"Daß man sich mit der Übernahme von Verantwortung auch übernehmen kann,
zeigt das deutsche Asylrecht. Die Zahl der Menschen auf der Welt, die
aufgrund echter Gefahr für Leib und Leben dieses Recht in Anspruch
nehmen könnten, ist so groß, daß dies den Zusammenbruch unseres
Staatswesens zur Folge haben könnte, wenn auch nur ein erheblicher
Prozentsatz von ihnen dies täte. Hier gilt zweifellos der Satz des
Evangeliums, daß der, der einen Turm bauen will, gut daran tut, zuvor
die Kosten zu berechnen. Menschenrechte auf bestimmte Leistungen anderer
Menschen können immer nur bedingte Rechte sein, denn die Erfüllung
setzt erstens immer voraus, daß es Subjekte entsprechender Pflichten
gibt, die diese Leistungen zu erbringen auch imstande sind, und es setzt
voraus, daß diese Subjekte nicht vielleicht durch vordringlichere
Pflichten an der Erfüllung dieser Ansprüche gehindert sind. Abwehrrechte
hingegen, die andere nur dazu verpflichten, bestimmte Handlungen zu
unterlassen, sind jederzeit erfüllbar. Sie sind daher strikter als jene.
Es ist sehr folgenreich, wenn man – wie es die Marxisten tun – diese
Rangordnung umkehrt und die elementaren Freiheitsrechte des Menschen
seinen Ansprüchen auf soziale Leistungsgarantien unterordnet."
Aus Robert Spaemann: "Grenzen. Zur ethischen Dimension des Handelns", Stuttgart 2001
(MK am 27. 4. 2016)
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