Die hohe Arbeitslosigkeit unter Muslimen ist kaum zu leugnen. Gründe bei
den Betroffenen zu suchen gilt als politisch inkorrekt. Am
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) tat man es
trotzdem und wurde fündig.
Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge wird nicht müde zu betonen, dass „eine von Stereotypen
geprägte öffentliche Debatte über den Islam“ der Grund für die
schlechten Jobchancen von Muslimen sei: „Die Debatte ist von den
Aussagen geprägt, dass Muslime angeblich ungebildet und
integrationsunwillig sind.“ Es ginge darum, Vorurteile zu beseitigen und
die Potenziale der Menschen zu erkennen. Viele Politiker haben die
Einschätzung der Behörde in den vergangenen Jahren für ihre
Argumentation benutzt.
Zu einer realistischeren Einschätzung kommt
eine Studie von Ruud Koopmans, dem Leiter der Forschungsabteilung
„Migration, Integration, Transnationalisierung“ am Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung. Das Institut ist durchaus etabliert, wurde
es doch 1969 auf Initiative von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen
gegründet. Im WZB arbeiten rund 140 deutsche und ausländische
Soziologen, Politologen, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen
zusammen. Die Studien, die das WZB veröffentlicht, werden in aller Regel
gelesen, auch wenn sie – wie in diesem Fall – unbequeme Wahrheiten
zutage fördern.
Dass muslimische Zuwanderer überdurchschnittlich oft
arbeitslos sind und im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung eher
düstere Zukunftsaussichten haben, ist dabei nicht die brisante
Erkenntnis, sondern die, dass dies nicht unbedingt mit einer
diskriminierenden Haltung der Bevölkerung zu tun habe: „Viel
entscheidender auf die Integrationsfähigkeit wirkten sich andere
Faktoren wie Sprachkenntnisse, interethnische soziale Kontakte oder aber
auch die Stellung der Frau aus“, sagt Koopmans. Denn in vielen
Kulturen, insbesondere in solchen, die stark religiös geprägt seien,
werde bezahlter Arbeit für Frauen kein hoher Wert beigemessen oder sogar
aktiv davon abgeraten. Das Berliner Forscherteam spricht von
„soziokulturellen Einflüssen“, die ausschlaggebend für die Situation auf
dem Arbeitsmarkt seien. „Man kann als Fazit festhalten, dass solche
muslimischen Migranten, die gute deutsche Sprachkenntnisse haben, die
über viele interethnische Kontakte zu Personen der Mehrheitsgesellschaft
verfügen und die liberale Vorstellungen haben über die Rolle der Frau,
dass die genauso wenig arbeitslos sind, als es Mitglieder der
Mehrheitsgesellschaft sind“, so Koopmans.
Als großes Problem sieht
der WZB-Forscher bis heute die Tatsache, dass Muslime vor allem im
eigenen Milieu heiraten. „Für 80 Prozent der hier lebenden Muslime soll
der bevorzugte Ehepartner aus dem eigenen Kulturkreis kommen. Das ist
eine ungewöhnlich hohe Zahl“, erklärt Koopmans. „Unsere Analysen kommen
zu dem Ergebnis, dass die niedrige Arbeitsmarktpartizipation von
muslimischen Frauen und die hohen Arbeitslosigkeitsraten von Muslimen
nahezu vollständig auf defizitäre Sprachkenntnisse zurückzuführen sind.“
Im Klartext heißt dies, dass in rein muslimischen Familien Deutsch nach
wie vor eine Fremdsprache ist. Die Studie spricht daher von
„Startbenachteiligungen“, die Kinder hätten, die in Elternhäusern
aufwachsen, in denen kein oder nur unzureichend Deutsch gesprochen wird.
Koopman zufolge wurde festgestellt, „dass die
Einwanderungsgesellschaften belegen, dass es richtig ist, großen Wert
auf den Spracherwerb zu legen. Die Muslime müssen verstehen, dass die
kulturelle Abschottung ihren Preis hat.“
Doch nicht nur mangelnde
Sprachkenntnisse stellen sich bei einer derartigen Abschottung als
Hindernisse auf dem Arbeitsmarkt dar. Die Geschäftsführerin der
Potsdamer Agentur für Arbeit, Ramona Schröder, berichtet davon, dass es
Asylbewerber gebe, die hochmotiviert seien. Doch die Jobvermittlung sei
schwieriger als erwartet. „So wurden mehrere Asylbewerber in ein
Potsdamer Hotel vermittelt. Dann gab es Diskussionen über Frauen in
Führungspositionen. Auch der Alkoholkonsum der Gäste löste Probleme aus.
Wir haben daraus gelernt, dass wir künftig auch soziokulturelle Themen
berücksichtigen müssen, die ansonsten nicht erforderlich sind. So hat es
keinen Zweck.“
Heinz Buschkowsky, langjähriger Bezirksbürgermeister
des Berliner Problemviertels Neukölln, teilt diese Einschätzung.
Statistiken bewiesen, dass Immigranten mit polnischen, russischen oder
vietnamesischen Wurzeln häufiger bessere Schulabschlüsse erzielten als
muslimische Schüler: „Offensichtlich gibt es starke Verbindungen
zwischen Religion und dem alltäglichen Leben dieser Migranten“, sagte
der SPD-Politiker. Auch er betont, dass Einwanderung per se nichts
Schlechtes sei, aber es müsse auch immer der Integrationswille der
Zuwanderer vorhanden sein. „Einfach nach Deutschland kommen und sagen,
,dann macht mal‘. Das wird so nicht gehen. Viele Eltern ignorieren
westliche Werte, verachten Bildung und erziehen ihre Söhne zu brutalen,
hyperreligiösen Taugenichtsen“, schrieb Buschkowsky in seinem Buch
„Neukölln ist überall“. Der hoffnungslose Nachwuchs lasse alle
resignieren, die sich um zivilisiertes Zusammenleben bemühen.
Lehrerinnen, Polizisten, Beamte beugten sich der Gewalt, lautet das
bittere Fazit des Ex-Politikers.
Auch die WZB-Forscher glauben, dass
Erziehung, Schulbildung und Akzeptanz der einheimischen Gepflogenheiten
Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration seien. „Die Regel ist
einfach. Je besser die Sprache, desto besser die Noten, desto besser
die Chancen“, sagt Koopmans. Peter Entinger am 26. 4. 2016
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