Stationen

Dienstag, 26. April 2016

Trotzdem

Die hohe Arbeitslosigkeit unter Muslimen ist kaum zu leugnen. Gründe bei den Betroffenen zu suchen gilt als politisch inkorrekt. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) tat man es trotzdem und wurde fündig.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird nicht müde zu betonen, dass „eine von Stereotypen geprägte öffentliche Debatte über den Islam“ der Grund für die schlechten Jobchancen von Muslimen sei: „Die Debatte ist von den Aussagen geprägt, dass Muslime angeblich ungebildet und integrationsunwillig sind.“ Es ginge darum, Vorurteile zu beseitigen und die Potenziale der Menschen zu erkennen. Viele Politiker haben die Einschätzung der Behörde in den vergangenen Jahren für ihre Argumentation benutzt.


Zu einer realistischeren Einschätzung kommt eine Studie von Ruud Koopmans, dem Leiter der Forschungsabteilung „Migration, Integration, Transnationalisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Das Institut ist durchaus etabliert, wurde es doch 1969 auf Initiative von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen gegründet. Im WZB arbeiten rund 140 deutsche und ausländische Soziologen, Politologen, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen zusammen. Die Studien, die das WZB veröffentlicht, werden in aller Regel gelesen, auch wenn sie – wie in diesem Fall – unbequeme Wahrheiten zutage fördern. 
 
Dass muslimische Zuwanderer überdurchschnittlich oft arbeitslos sind und im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung eher düstere Zukunftsaussichten haben, ist dabei nicht die brisante Erkenntnis, sondern die, dass dies nicht unbedingt mit einer diskriminierenden Haltung der Bevölkerung zu tun habe: „Viel entscheidender auf die Integrationsfähigkeit wirkten sich andere Faktoren wie Sprachkenntnisse, interethnische soziale Kontakte oder aber auch die Stellung der Frau aus“, sagt Koopmans. Denn in vielen Kulturen, insbesondere in solchen, die stark religiös geprägt seien, werde bezahlter Arbeit für Frauen kein hoher Wert beigemessen oder sogar aktiv davon abgeraten. Das Berliner Forscherteam spricht von „soziokulturellen Einflüssen“, die ausschlaggebend für die Situation auf dem Arbeitsmarkt seien. „Man kann als Fazit festhalten, dass solche muslimischen Migranten, die gute deutsche Sprachkenntnisse haben, die über viele interethnische Kontakte zu Personen der Mehrheitsgesellschaft verfügen und die liberale Vorstellungen haben über die Rolle der Frau, dass die genauso wenig arbeitslos sind, als es Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sind“, so Koopmans.
Als großes Problem sieht der WZB-Forscher bis heute die Tatsache, dass Muslime vor allem im eigenen Milieu heiraten. „Für 80 Prozent der hier lebenden Muslime soll der bevorzugte Ehepartner aus dem eigenen Kulturkreis kommen. Das ist eine ungewöhnlich hohe Zahl“, erklärt Koopmans. „Unsere Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass die niedrige Arbeitsmarktpartizipation von muslimischen Frauen und die hohen Arbeitslosigkeitsraten von Muslimen nahezu vollständig auf defizitäre Sprachkenntnisse zurückzuführen sind.“ Im Klartext heißt dies, dass in rein muslimischen Familien Deutsch nach wie vor eine Fremdsprache ist. Die Studie spricht daher von „Startbenachteiligungen“, die Kinder hätten, die in Elternhäusern aufwachsen, in denen kein oder nur unzureichend Deutsch gesprochen wird. Koopman zufolge wurde festgestellt, „dass die Einwanderungsgesellschaften belegen, dass es richtig ist, großen Wert auf den Spracherwerb zu legen. Die Muslime müssen verstehen, dass die kulturelle Abschottung ihren Preis hat.“

Doch nicht nur mangelnde Sprachkenntnisse stellen sich bei einer derartigen Abschottung  als Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt dar. Die Geschäftsführerin der Potsdamer Agentur für Arbeit, Ramona Schröder, berichtet davon, dass es Asylbewerber gebe, die hochmotiviert seien. Doch die Jobvermittlung sei schwieriger als erwartet. „So wurden mehrere Asylbewerber in ein Potsdamer Hotel vermittelt. Dann gab es Diskussionen über Frauen in Führungspositionen. Auch der Alkoholkonsum der Gäste löste Probleme aus. Wir haben daraus gelernt, dass wir künftig auch soziokulturelle Themen berücksichtigen müssen, die ansonsten nicht erforderlich sind. So hat es keinen Zweck.“


Heinz Buschkowsky, langjähriger Bezirksbürgermeister des Berliner Problemviertels Neukölln, teilt diese Einschätzung. Statistiken bewiesen, dass Immigranten mit polnischen, russischen oder vietnamesischen Wurzeln häufiger bessere Schulabschlüsse erzielten als muslimische Schüler: „Offensichtlich gibt es starke Verbindungen zwischen Religion und dem alltäglichen Leben dieser Migranten“, sagte der SPD-Politiker. Auch er betont, dass Einwanderung per se nichts Schlechtes sei, aber es müsse auch immer der Integrationswille der Zuwanderer vorhanden sein. „Einfach nach Deutschland kommen und sagen, ,dann macht mal‘. Das wird so nicht gehen. Viele Eltern ignorieren westliche Werte, verachten Bildung und erziehen ihre Söhne zu brutalen, hyperreligiösen Taugenichtsen“, schrieb Buschkowsky in seinem Buch „Neukölln ist überall“. Der hoffnungslose Nachwuchs lasse alle resignieren, die sich um zivilisiertes Zusammenleben bemühen. Lehrerinnen, Polizisten, Beamte beugten sich der Gewalt, lautet das bittere Fazit des Ex-Politikers.
Auch die WZB-Forscher glauben, dass Erziehung, Schulbildung und Akzeptanz der einheimischen Gepflogenheiten Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration seien. „Die Regel ist einfach. Je besser die Sprache, desto besser die Noten, desto besser die Chancen“, sagt Koopmans.   Peter Entinger am 26. 4. 2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.