten. So kam es zur Katastrophe: Im naiven Vertrauen auf die Folgsamkeit ihrer Untertanen hatte die niederländische Politik im Juli 2015 ein Gesetz über Volksabstimmungen beschlossen, das ihr und der EU nun auf die Füße fiel.

Die Holländer haben dieses Gesetz genutzt, um das EU-Abkommen mit der Ukraine zu stoppen. Das ist schon an sich eine Gemeinheit sondergleichen. Man hat sich so viel Mühe gemacht mit dem Projekt: Gemeinsam mit den Soros-Stiftungen und wem nicht alles sowie unter milliardenschwerem Geldeinsatz hatte der Westen die Ukraine in ein Pulverfass mit angeschlossenem Kriegsschauplatz verwandelt, um das Land endlich von Russland loszueisen und in die eigenen Hände zu bekommen. Jetzt, wo man fast am Ziel war, kommen diese verfluchten Holländer und schubsen alles um – Dolchstoß aus Den Haag statt „Tulpen aus Amsterdam“!

Dabei ging es unseren aufmüpfigen Nachbarn gar nicht um die Ukraine. Die Vorreiter der Volksabstimmung geben selber zu, dass ihnen das Abkommen mit dem Wackelstaat schnurzpiepe war. Sie wollten einer EU in die Speichen greifen, die sich ihrer Meinung nach in einen machtgierigen, realitätsfernen Kraken verwandelt hat, der die Freiheit der Völker und ihrer Bürger erstickt.
 
Am Brüsseler Hof ist man empört. Die Chefin der EU-Fraktion der Grünen, Rebecca Harms, empfiehlt die Abschaffung von Referenden zu EU-Beschlüssen. „Spiegel“-Erbe Jakob Augstein bringt die Sache auf den Punkt, indem er schreibt: „Beim Volk, das ist die paradoxe Wahrheit, ist die Demokratie nicht gut aufgehoben. Volkes Stimme und Fortschritt – das geht nicht gut zusammen. Die Schweizer wollten keine Minarette, die Hamburger keine Gemeinschaftsschulen und die Niederländer jetzt keinen Vertrag mit der Ukraine.“

In dankenswerter Freimütigkeit hat uns Augstein in eine Gedankenwelt eingeführt, in der nicht bloß er, sondern ein Großteil der sogenannten „Elite“ in Politik und Medien zu Hause zu sein scheint. Uns steigt der muffige Duft von weißen Perücken und Seiden­strümpfen in die Nase. Denn was Augstein hier offenlegt, das ist exakt die Denkweise jener eben genannten Barockfürsten.
Dem Volk ernsthaft Macht überlassen? Unverantwortlich! Die Meute würde sich bloß schaden. Wie das Kleinkind, dem man ja auch nicht die spitze Gabel zum selber essen ins Händchen drückt, es würde sich nur verletzen. Stattdessen wird der Hosenmatz fürsorglich gefüttert, was den Vorteil hat, dass der Fütterer entscheidet, was der Kleine vom Teller bekommt und was nicht.

Wäre der Pöbel „fortschrittlicher“, könnte man ihn ja schon beteiligen. So aber sperrten sich die Schweizer ganz unfortschrittlich gegen jene Minarette, die der fromme Erdogan als „unsere Bajonette“ bezeichnet hat, mit denen die Muslime das Abendland eroberten. Die Hamburger stellten sich der weiteren Verflachung ihrer Schullandschaft in den Weg. Immer frecher nehmen sich die Bürger in Europa „Rechte“ heraus. Die Schweizer haben das ja immer schon so gemacht; am Zustand ihres Landes kann man sehen, wohin das führt. #

Diese Aufmüpfigkeit hat die „Eliten“ alarmiert! Es müssen Gegenmaßnahmen her. Ist die Einwanderungspolitik vielleicht schon eine solche? Die einwandernden Orientalen sind es seit Jahrtausenden gewöhnt, unter Herrschern zu leben, die sich einen Furz für die Meinung ihrer Völker interessierten. Daran haben auch arabische Frühlingsgefühle nichts geändert. Masseneinwanderung aus solchen Kulturkreisen könnte das Regieren möglicherweise viel leichter machen.
Innenminister Thomas de Maizière und Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm senden daher Locksignale an die Welt, dass Deutschland seine Grenzen offen halte oder bald wieder öffne. Grünen-Chefin Simone Peter will die Asylsucher gleich direkt aus Idomeni abholen, damit wieder Schwung in die Sache kommt. Sie weiß: Für jedes Tausend, das von dort direkt nach Deutschland gelotst wird, werden zwei, drei oder zehntausend Menschen nachdrängen, die auf eine Wiederholung der Maßnahme hoffen.

Linke „Aktivisten“ und „freiwillige Flüchtlingshelfer“ kochen derweil die Situation mediengerecht hoch. Nach griechischen Informationen stacheln sie die Leute bei Idomeni massiv auf, die Grenze zu stürmen. Die Bilder sind in der Tat beeindruckend, die immer wieder zu sehenden Kinder gehen zu Herzen.
Es läuft also ganz gut. Die Herrscher in Brüssel, Berlin und anderswo sollten sich allerdings sputen. Mag die arabische Erhebung auch verpufft sein. Der „Europäische Frühling“ gewinnt, wie man bei deutschen Landtagswahlen oder dem holländischen Abstimmungsverhalten jüngst wieder sehen konnte, immer mehr an Kraft. Am Ende nehmen die Völker tatsächlich die Demokratie in ihre eigenen Hände. Dann dürfte es noch mehr „nicht fortschrittliche“ Entscheidungen hageln, bis plötzlich die ganze Richtung nicht mehr stimmt.   Hans Heckel am 18. 4. 2016

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