Je bewegter die Zeiten, desto größer die Macht der Parolen.
„NSDAP-nah“, „extremistisch“, „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“,
„Schande für Deutschland“, so lauten die Vorwürfe an die Adresse der
AfD. Als Ausgangspunkt dienen einige Punkte des Entwurfs für das
Parteiprogramm, das auf dem Parteitag Ende des Monats verabschiedet
werden soll.
Darin geht es um das Verbot von Minaretten, den Ruf des Muezzin und
Ganzkörperverschleierung, Kontrolle der Finanzierung islamischer
Institutionen. Manches davon entspricht den Forderungen verwandter
Parteien im ganzen Spektrum von SVP bis Front National, manches dem, was
auch die Etablierten verlangen.
Auf den Kern der Sache kommt man erst mit der Formel „Der Islam
gehört nicht zu Deutschland.“ Denn die macht deutlich, daß die AfD
„Deutschland“ weder für eine AG noch für ein zivilgesellschaftliches
Projekt noch für ein beliebiges Bevölkerungskonglomerat hält.
Deutschland wird offenbar als eine konkrete, historisch so und nicht
anders gewordene Einheit mit bestimmten kulturellen Prägungen
verstanden.
Diese Einheit ist deshalb durchaus definierbar, etwa im Hinblick auf
ihre Identität. Die könnte man bestimmen als „Verschmelzung hellenischer
und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen“ (Rudolf Fahrner /
Claus v. Stauffenberg). Das heißt nicht, daß nicht auch anderes
quantitativ eine Rolle spielen mag.
Aber das Andere hat doch nicht den gleichen Anspruch auf Geltung wie
das Eigene. Das gilt auch für den Islam. Insofern ist die Feststellung
Alexander Gaulands durchaus berechtigt, wenn er den Islam als
„Fremdkörper“ bezeichnet. Und die Behauptung der Gegenseite, daß der
Islam zu Deutschland gehört, ist es nicht. Denn die stützt sich nur auf
Wünschbarkeiten: die, daß Islam und Islamismus nichts miteinander zu tun
haben, die, daß Integration an der fehlenden Sensibilität der
„aufnehmenden“ Gesellschaft scheitert, die, daß der Islam sich
„entwickeln“ werde oder schon in einen zahmen „Euro-Islam“ übergehe, der
die Trennung von Staat und Kirche akzeptiert.
Nichts davon findet seine Bestätigung in der Wirklichkeit. Die ist
bestimmt durch das Kippen ganzer Großstadtviertel, das Entstehen von
Parallelgesellschaften, die Ausbreitung des Salafismus und verwandter
Strömungen, die Rekrutierung von Dschihadisten wie die rabiate
Anspruchshaltung selbsternannter Vertreter der muslimischen
Gemeinschaft. Das alles läßt ein klar konturiertes Bild entstehen; das
erlaubt eine präzise Lagebeurteilung, und die zwingt zur Konzentration
auf den Kern des Streits. Es ist deshalb kaum sinnvoll, eine weitere
Front zu eröffnen und dem Islam den Charakter einer Religion
abzusprechen. Die Behauptung, die Beatrix von Storch aufgestellt hat,
daß es sich um eine „politische Ideologie“ handele, führt zur
Unterschätzung und in die Irre.
Denn ganz ohne Zweifel gehört der Islam zu den Hochreligionen, seine
Ausbreitung ist unmöglich nur auf Zwang oder die Beutelust einiger
Beduinenstämme zurückzuführen. Er hat nicht nur außerordentliche
zivilisatorische Leistungen hervorgebracht, sondern immer auch ein
erhebliches Maß an intellektueller Anziehungskraft bewiesen, das nichts
mit der Bekehrung von Verlierern im Wohlstandsgürtel der nördlichen
Erdhalbkugel zu tun hat. Ihn mit einer antifaschistischen Mobilisierung
der anderen Art bekämpfen zu wollen, wird kaum gelingen.
Denn der steht nicht nur das Prinzip der Religionsfreiheit entgegen,
wie es in der Verfassung niedergelegt ist, sondern auch die Gefahr sich
rasch in unerfreulicher Gesellschaft wiederzufinden: Schulter an
Schulter mit denen, denen es tatsächlich um das Schüren von Religionshaß
geht, oder im Verein mit jenen Verteidigern „westlicher Werte“, die
darunter vor allem das Recht auf Obszönität, Abtreibung und die
Durchsetzung der Schwulenehe verstehen.
Die Heftigkeit der Attacken auf die AfD hat auch mit der
islamskeptischen oder islamfeindlichen Stimmungslage in großen Teilen
der Bevölkerung zu tun. Die Umfrageergebnisse sprechen eine deutliche
Sprache, und man möchte den Zugriff eines gefährlicher werdenden
Konkurrenten auf eine tendenziell wachsende Klientel verhindern. Das
alles gehört zum politischen Tagesgeschäft. Die Auseinandersetzung um
den Islam in Deutschland ist wesentlich mehr als das.
Hier wird ein Kulturkampf geführt. In dem geht es nicht nur darum, ob
die Zuspitzung der Situation durch weitere islamische Zuwanderung
verhindert und die Fähigkeit zur Assimilierung gestärkt werden kann. Es
geht auch um die grundsätzliche Frage, was uns als Deutsche und Europäer
ausmacht und wie sich eine Antwort nicht nur in der Abgrenzung geben
läßt.
Dr. Karlheinz Weißmann, Jahrgang 1959, ist Historiker und arbeitet im Höheren Schuldienst des Landes Niedersachsen
Ich hatte gestern eine sehr konstruktive Diskussion mit Mouhanad Khorchide über den Islam im Haus am Dom in Frankfurt. Auch wenn wir
beide den Islam unterschiedlich bewerten, schätze ich Mouhanads
Bemühungen, eine Theologie der Barmherzigkeit zu etablieren und die
friedlichen Muslime dafür zu gewinnen. Doch gestern waren einiger dieser
friedlichen Muslime im Saal anwesend, und ihre Wortmeldungen haben
einmal mehr gezeigt, dass es sehr schwierig sein wird. Es waren
gebildete, junge Männer, die nicht den Eindruck erweckten,
extremistische Positionen einzunehmen, dennoch waren ihre Kommentare
entweder naiv apologetisch oder von der Opferhaltung geprägt.
Ich kann gut verstehen warum solche Muslime meine Thesen angreifen, aber
warum greifen sie auch die Thesen von Khorchide an, der ja versucht,
das Friedenspotential des Islam in den Vordergrund zu stellen? Wo stehen
sie? Was wollen sie?
Das sagen sie nicht. Sie sagen nur, was sie nicht mögen, nicht das was
sie erreichen wollen! Und wenn sie vor der Wahl stehen, dann wählen sie
lieber Erdogan. Hier wird deutlich, dass das Problem nicht nur die
Minderheit unter Muslimen, die Gewalt und Ausgrenzung befürwortet,
ist, sondern auch die Mehrheit, die sich entweder nicht positioniert oder aus dem
Opferdiskurs nicht rauskommen will. Wenn junge Muslime die Chance
bekommen, ihre Positionen in den Medien darzustellen, kommt dabei
oft nicht mehr heraus als Jammern auf höchstem Niveau. In der Islamdebatte
vermisse ich selbstbewusste junge Muslime, die sagen können „Ich scheiße
auf Abdel-Samad und Mazyek und den Imam meiner Moschee. Hier bin ich
und das und das will ich!" Hamed Abdel-Samad am 21. 4. 2016
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